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Im Osten wachsen Zweifel an Energiewende

Die Akzeptanz für die Energiewende ist bei den Ostdeutschen nach wie vor hoch. Zweifel an der Umsetzung nehmen jedoch zu. Vor allem die Kostenverteilung wird als ungerecht empfunden.

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© Symbolfoto: dpa

Chemnitz. Ja zur Energiewende, nein zu deren Umsetzung: 69 Prozent der Ostdeutschen sind für einen Wandel der Energieversorgung. Das zeigt eine Studie des Energieversorgers enviaM in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig. Das seien jedoch neun Prozent weniger als 2015, sagte der enviaM-Vorstandsvorsitzende Tim Hartmann der Deutschen Presse-Agentur. Dieser Wert sei damit erstmals seit Beginn der Befragung 2012 unter 70 Prozent gesunken. „Diese schwindende Zustimmung sollte uns zu denken geben“, betonte Hartmann.

Denn gleichzeitig habe mit 35 Prozent (2015: 43 Prozent) auch die Zahl derer abgenommen, die mit der Umsetzung der Energiewende zufrieden seien. Unmut erzeugten vor allem hohe und steigende Kosten sowie deren ungerechte Verteilung innerhalb Deutschlands. „In Summe sind die Netzentgelte in manchen ostdeutschen Regionen um bis zu 40 Prozent höher als in den alten Bundesländern“, erläuterte der Vorstandschef. Daher forderten der Studie zufolge 70 Prozent der Befragten eine gerechtere Verteilung der Kosten. Zudem rechneten 80 Prozent aufgrund der Energiewende mit weiter steigenden Strompreisen.

„Die höheren Netzentgelte in Ostdeutschland sind vor allem auf den Modernisierungsbedarf der Stromnetze zurückzuführen“, erklärte der Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie Hermann Falk auf dpa-Nachfrage. Das Preisgefälle sei aber nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch bundesweit zwischen Stadt und Land groß. Abhilfe könnten aus Sicht des Verbands vereinheitlichte Netzentgelte schaffen.

Laut enviaM-Chef Hartmann gehören neben den neuen Bundesländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu den „von der Energiewende besonders betroffenen Regionen“. Dem Osten Deutschlands komme dabei eine „Vorreiterrolle“ zu. So deckten Wind, Sonne und Co. rein rechnerisch bereits 91 Prozent (2011: 49 Prozent) des Stromverbrauchs im enviaM-Netz ab, das sich über Teile von Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg erstreckt. Damit habe man das Ziel der Bundesregierung für 2050 schon übertroffen.

„Die Sonderlasten auf ostdeutscher Seite spielen trotz dieser Bedeutung aber bislang eine zu geringe Rolle“, kritisierte Hartmann. Er forderte, ostdeutsche Stromverbraucher künftig stärker zu entlasten. So sollten beispielsweise Betreiber von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien finanziell am Netzausbau beteiligt werden - bislang trügen diese keinerlei Folgekosten.

Der Energieversorger will nach Angaben seines Vorstands den Netzausbau weiter vorantreiben. „Die Reserven in unserem Stromnetz sind aufgebraucht“, sagte er. Demnach mussten vergangenes Jahr Ökostromanlagen mehr als 500 Mal zeitweise abgeschaltet werden, um Netzengpässe zu vermeiden. 2011 waren es nur rund 40 solcher Eingriffe.

Für die Studie „Energiewelt Ost 2016“ wurden 1 650 Haushalte, 155 Kommunen und 45 energieintensive Unternehmen befragt. Nach Unternehmensangaben ist sie die einzige repräsentative Umfrage zur Energiewende in Ostdeutschland.

Die enviaM-Gruppe beschäftigt 3 500 Mitarbeiter und versorgt etwa 1,4 Millionen Kunden in Ostdeutschland mit Strom, Gas und Wärme. Anteilseigner der enviaM sind die RWE AG (Essen) mit 58,6 Prozent und rund 650 ostdeutsche Kommunen mit 41,4 Prozent. (dpa)