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Im Dschungel der Laufwerke

Nicht für alle gehören Computer schon zum Handwerkszeug. Im Grundkurs an der Volkshochschule machen sich Einsteiger fit für einen neuen Job.

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© Christian Juppe

Von Henry Berndt

Am Anfang war die Belehrung. Du sollst nicht an der Technik rumspielen, von der du keine Ahnung hast! Du sollst nicht essen! Du sollst nicht trinken! „Das nimmt die Tastatur übel, wenn da Cola-Spritzer drin sind“, sagt Volkmar Döring. Im ersten Moment wirkt der Kursleiter wie ein beinharter Mathelehrer, der keine Schwächen verzeiht – und erst recht keine Cola-Spritzer. Schnell entpuppt er sich aber als sympathischer Typ, von dem man sich gern etwas erklären lässt. „Wir sind hier nicht in der Schule“, stellt er trocken fest. Alles, was hier an der Volkshochschule gelernt wird, wird freiwillig gelernt.

Dieser Kurs heißt: „PC-Grundlagen kompakt – Windows, MS Office und Internet“. Für die meisten gehört das alles längst zum alltäglichen Handwerkszeug. Doch es gibt sie noch, die Menschen, die bisher ohne Computer ausgekommen sind. Hinter den großen schwarzen Monitoren in Zimmer 117 im ersten Stock lugen sechs Köpfe hervor. Arbeitsplätze würde es für 14 Teilnehmer geben. „Die Nachfrage nach Kursen dieser Art ist zuletzt gesunken“, sagt Ivo Gerhard. Er leitet den Fachbereich Beruf und Computer an der Volkshochschule. Es gebe inzwischen eine große Sättigung. Viele hätten heute auch ein Smartphone, das den klassischen PC zu Hause ersetze.

Kursleiter Volkmar Döring sieht das ein wenig anders. „Es ist erstaunlich, dass es beim Thema Computer immer noch so viel Nachholbedarf gibt“, sagt er. Und nicht etwa nur bei den über 70-Jährigen. Auch bei jungen Leuten ab Mitte 20.

Die Teilnehmer im aktuellen Kurs sind zwischen Mitte 30 und Mitte 50. Sie alle wissen, was ein Monitor und eine Tastatur ist und wie man eine Maus bedient. Eine Frau sagt, sie könne im Internet einkaufen, aber nicht viel mehr. Ein junger Mann aus dem Hotelgewerbe meint, er habe die Büroarbeiten bisher immer an seine Lehrlinge abgegeben und müsse nun selbst ran. Ein anderer Mann beklagt, seine Tochter mache inzwischen schon Vorträge mit Powerpoint, und er könne ihr dabei überhaupt nicht helfen.

Fast alle Teilnehmer vereint der Wunsch, sich für eine berufliche Neuorientierung besser mit dem Computer vertraut machen zu wollen. Für Volkmar Döring ist das eine gute Nachricht. Er macht das hier seit zwölf Jahren und hatte auch schon Kurse, in denen der eine ausschließlich an der Serienbrieffunktion bei Word interessiert war und der andere noch nie mit dem Finger auf eine Tastatur getippt hatte.

Veronika Pitzschel-Sonnenberger ist jemand, der es gern genauer wissen will. Sie kann E-Mails schreiben, im Internet surfen und zur Not auch mal eine Excel-Tabelle anlegen. „Aber das große Ganze habe ich bisher nie verstanden“, sagt die 52-Jährige. „Computer kannte ich bis jetzt nur für den Hausgebrauch.“ Ihr Geld verdiente sie bislang damit, Kindern und Lernbehinderten an Schulen Unterricht an der Djembé zu geben, einer afrikanischen Trommel. Statt Browsern war dabei eher Rhythmusgefühl gefragt.

Zuletzt allerdings bekam sie ein Angebot für eine Festanstellung für 30 Stunden im Besucherservice des Barockgartens in Großsedlitz. Obwohl sie dafür keine Ausbildung hat, bekam sie doch die Chance und musste nur versprechen, sich rasch für einen PC-Grundlagenkurs anzumelden. Und so fährt sie nun aus Heidenau eine Woche lang jeden Morgen nach Dresden, um von 9 bis 14 Uhr den Ausführungen von Herrn Döring zu lauschen.

In der Vorstellungsrunde am Anfang des ersten Kurstages fragt sie: „Was ist eine Suchmaschine? Was ist ein Browser? Ich hoffe, hier einen Überblick über all diese Begriffe zu bekommen.“ Volkmar Döring nickt und sagt dann: „Es gibt auch ein Leben ohne PC, aber es wird immer schwerer.“ Auf Kühlschrank und Waschmaschine würden ja heute auch nur noch die wenigsten freiwillig verzichten.

Jetzt aber rein in die Materie. Der Montag droht, etwas trocken zu werden. „Womit fangen wir an?“, fragt Döring. „Mit der Festplatte“, antwortet er selbst. „Die Festplatte ist ein mechanisches Bauteil innerhalb des PCs, auf dem alles gespeichert ist.“ Wenn gewünscht, ließe die sich auch partitionieren. Parti was? Schon kommen die ersten Nachfragen, wie das denn konkret funktioniert. Volkmar Döring zieht die Augenbrauen hoch. „Da gehen wir aber gleich sehr tief rein.“ Aber der Kunde ist König, und so zeigt er mithilfe von Rechner und Beamer den Weg – bis es nicht mehr weitergeht. „Sie verfügen nicht über die erforderliche Berechtigung“, meckert Windows. Den Rest malt der Kursleiter an der Tafel an. Das Partitionieren könne besonders wichtig sein, „wenn das Betriebssystem mal abschmiert, vielleicht haben Sie diesen Begriff schon gehört“.

Weiter geht’s im Computer-ABC: Was ist ein Laufwerk? „Ist das etwas, was die CD zum Laufen bringt, was sie bewegt?“, fragt Veronika. Nein, erfährt sie, eher im weitestens Sinne ein Ort, an dem Daten gespeichert werden. Im Verlauf des Tages gibt Volkmar Döring noch wertvolle Praxistipps: „Abends, wenn Sie müde sind, bitte nicht in die Systemsteuerung gehen.“

Jetzt endlich dürfen die Teilnehmer den Rechner einschalten. Alle schauen gleichzeitig unter den Tisch, doch dort steht gar nichts. Der Anschalter ist rechts an ihrem Monitor.

Veronika notiert alles eifrig, hat aber immer noch einige Fragezeichen über ihrem Kopf. „Wann reicht denn ein Klick, und wann braucht man den Doppelklick?“, fragt sie. Das ist sogar für den Kursleiter nicht so leicht zu beantworten.