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Polizei wäre nicht mal gekommen

Landrat Michael Harig warnt nach den jüngsten Zusammenstößen am Kornmarkt vor Übertreibung – und verteidigt Bautzens OB.

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© Uwe Soeder

Von Sebastian Kositz

Bautzen. Die Polizeipräsenz in der Bautzener Innenstadt ist längst Normalzustand – und erweist sich stetig als gerechtfertigt. Immer wieder geraten junge Asylsuchende und Einheimische aneinander, eskalieren Pöbeleien in Handgreiflichkeiten und Gewalt. Jetzt hat sich erstmals Bautzens Landrat Michael Harig (CDU) umfassend zu der Problematik geäußert. Während einer Sitzung des Jugendausschusses warnte er vor Übertreibungen und forderte bei der Suche nach einer Lösung mehr Sachlichkeit. Zugleich verteidigte er das Vorgehen des Bautzener Oberbürgermeisters Alexander Ahrens (parteilos), der sich jüngst zu Gesprächen mit Rechtsextremen getroffen hatte.

Aus Sicht von Michael Harig gibt es Übertreibungen auf allen Ebenen. Der Politiker sieht Bautzen „im Fokus einer sensationsgierigen überregionalen Presse“ und verweist dabei auf die jüngsten Berichte im Online-Portal der Zeitung „Die Zeit“, die Anfang des Monats über eine nächtliche Hetzjagd von 40 bis 50 Nazis auf eine Gruppe junger Asylsuchender berichtet hatte. Später hatte die Polizei den Begriff „Hetzjagd“ zurückgewiesen, zugleich aber bestätigt, dass junge Asylbewerber bedroht und angegriffen wurden. Auch ein Schuss aus einer Schreckschusswaffe war in dieser Nacht gefallen, abgefeuert durch einen Deutschen. In Berlin, so formulierte es Michael Harig dennoch und überspitzt, wäre noch nicht einmal die Polizei gekommen.

Über Versammlungsfreiheit diskutiert

Zugleich griff der Landrat auch die immer neuen Demonstrationen von Rechtsextremen und ihrer Gegner auf. Als Versammlungsbehörde hätten sich die Verantwortlichen im Landratsamt durchaus darüber Gedanken gemacht, ob jede Demonstration genehmigt werden müsse und „ob das Allgemeinwohl weniger wert ist als das Recht auf Versammlungsfreiheit einiger durchgeknallter Weniger“. Auch mit Blick auf Dresden und die Debatte um die Pegida-Aufmärsche sieht Michael Harig die Gesellschaft in einem Dilemma. „Wie man es macht, ist es falsch“, so der Politiker.

Für richtig hingegen hält er das Vorgehen von Bautzens OB Alexander Ahrens, auch mit Rechtsextremen ins Gespräch zu kommen. „Man kann ja nur mit denen reden, die noch reden wollen“, sagt Michael Harig, der darin allen voran auch eine Möglichkeit sieht, „argumentativ aufzuklären“.

Im Allgemeinen brauche es einen besseren Austausch. „Wenn wir immer nur aus einer Richtung kommen, treiben wir die Polarisierung nur weiter voran“, glaubt der Christdemokrat. „Wir müssen wieder dahin kommen, dass Mitmenschlichkeit, Toleranz und Weltoffenheit die Schlagzeilen dominieren“, so Michael Harig.