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„Ich will mich auf die Kriegslogik nicht einlassen“

Angelika Beer, Vorsitzende der Grünen, unterstützt die Regierungslinie gegen einen Irak-Krieg. Die Drohkulisse, die die USA aufgebaut haben, dürfe nicht automatisch zu einem Krieg führen, sagte die Wehrexpertin im SZ-Interview.

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Von Das Gespräch führtenPeter Heimann und Sven Siebert

Gibt es Krieg im Irak?

Darüber zu spekulieren mag interessant sein, ist aber wenig fruchtbar. Wir setzen uns dafür ein – Außenminister Fischer hat dies vor dem UN-Sicherheitsrat deutlich gemacht –, dass die Waffeninspekteure im Irak mehr Zeit für ihre Untersuchungen bekommen. Hinweise auf fehlende Transparenz, fehlende Papiere und der Fund der leeren Munitionshülsen reichen zur Entscheidung für einen Krieg nicht aus. Wir sind der festen Überzeugung, dass ein solcher Krieg falsch wäre. Er hätte fatale Auswirkungen für die ganze Region und würde die internationale Allianz gegen den Terrorismus gefährden.

Demnächst stehen 150 000 amerikanische und britische Soldaten in der Golfregion. Bekommt die Sache nicht dadurch eine eigene Dynamik?

Auch die amerikanischen Streitkräfte reagieren auf Befehl. Solange er nicht kommt, marschieren sie nicht los.

Kann es diesen Befehl ohne neue Resolution geben?

Ein Krieg auf der Basis der bisherigen Resolution 1441 wäre ein Präzedenzfall. Künftig könnte jede halbwegs unklare Resolution als hinreichende Rechtfertigung für einen Präventivkrieg dienen. Das darf nicht sein.

Eine neue Resolution wäre aber aller Voraussicht nach schärfer als die bisherige. Es ist ja schlecht vorstellbar, dass der Sicherheitsrat sagt: Der Irak hat zwar gegen unsere Resolution 1441 verstoßen, aber damit ist die Sache für uns erledigt.

Eine neue Resolution kann auch weitere Kontrollen anordnen und neue Sanktionsmechanismen beschließen. Entscheidend ist, dass wir nicht aus Angst vor einer Abstimmung eine Uminterpretation des Völkerrechts zulassen. Deutschland wird daher so handeln, wie die Bundesregierung erklärt hat: Wir sind gegen diesen Krieg und werden uns entsprechend verhalten.

Das heißt?

Wir kennen heute keinen neuen Resolutionsentwurf. Deswegen können wir auch nichts über das Abstimmungsverhalten sagen. Deutschland wird sich aber nicht an einem Krieg beteiligen.

Was bedeutet „nicht beteiligen“? Es ist doch schwer vorstellbar, dass deutsche Awacs-Besatzungen im Einsatz über der Türkei beispielsweise keine Informationen über eine Gefahr für US-Truppen im Irak weitergeben, falls sie irakische Flugzeuge auf dem Schirm haben.

Ich begebe mich nicht in Planspiele. Die militärische Führung der Bundeswehr ist dafür verantwortlich, dass die politischen Vorgaben eingehalten werden. Ich vertraue darauf, dass dies auch passiert.

Können Fischers Bemühungen um eine Umsetzung der UN-Resolution ohne Krieg nicht nur funktionieren, weil die USA gleichzeitig ihr Drohpotenzial aufgebaut haben?

Konfliktprävention wird von meiner Partei anders definiert. In der Auseinandersetzung mit Saddams verbrecherischem Regime wurden über Jahre Fehler gemacht.

Die Situation ist aber heute so wie sie ist. Kooperiert der Irak nicht, weil die USA ihm drohen?

Es ist schwer zu sagen, ob die jetzige Kooperationsbereitschaft des Irak auf die aufgebaute Drohkulisse alleine zurückzuführen oder eine Folge diplomatischer Bemühungen ist. Fest steht für mich: Eine Drohkulisse darf keinen militärischen Automatismus in Gang setzen.

Die Drohung funktioniert nur, wenn sie auch ernst gemeint ist. Das heißt: Es kann zu einem Krieg kommen, den Deutschland nicht will.

Ich will mich auf diese Logik nicht einlassen. Die Politik der Amerikaner ist sowohl innenpolitisch als auch stark durch das Interesse der Sicherung der Rohstoff-Ressourcen bestimmt. Die neue Militärstrategie der USA erlaubt präventive und präemptive Schläge gegen andere Staaten jenseits einer völkerrechtlichen Legitimation. Beim Aufbau einer militärischen Drohkulisse, wie sie jetzt gegen Irak erfolgt, entsteht die Gefahr eines militärischen Automatismus. Und den kann unsere Regierung in der Tat nicht aufhalten, auch wenn wir das möchten.

Die rot-grüne Bundesregierung könnte im Februar auch durch die Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen unter Druck geraten, weil die Stellung der Union im Bundesrat stärker werden könnte.

Ich glaube daran, dass Rot-Grün auch in Niedersachsen noch eine Chance hat. Ein Sieg der CDU in beiden Ländern würde die politischen Bedingungen für uns tatsächlich schwieriger gestalten. Darin sähe ich aber keine Niederlage für die rot-grüne Bundesregierung, sondern eine Herausforderung, aktiv für unsere Reformpolitik zu werben.

Werden die Grünen dann zwischen CDU und SPD zerrieben?

Die rot-grüne Bundesregierung wird Bestand haben bis zum Ende der Legislaturperiode. Ich bin überzeugt: Eine andere Koalition steht auch für die SPD nicht zur Debatte.

Könnte eine Koalition mit der CDU auf Landesebene – beispielsweise in Niedersachsen – den Grünen nicht mehr Bewegungsfreiheit verschaffen?

Darüber spekulieren wir nicht. Unser Ziel ist klar: Rot-Grün. Ich kann bisher in der Union keinen Partner für Reformpolitik erkennen. Wir gucken aber mit Interesse, wie sich die CDU weiterentwickelt.