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Im Land der lebenden Riesen

Neun Schüler aus Dresden wagen in Kanada die Expedition in den eigenen Urwald. Dafür sind sie früher ganz schön viel gerannt.

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© Stefan Becker

Von Stefan Becker

Dresden/Vancouver. Die Bäume sind so hoch, dass ihre Wipfel wahrhaftig in den Wolken verschwinden. Sie reichen bis zu 120 Meter in den Himmel und manche sogar noch ein Stückchen weiter. Was das für ein Gefühl ist solchen Giganten zu begegnen, können die Daheimgebliebenen täglich im Blog der Expeditionsgruppe nachlesen.

Neun Schüler und neun Betreuer der Dresdner Stiftung Wilderness International haben sich vergangene Woche auf den Weg gemacht an die Westküste von Kanada. Nördlich von Vancouver campieren die Junior-Forscher und ihre Helfer mitten in der Wildnis an den Ufern des Toba-Flusses. Wo sich Grizzly und Lachse gute Nacht sagen, erleben die Jugendlichen eine Art Freiluftunterricht in den Ferien und das ganz freiwillig. Weil sie schon als Kinder beim Wildnislauf der Stiftung für ihre Schule fleißig Runden drehten und dabei Spenden sammelten. Weil sie sich für den Umweltschutz engagieren und dabei auch wissen möchten, was sie da eigentlich in seinem Bestand erhalten und warum.

Eine Antwort darauf gibt Hannes Holtermann. Der Geograf arbeitet seit 10 Jahren für die Stiftung und gehört diesmal mit zu den Betreuern. „Wir schützen den temperierten Regenwald. Dessen Baumriesen speichern über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende enorm viel Kohlendioxid, produzieren im Gegenzug den notwendigen Sauerstoff und kühlen dazu noch die Atmosphäre. Gleichzeitig bilden sie das natürliche Habitat für Millionen von Lebewesen. So existiert bei uns im Tobatal eine der letzten großen Grizzly-Populationen.“

Denen dürfte es ziemlich gleich sein, dass sie sich dabei auf einem Boden bewegen, der mittlerweile in kleinen Teilen der Dresdner Stiftung gehört. Die Grundbucheinträge garantieren mittlerweile den Besitz einer Fläche von 3,6 Quadratkilometern und mit jedem Spendeneuro komme wieder ein Quadratmeter hinzu, so Holstermann. Auf dem eigenen Land muss niemand fürchten, dass irgendwann Holzfäller aus der Luft eingeflogen werden und die von der Wirtschaft begehrten Baumriesen aus Profitgründen umsägen.

So können auch die Schüler von vier Dresdner Gymnasien ihre Experimente durchführen. Wie Titus Prescher, der sich dem Gewusel im Totholz widmet: „Bäume. Diese großen, kräftigen und bewundernswerten Lebewesen haben eine magische Anziehungskraft. Mit all unseren Sinnen versuchen wir, ihr Wesen zu erfassen. In jeder kleinen Ecke steckt Leben, alles hat seinen richtigen Platz, nichts ist überflüssig, nichts wertlos. Wir betrachten einen Ahornbaum, dessen Stamm fast komplett zerfressen wurde, der es aber dennoch geschafft hat, weiterzuwachsen“, schrieb der Neuntklässler am sechsten Tag in den Blog.

Seine Mitforscher interessieren sich zum Beispiel für die Musik des Waldes, die Kommunikation der uralten Giganten untereinander, für Fließgewässer oder Nachtfalter. Unterstützung erhalten die jungen Wissenschaftler dabei von einigen Profis des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig. Dort sitzen ein paar der Gründer der Stiftung, die sich vor zwei Jahren gegen die Unterstellung wehren musste, dass nicht alle Spendengelder im kanadischen Urwald ankommen. Die Stiftung widerlegte den Vorwurf.

Nach den Ferien werden die jugendlichen Umweltbotschafter dann an dieser Stelle unter anderem berichten, was die 1000 Jahre alten Bäume ihnen so erzählten.