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Ihn zu lieben

Roland Kaiser rührt im Kaufpark zu Tränen, lässt Senioren zu Teenies werden – und ärgert manchen Warenhändler.

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© Matthias Rietschel

Von Tobias Hoeflich

Gleich hat es Helga Jahn geschafft. Seit über einer Stunde harrt sie in der Schlange aus, um ihrem Idol zu begegnen. Unterm Arm klemmt eine Amiga-Schallplatte aus den 70er-Jahren. „Manchmal möchte ich schon mit dir ...“: Jahns erste Kaiserplatte. Ob sie denn auch mal mit ihm möchte? Die 70-Jährige feixt. „Na klar, das ist doch mein Schatz Nummer 1!“ Selbst wenn sich das kaiserliche Haar nicht mehr bis zur Schulter wellt, wie auf dem Cover der Schallplatte. Und auch die Haut hat etwas Glätte eingebüßt.

Das hindert Hunderte Fans am Freitagmittag nicht daran, den Kaufpark Nickern aufzusuchen. Zum zweiten Mal nach 2014 gibt sich Schlagerstar Roland Kaiser hier die Ehre. Bevor er abends zum Auftakt der Kaisermania das Elbufer füllt, signiert er in dem Center Autogramme und plauscht mit Anhängern. Die sind überwiegend weiblich und im höheren Alter. Doch auch junge Leute mischen sich in die Schlange. „Viertel zehn waren hier schon die ersten Leute“, sagt eine Verkäuferin des Kleidungsgeschäfts Street One. Direkt vor dessen Tür steht die Bühne, auf die der Kaiser schreiten wird, um zu seinem Volk zu sprechen. Und jetzt, halb elf, sammelt sich die Schar vor dem Laden, sodass kaum ein Kunde mehr hinein findet.

Die Mitarbeiter haben sich an den Trubel gewöhnt, denn regelmäßig gastieren Schlagerstars im Kaufpark. Viel anfangen kann die Verkäuferin aber nicht damit. „Wie hieß die Band, die neulich hier war?“, fragt sie die Kollegin, die nur mit den Schultern zuckt. „Calimeros ... Calamaris ... so was in der Art.“

Punkt 11 hallt ein Kreischen durch das Center. Dutzende Smartphones und Kameras erheben sich über den Köpfen, als Roland Kaiser die Bühne betritt. Mit Sakko, Jeans und Turnschuhen zeigt er sich lässig-elegant und umgarnt seine Anhänger: „Dresden ist eine Herzensangelegenheit für mich.“ Das hört der Landeshauptstädter gern. Nun heißt es warten, denn der Weg zum Autogramm ist lang. „Es ist Zeit zu gehen“, schmachtet der Kaiser im Duett mit Julia Kröhnert aus den Lautsprechern. Doch gegangen wird hier nicht. Die Schlange rührt sich kaum. Was auch daran liegt, dass sich der Kaiser Zeit nimmt. Er signiert nicht nur Fotos, CDs, Shirts, sondern plaudert auch mit den Fans.

Zu denen zählt Jana Grospitz aus Prohlis. Die 34-Jährige hat sich mit ihrer Tochter Stella Luna aus Prohlis auf den Weg zum Kaufpark gemacht. Zitternd tritt sie aus der Menge, der Kopf hochrot. „Ich hab ihn gesehen. Er ist so toll“, schwärmt Grospitz und wedelt sich mit ihren Autogrammkarten Luft ins Gesicht. Als eine der Ersten hat sie sich am Morgen angestellt, um dieses Mal auf Nummer sicherzugehen. Vor zwei Jahren war sie zu spät dran. Nun hält sie drei Autogrammkarten in der Hand: für sich, die Tochter und den Vater. „Die kommen ins Wohnzimmer in die Vitrine.“

„Ich hab so gezittert!“

Nicht nur bei Jana Grospitz überborden die Emotionen. Eine Frau mittleren Alters ist den Tränen nahe, nachdem sie eine Autogrammkarte vom Roli erhascht hat. Eine Seniorin japst daneben, als würde eine Teenagerin vor ihrer Lieblings-Boyband stehen. Hektisch wischt sie über ihr Smartphone, will ihrer Bekannten ein paar Fotos zeigen. Doch scharf sind die Aufnahmen nicht geworden: „Mist!“, schimpft sie. „Ich hab‘s nicht richtig hingekriegt. Ich hab so gezittert!“

Der Ansturm, der den Kaufpark zum Kaiserpalast wandelt, lässt auch Mathias Nathansen jubeln. „Wir sind stolz, dass er hier ist“, sagt der Center-Chef, dessen Kaiser-Coup wie vor zwei Jahren viele Kunden angelockt hat. Das lässt sich Nathansen einiges kosten: Nicht nur die Technik und die Bühne müssen bezahlt werden. Auch sechs Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes sind am Mittag im Einsatz. Weil der Kaufpark dieses Jahr das 20-jährige Bestehen feiert, feilt der Chef derzeit an der Jubiläumssause. Für die Feier im Oktober verspricht er 18 Stars, die im Center auftreten. Wer genau, bleibt noch geheim.

Nach über einer Stunde lichtet sich der Andrang. Kaiser verlässt den Kaufpark und hat noch etwas Zeit bis zum Konzert am Abend. Viermal in zwei Wochen tritt er am Elbufer auf – alles ausverkauft. Auch Helga Jahn macht sich mit signierter Schallplatte auf den Heimweg. Sie ist glücklich, überhaupt hier sein zu können. „Montag fahre ich schließlich in den Urlaub!“, sagt die Seniorin. Nach Tirol wird es gehen. Genauer: ins Kaisergebirge.