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„Ich kämpfe bis zum Schluss“

Juliana Dressel-Zagatowski leitet eine besondere Schule. Nun wird befürchtet, dass sie weichen muss.

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© René Meinig

Von Andreas Weller

An der 101. Oberschule herrscht Unruhe: Der Schulversuch Unischule droht, sie aus dem Gebäude an der Pfotenhauerstraße zu verdrängen. Das befürchten zumindest die Verantwortlichen, Eltern und Schüler. Die Stadt muss noch eine Vorlage zur genauen Umsetzung erstellen. Die Bedenken verursacht hat Anke Langner, die für das Projekt der Technischen Universität verantwortlich ist. In internen Schreiben an das Schulverwaltungsamt nennt sie es „auflösen“: Wer bereits an der Schule ist, könne entscheiden, seinen Abschluss an der Ober- oder Unischule zu machen, künftig werde es nur noch die Unischule geben.

Das akzeptiert die Schulleiterin der 101. nicht. „Ich werde um diese Schule kämpfen und auch für die Schüler“, so Juliana Dressel-Zagatowski. Dabei stellt sie klar, dass sie nicht gegen die Unischule ist. Aber sie möchte zusammenarbeiten und nicht einfach geschluckt werden. „Dann würden 25 Jahre Integrationsarbeit über den Haufen geworfen“, sagt die Schulleiterin. Von den derzeit 436 Schülern sind mittlerweile die Hälfte Ausländer. Das entspricht aber keinesfalls dem Anteil in Johannstadt. Dieser liegt mit rund elf Prozent zwar über dem Durchschnitt in Dresden von 7,4 Prozent, ist aber dennoch deutlich geringer.

„Unsere Schule wird schon lange Ausländern in der ganzen Stadt empfohlen. Nach dem Motto: Da sind Leute, die Erfahrung damit haben“, erklärt Dressel-Zagatowski. „Aber wir sind keine Brennpunktschule, die Schüler wollen nicht abgestempelt werden.“ Diese Gefahr sieht die 54-Jährige aber seit der Diskussion, wo die Unischule starten soll. „Die Schüler sehen es eher so, dass sie und die Schule etwas Besonderes sind.“ Statt die Erfahrungen aufzugeben, solle es ein Miteinander geben. „Die Unischule könnte von unseren Erfahrungen profitieren – nicht nur bei der Integration, sondern auch, weil wir bereits viele Jahre eine Schule betreiben und die Unischule neu starten will.“

Dressel-Zagatowski will keinen Wettstreit unter den Schulen. Aber sie will auch keine Räume einfach so abgeben müssen. Derzeit lauten die Vorgaben, sie müsse zunächst der Unischule eine komplette Etage zur Verfügung stellen. „Es heißt, wir würden einige Räume gar nicht als Klassenzimmer nutzen. Diese Diskussion um Räume ist destruktiv.“ Denn müsste sie die Zimmer abgeben, würde das auch das Schülerprojekt „Boss Meal“ betreffen. Die Schüler betreiben ihre eigene Cafeteria, kaufen selber ein, müssen wirtschaftlich arbeiten, auf die Wünsche ihrer Kunden – die Mitschüler – eingehen und versuchen, für eine ausgewogene Ernährung zu sorgen. Das Projekt ist erfolgreich und wird als Schüler-Aktiengesellschaft betrieben. „Da arbeiten Schüler von der sechsten bis zur zehnten Klasse mit.“ „Boss Meal“ hätte keinen Raum mehr, fürchtet die Schulleiterin.

Zudem seien die angeblich nicht genutzten Räume wichtig fürs Konzept. „Bei uns lernen Schüler aus Wohngemeinschaften, die keine Angehörigen mehr haben, und eben viele Ausländer – da ist der Unterricht nicht immer einfach, und es muss auch mal eine Klasse geteilt werden“, erläutert Dressel-Zagatowski. Sie will eine lebendige Schule haben, auch, um allen Schülern die Chance auf einen Abschluss zu ermöglichen. „Das sind Kinder und Jugendliche, die zum Teil aus sehr schwierigen Verhältnissen kommen. Aber deshalb sind sie selbstverständlich nicht doof!“

Als sie anfangs von den Plänen zur Unischule hörte, hat die Schulleiterin darüber nachgedacht, wie die Schulen voneinander profitieren können. „Nun fühlen wir uns aber von der Politik benutzt. Anfangs hieß es, dadurch werde die 101. schicker, und die Unischule komme dazu.“ Jetzt werde nur noch die Unischule gewollt. Dabei könnte vieles gemeinsam laufen. Auch ein Austausch von Lehrern sei denkbar. Die 101. Oberschule hat 43 Lehrkräfte. Ein reines Forschungsprojekt, wie es die Unischule ist, funktioniere nach ihrer Auffassung an einer bestehenden Schule nicht.

„Ich kämpfe bis zum Schluss“, kündigt Dressel-Zagatowski an. Aber sie merke an den bisherigen Anmeldungen, dass gerade bei deutschen Eltern die Diskussion um den Fortbestand der Schule für Unsicherheit sorgt. Von den aktuellen Anmeldungen haben zwei Drittel der Schüler einen Migrationshintergrund. Bisher wurden 38 Schüler für die fünfte Klasse angemeldet. Damit könnten zwei Klassen gebildet werden. Die Schule darf maximal drei neue fünfte Klassen haben. Dressel-Zagatowski rechnet aber mit mehr Schülern, da bisher auch immer Schüler an die 101. Oberschule umgelenkt wurden, die sich an anderen Schulen angemeldet haben, dort aber nicht genügend Platz ist. Zudem gebe es insbesondere für die 101. verspätete Anmeldungen. Das liege auch daran, dass einige Eltern kaum Deutsch können und erinnert werden müssen, ihr Kind anzumelden. Zum Vergleich: Die Unischule hat 14 Anmeldungen für die fünfte Klasse. Es ist unklar, ob diese überhaupt starten kann.