Auch die Bronzezeit-Schau in St. Petersburg zeigt: Die Russen reden nicht gern von Beutekunst. Die Historikerin Julia Kantor in der Eremitage warnt vor einer Politisierung der Schau.
Frau Kantor, Russland lehnt eine Rückgabe der Beutekunst ab. Wie sollte sich Deutschland heute aus Ihrer Sicht hier verhalten?
Taktisch und praktisch. Aber leider führen die wissenschaftlich-aufklärerischen Initiativen russischer Museen, verlagerte Kunstschätze zu zeigen, nicht selten in Deutschland zu sonderbaren Reaktionen. Statt etwas Gutem kommt dann: „Jetzt habt ihr es gezeigt, nun gebt es zurück.“ Das führt zwangsläufig in die Sackgasse. Und in der russischen Gesellschaft verhärten sich Positionen des konservativen Teils der musealen und politischen Gesellschaft, die solche Ausstellungen dann ablehnen.
Viele Deutsche sehen diese Kunstschätze als Teil ihres kulturellen Erbes. Gibt es eine Chance, dass diese Schätze in Deutschland gezeigt werden können?
Viele Deutsche, wie Sie sagen, das war doch die Mehrheit, haben sich von ihrem kulturellen Erbe losgesagt. Sie haben ihre Identität verraten, als sie für die NSDAP mit Hitler an der Spitze gestimmt haben. Und die unausweichliche Rechnung für diesen Verrat der eigenen kulturellen Traditionen war die Verlagerung der künstlerischen Werte aus Deutschland. Ich betone, dass die Werte erhalten und nicht barbarisch zerstört worden sind – so wie es den nationalen Kulturgütern Russlands und anderer Ex-Sowjetrepubliken ergangen ist. Die Welt ist offen, die Grenzen sind fast durchlässig – also können Ausstellungen wie ein Heilmittel sein. Die Chance für eine Schau in Deutschland gibt es. Man braucht aber mindestens staatliche Garantien von deutscher Seite dafür, dass die Gegenstände nach Russland zurückkehren.
Wie hat sich die Zusammenarbeit von russischen und deutschen Fachleuten bei der Suche nach Beutekunst entwickelt?
Eine noch intensivere Kooperation wäre wünschenswert. Aber sie trägt auch Früchte, wie die Bronzezeit-Schau zeigt. Ich würde mir aber wünschen, dass sich die Suche nach russischen Kunstschätzen noch deutlich intensiver gestalten würde. Es geht um Gegenstände, die von faschistischen Organisationen etwa unter Leitung von Hitlers Chefideologen Alfred Rosenberg geraubt wurden und bis heute verschwunden sind. Bisher ist davon nur eine mickrige Zahl nach Russland zurückgekehrt.“
Gespräch: Ulf Mauder (dpa)