Hannover. Kanzlerin Angela Merkel hat Russlands Präsidenten Wladimir Putin aufgefordert, die Arbeit ausländischer Stiftungen und von Nichtregierungsorganisationen nicht weiter zu stören. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz auf der Hannover Messe zeigte sich Merkel besorgt über jüngste Razzien. „Natürlich ist es eine Störung und ein Eingriff, wenn Festplatten einfach kontrolliert werden, obwohl die Arbeit dieser Stiftungen nach unserer Kenntnis sehr ordnungsgemäß ist.“ Eine lebendige Zivilgesellschaft könne nur entstehen, wenn solche Organisationen ohne Angst arbeiten könnten.
Putin betonte, es gehe ihm um eine Kontrolle der Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen aus dem Ausland. Die Geldflüsse seien besorgniserregend, sagte er. „Unsere Bürger sind berechtigt zu wissen, woher das Geld kommt.“ Gesetze wie das russische gebe es auch in anderen Ländern, zum Beispiel in den USA. Die Stiftungen könnten aber weiter arbeiten.
Putin und Merkel hatten am Sonntagabend die Hannover Messe eröffnet, bei der Russland als Partnerland besonders stark vertreten ist. Gestern gedachten sie auf einem Ehrenfriedhof für ermordete Zwangsarbeiter der Opfer der Naziherrschaft und unternahmen anschließend einen gemeinsamen Messerundgang. Dabei kam es zu einer Protestaktion. Mehrere barbusige Frauen, auf deren Brüsten „fuck dictator“ stand, rannten auf Putin zu, wurden aber von Bodyguards gestoppt, bevor sie den Präsidenten erreichten.
Merkel kritisiert Art des Protestes
Im Unterschied zu bisherigen Attacken dürfen die „Sextremistinnen“ diesmal in Putins Heimat aber wohl nicht zitiert werden – wegen eines gestern in Kraft getretenen Gesetzes. Danach können Kraftausdrücke in russischen Medien mit bis zu umgerechnet 5 000 Euro bestraft werden.
Putin reagierte gelassen und sagte, die Aktion habe ihm gefallen. „Ohne eine solche Aktion würde man weniger über eine solche Messe sprechen als mit einer solchen Aktion“, erklärte er. „Ich sehe darin nichts Schreckliches.“ Merkel verwies auf die Demonstrationsfreiheit, kritisierte aber die Protestform. „Ob man in Deutschland zu einer solchen Notmaßnahme greifen muss und nicht anderweitig auch seine Meinung sagen kann, da habe ich meine Zweifel“, sagte sie. „Es gibt auch hier rechtliche Bestimmungen.“
In Russland hatten jüngst Razzien bei zivilen Einrichtungen auch deutsche Organisationen getroffen, darunter die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Hintergrund ist ein neues Gesetz, wonach sich Einrichtungen in Russland, die Geld aus dem Ausland erhalten, als „Agenten“ registrieren lassen müssen. Putin wird seit längerem vorgeworfen, Menschenrechte zu verletzen und die Entwicklung der Demokratie in seinem Land zu blockieren.
Putin wurde gestern auch beim anschließenden Kurzbesuch in Amsterdam mit Protesten empfangen. Vor dem Museum Hermitage, in dem Putin mit der niederländischen Königin Beatrix das Niederlande-Russland-Jahr offiziell eröffnete, protestierten Menschenrechtsorganisation und die Homosexuellen-Bewegung mit Plakaten gegen die Einschränkung von Bürgerrechten in Russland. Amsterdam hisste auf dem Rathaus aus Protest die Regenbogenflagge, das Symbol der Homo-Bewegung. Zur Demonstration am Abend wurden Tausende Menschen erwartet. (dpa)