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In erster Generation ein echter Rothenburger

Andreas Kunze hat den Fruchtgroßhandel Marktfrisch mitgegründet und 25 Jahre geleitet. Jetzt kümmert er sich um Slow Food.

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© André Schulze

Von Carla Mattern

Rothenburg. Auf der Bank unterm Apfelbaum sitzt Andreas Kunze eigentlich so gut wie nie. Am Freitag wollten er und seine Frau Sabine Äpfel ernten. Da kommen einige Stiegen zusammen. Doch der 66-Jährige bewältigte in seinem Berufsleben ganz andere Mengen Obst und Gemüse. Als langjähriger Geschäftsführer und Mitbegründer des Rothenburger Unternehmens Marktfrisch hat Andreas Kunze ein wichtiges Stück Rothenburger Stadtgeschichte nach der politischen Wende mitgeschrieben.

Vor zweieinhalb Jahren ist Andreas Kunze aus dem Berufsleben ausgeschieden, schrittweise. „Das bietet dem Nachfolger genügend Platz, sich zu entwickeln. Es ist mir sehr gut bekommen und mit meiner Frau habe ich mich auch arrangieren können“, erzählt der Rothenburger und lächelt. Zum Kürzertreten hatte ihm der Arzt geraten. Und da der Nachfolger Rüdiger Hackel sozusagen ein Marktfrisch-Eigengewächs war, fiel es Andreas Kunze nicht schwer, Stück für Stück loszulassen. Erzählt er jedenfalls. In den 25 Jahren als Marktfrisch-Geschäftsführer habe er etwa sieben Jahre rausgearbeitet. Nicht ohne Stolz berichtet er, dass der Großhändler für Obst und Gemüse zur Gründung am 1. November 1990 27 Mitarbeiter beschäftigte. „Als ich ausgeschieden bin, waren es zu dem damaligen Zeitpunkt 106.“

Der Diplomagraringenieur stammt aus Bautzen. Beim Studium in Halle lernte er seine Frau Sabine kennen, die in Burg bei Magdeburg aufwuchs. Während eines Forschungsstudiums promovierte Andreas Kunze zum Thema Zuckerrübenproduktion. Als die Zwischenbetriebliche Trockengutproduktion der damaligen LPG Zodel, Kodersdorf und Klitten gegründet wurde, verschlug es die junge Familie mit ihrem Sohn in die Oberlausitz. Auch die Neuentwicklung der Agrar-Industrie-Vereinigung Oberlausitz zur Zusammenarbeit von Landwirtschaftsbetrieben war ein spannendes Thema. 1981 schließlich kamen sie in die Neißestadt. Selbst wenn es in der Neißestadt heißt, man sei erst Rothenburger, wenn drei Generationen der Familie auf dem Friedhof liegen. Hier fühlen sich die Kunzes mittlerweile längst als Rothenburger.

Und so lässt es Andreas Kunze auch nicht kalt, was in der Stadt diskutiert wird. Er mag die Ruhe und Beschaulichkeit, dass man gut Rad fahren kann, schnell in der Natur ist, Pilze sammeln oder auch schwimmen gehen kann. Regelmäßig besucht er die Schwimmhalle. „Alle lebenswichtigen Dinge sind vor Ort. Und mit dem Enoiteca Martini gibt es auch ein gutes Restaurant“, so Andreas Kunze. Das Ärztehaus biete ein relativ komplettes Angebot, nennt er ein wichtiges Thema für die Lebensqualität in der Stadt. Aber die müsste noch behindertengerechter gestaltet werden. Aus eigenem Erleben mit seiner Mutter weiß er, wie schwierig schon eine drei Zentimeter hohe Bordsteinkante mit dem Rollstuhl zu bewältigen ist. Auch zum Thema Schulstandort hat der 66-Jährige eine klare Meinung. Die jetzigen Pläne hält er für keine gute Lösung, weil das Gebiet dafür zu eng und die Kreuzungssituation unübersichtlich ist. Die Stadt müsste mit Anwohnern sprechen, um Gelände dazuzugewinnen. An der Kreuzung bei der Grundschule habe es jetzt schon Unfälle gegeben. Wenn dort auch noch die Eltern und Lehrer mit Autos, Oberschüler mit Rädern oder Bussen unterwegs sind, werde die Situation noch schlechter, findet er.

Außerdem sollte Rothenburg die sogenannten weichen Standortfaktoren nicht unterschätzen. Man sollte sich beispielsweise fragen, warum nicht mehr Lehrkräfte der Rothenburger Polizeihochschule in der Stadt wohnen. Ein Wohnbaugebiet erschließen und vermarkten wäre ein wichtiger Punkt, mit Blick auf die zukünftige Entwicklung auf dem Flugplatz-Areal. Auch bei den Kindertagesstätten sieht er Möglichkeiten, familienfreundlicher zu werden. Längere Öffnungszeiten und Betreuungsangebote an Sonnabenden wären für die jungen Marktfrisch-Mitarbeiter wichtig. Denn gearbeitet wird auch in Spätschicht und an den Wochenenden.

Andreas Kunze selbst geht es ruhiger an, wenngleich auch keine Langeweile aufkomme, wie er versichert. Im Gegenteil, seine Frau fühle sich manchmal bedrängt von den vielen Vorhaben, die er plane, erzählt er und lacht. Aktiv gehört er zur Gruppe Slow Food Lausitz. Deren Mitglieder setzen sich ein für Lebensmittel, die gut, sauber und fair sind. Ein Netzwerk für Erzeuger und Verbraucher schaffen, im besten Fall einen Slow-Food-Supermarkt: Das möchte Andreas Kunze erreichen.