Im Zeichen des Tango

Bautzen/Schmochtitz. Die Melodie zu „Don’t cry for me argentina“ geht sofort in die Füße. Die Pop-Ikone Madonna sang den Titel Mitte der 1990er-Jahre in dem Musikfilm „Evita“ um die Geschichte der argentinischen Präsidentengattin Eva Perón. Das Ballett vom Sorbischen National-Ensemble probt zu der Musik das große Finale für die „Argentinischen Nächte“ beim 15. Schmochtitzer Musikfest. Ballettmeisterin Mia Facchinelli beobachtet jeden Schritt der Tänzer. Ihr besonderes Augenmerk liegt an diesem Nachmittag aber auf den Gast-Tänzern. Die vier Neulinge sind für den Auftritt aus Evitas Heimat Argentinien gekommen.
Bei der ersten Proberunde stehen die Tänzer um Celia Millán noch neben der Tanzfläche, verfolgen die Choreografie und machen schon einzelne Bewegungen mit. Neben ihnen ist auch das Orquesta Municipal de Tango „Ciudad de la Plata“ aus Argentinien angereist. Die Verbindung nach Bautzen entstand vor mehr als zwei Jahren über die Gastreise des Oberlausitzer Ensembles „Tango Misterio“. Dessen Sängerin Adriana Macchi hatte seinerzeit die Reise ins Land des leidenschaftlichen Tangos eingerührt. Die gebürtige Argentinierin lebt mit ihrer Familie in Görlitz.
Leidenschaft, Melancholie und Schmerz
An der Neiße begegnen sich Celia Millán und ihre Landsmännin vor 15 Jahren, als die Ballerina am städtischen Theater engagiert ist. Die Absolventin der Nationalen Balletthochschule in La Plata, der Hauptstadt der Provinz Buenos Aires, kommt 1997 mit einem Stipendium nach Europa. Ihr erster Stopp ist die Oper im französischen Bordeaux, bevor die heute zweifache Mutter nach 1998 an das Opernhaus nach Chemnitz wechselt. „Ich hatte Lust, mit Choreografen zu arbeiten, die nicht nur das klassische Repertoire bedienen“, sagt sie.
Dann geht sie auf die Tanzfläche. Wieder erklingt „Don’t cry for me argentina“. Ein leichter Wind geht durch den Ballettsaal. Die Anspannung ist zu spüren. Binnen kürzester Zeit müssen die Tänzer die Schrittfolgen und Hebungen lernen. Dabei sind einige ihrer Tanzkompanie erst am Abend davor aus dem Flugzeug gestiegen – genau wie auch die acht Tango-Musiker aus La Plata. Beide Ensembles verbindet in ihrer Heimat eine lange Zusammenarbeit. Gemeinsam entwickelten sie eine eigene zeitgenössische Spielweise des Tangos. Argentiniens Nationaltanz ist Ausdruck von Leidenschaft, Melancholie und Schmerz.
Für Celia Millán ist der Tango der leidenschaftlichste Tanz. „Er tanzt das Leben selbst. In einer Milonga, einem Tanzlokal, kannst Du Dich in der Tangowelt verlieren“, sagt die Tanzkompanie-Chefin. Sie musste den Tango auch erst für sich entdecken, hat ihre Karriere mit klassischem und zeitgenössischem Ballett begonnen. Nach ihrem Abstecher in Chemnitz wechselt sie 2000 an das Anhaltische Theater in Dessau. Dreizehn Jahre lebt sie in Deutschland, bevor die Sehnsucht nach der alten Heimat und den Tango-Rhythmen zu groß wird. „Im Sommer ging es nach Argentinien, wo Winter war. Eigentlich kannte ich nur noch Winter“, sagt sie schmunzelnd.
Ballettmeisterin Mia Facchinelli lässt ihre Tänzer und die Gäste nochmals aufstellen. Die Schritte klappen, jetzt fehlen noch die Hebungen. Neben diesem Finale zeigen die argentinischen Tänzer zwei eigene Choreografien, unter anderem nach Musik von Astor Pantaleón Piazzolla. Der argentinische Bandoneon-Spieler gilt als Begründer des Tango Nuevo, einer Weiterentwicklung des traditionellen Tango Argentino. Begleitet werden sie dabei auch vom Orquesta Municipal de Tango.
Tournee durch die Lausitz
Einen Auftritt hat bei den „Argentinischen Nächten“ in Schmochitz auch das Oberlausitzer Ensemble „Tango Misterio“. Zur Besetzung gehören Anja Konjen am Klavier, Katrin Wehle mit der Violine, Helfried Knopsmeier am Violoncello und den Kontrabass spielt Alexander Göpfert. Ständige Gäste am Bandoneon sind Hans-Richard Ludewig und Claudia Schreiter und den Gesang übernimmt Adriana Macchi. Zu ihrem Konzert beim Gastspiel in La Plata in einem ehemaligen Bahnhof, der heute ein Kulturzentrum ist, kamen im Februar 2017 zu zwei Konzerten gut 1500 Zuschauer. Ihre Tango-Leidenschaft frönen die Musiker bereits seit über zehn Jahren.
Neben dem Musikfest Schmochtitz geht das Lausitzer Ensemble mit seinen Freunden aus Argentinien auf eine kleine Tournee durch ihre Lausitzer Heimat. Auf dem Tourenplan stehen unter anderem Bautzen, Bischofswerda, Nebelschütz und Görlitz – und selbstverständlich ist Celia Millán mit ihren Tänzern bei diesen „Milongas“ auch dabei. Doch jetzt geht der Blick wieder zu Ballettmeisterin Mia Facchinelli. Die Choreografin ist zufrieden mit der ersten gemeinsamen Probe. Sie verabschiedet sich von den Tänzern des Sorbischen National-Ensembles mit den Probenansagen für den nächsten Tag.
Die Tänzer aus Argentinien stärken sich mit einem Schluck Wasser. Dann geht für sie die Arbeit weiter. Aus den Lautsprechern sind die Tangklänge zu hören. Der Tanz entstand im 19. Jahrhundert aus einer Melange vieler Musikformen europäischer Musikstile mit lateinamerikanischer afrikanischer Rhythmik. Die Choreografie wird nur aufgefrischt. Auch in La Plata arbeiten Tanzkompagnie und das Orquesta Municipal de Tango zusammen. „Wenn ich diese Musik höre, kommen mir sofort Schritte in den Kopf. Sie muss ich machen oder weitergeben“, sagt Celia Millán – und lässt ihre Tango-Welt im Ballettsaal des Sorbischen National-Ensembles entstehen.