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„Ich habe auf den Deckel bekommen“

Als Stürmer ist man schnell der Buhmann, sagt Peniel Mlapa. Er hat das bei Dynamo erlebt. Doch jetzt will er es seinen Kritikern auf dem Platz zeigen.

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© Robert Michael

Von Sven Geisler

Peniel Mlapa ist eine frohe Natur. Er lächelt selbst, wenn er über seine vielleicht bisher schwierigste Zeit als Fußball-Profi erzählt. Dabei könnte man erwarten, dass der Togoer sauer ist und frustriert nach dieser Saison bei Dynamo Dresden, die für ihn genauso durchwachsen war wie für die gesamte Mannschaft. Aber er – das Gefühl hatte er jedenfalls – wurde von Anfang an besonders kritisch gesehen. „Sogar als es noch gut lief, habe ich auf den Deckel bekommen“, meint er.

Mlapa kam Ende August vorigen Jahres vom Ligakonkurrenten VfL Bochum nach Dresden und sollte am besten gleich zwei Lücken auf einmal schließen: die des abgewanderten Torjägers Stefan Kutschke und des langzeitverletzten Pascal Testroet. „Dynamo hat ein bisschen Geld für mich bezahlt“, sagt er – und meint: „Deshalb war es klar, dass manche Leute jedes Spiel – übertrieben gesagt – drei, vier Tore von mir erwarten.“ Es sind tatsächlich vier geworden, erzielt in drei Spielen Mitte Oktober, zwei davon per Elfmeter.

Eine magere Ausbeute für einen, der mit der Empfehlung aus 79 Einsätzen in der ersten und mehr als 100 in der zweiten nach Dresden gekommen war. „Das ist nicht zufriedenstellend“, sagt Mlapa, und er erklärt es sich so: „Ich hatte wenig Erfolgserlebnisse. Wenn man zwei, drei Spiele nicht trifft, denkt man: Boah, komm, jetzt muss aber mal wieder einer rein. Man will es eigentlich nicht, weil das Selbstbewusstsein darunter leidet, setzt sich aber selber unter Druck und zählt die Minuten.“

Sportgeschäftsführer Ralf Minge hatte Mlapas „hervorragende Athletik und Schnelligkeit“ gepriesen, er werde „mit seinem wuchtigen Offensivdrang“ das Angriffsspiel bereichern. Doch auf dem Platz war davon wenig zu sehen, der Angreifer wirkte vielmehr wie verloren als einzige Spitze. Auf das System will er es jedoch nicht schieben. „Natürlich ist es nicht so einfach, wenn du als Zentrumsstürmer immer zwei, drei Gegenspieler im Rücken hast, aber das habe ich ja nicht zum ersten Mal gespielt. Ich bin es gewohnt.“

Der Pechvogel als Sündenbock

In der Rückrunde wollte er neu angreifen, endlich richtig ankommen. Doch nach der 0:1-Niederlage in Sandhausen war er bei den meisten Fans endgültig unten durch, weil er beim Schuss von Marcel Franke im Weg stand und so den Ausgleich verhindert hat. „Unglaublich“, findet Mlapa diese Szene danach, aber der Pechvogel wird zum Sündenbock gestempelt – vor allem in den Netzwerken, die alles andere als sozial sein können. „Ich bin ein gestandener Spieler, 27 Jahre alt“, meint er. „Ich versuche, das so gut wie möglich auszublenden, was man aber nicht immer schafft. Wir sind alle nur Menschen. Natürlich verletzt einen das, was so geschrieben wird.“

Die Hemmschwelle zu persönlichen Beleidigungen ist in der Anonymität des Netzes extrem niedrig, wobei Mlapa weiß: „Für einen Stürmer ist es immer extrem. Wenn du triffst, bist du der Held. Wenn nicht, jagen sie dich am liebsten vom Hof. Als Verteidiger bist du vielleicht nicht so schnell der Buhmann, als Stürmer können dich ein, zwei schlechte Spiele kaputtmachen.“ Wie soll man damit umgehen? „Du kannst ja nicht sagen: Ich habe keine Lust mehr“, meint Mlapa. „Natürlich macht man sich Gedanken. Es war aber nicht so, dass ich todtraurig nach Hause gegangen bin und nicht mehr schlafen konnte.“

Trotzdem: Er würde seine Kritiker gerne mal einladen: „Komm’, wir treffen uns und quatschen mal darüber.“ Weil das undenkbar ist und vermutlich wenig bringen würde, hat er sich für einen anderen Weg entschieden. „Die Leute haben ihre Meinung, aber ich will es ihnen auf dem Platz zeigen und sie vom Gegenteil überzeugen.“

Sein Vertrag läuft noch zwei Jahre bis Juni 2020. Und Mlapa hat nicht mal in der Phase, in der er außen vor war, daran gedacht, Dynamo nach dieser Saison zu verlassen. „Ich habe mich eher hinterfragt: Woran liegt’s, warum komme ich nicht ins Rollen, wie komme ich wieder raus aus der Sackgasse?“ Das habe er geschafft und in den letzten beiden Partien wieder gespielt. Trainer Uwe Neuhaus setzte ihn überraschend auf der rechten Seite ein, für Mlapa jedoch keine neue Position. Er hatte in Hoffenheim und Bochum da gespielt, räumt aber ein: „Ich fühle mich im Zentrum wohler, kann aber auch außen spielen.“

Sogar die schärfsten Kritiker hatten danach wenig zu meckern. Vielleicht war das bereits ein Vorgriff für den Neuanfang, den er sich fest vorgenommen hat. „In der Vorbereitung geht’s los und ich gebe mein Bestes.“ Vorher aber will Mlapa ein, zwei Wochen irgendwo am Meer die Seele baumeln lassen, vielleicht verbunden mit dem Besuch bei den Großeltern in Lomé, der Hauptstadt von Togo.

Durch sie ist er verbunden mit seinem Heimatland, für das er in der Nationalmannschaft spielt. Ein Urteil über die derzeitigen Proteste gegen Präsident Faure Gnassingbé möchte er sich dagegen nicht erlauben. „Dafür bin ich zu weit weg.“ Er war zwei Jahre alt, als seine Eltern vor politischen Unruhen aus einem der ärmsten Länder der Welt flohen, die Familie lebt jetzt in München. Sie ist für Mlapa ein Rückhalt genau wie seine Freundin. „Um mich muss sich keiner Sorgen machen.“

„Du musst daran glauben“

Die Hoffnung, auch die Dynamo-Fans für sich gewinnen zu können, gibt Mlapa nicht auf. „Vielleicht muss ich an meiner Art etwas ändern, mehr Emotionalität reinbringen“, sagt er. „Das wird hier kritischer gesehen, also versuche ich, das zu ändern.“ Es könnte sein Schlüssel zum Glück sein, das jeder Torjäger braucht. „Irgendwann wirst du angeschossen, der Ball geht rein. Plötzlich läuft es und keiner fragt mehr, was vorher war. Du musst daran glauben.“ Bei dem Gedanken lächelt er noch strahlender.