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In Görzig wird wieder gehämmert

Werner Dittrich hat die Schmiede seines Großvaters hergerichtet und will nun auch selbst am Amboss stehen.

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© Anne Hübschmann

Von Manfred Müller

Großenhain. Das waren noch Zeiten, als Dorfschmied Arno Menzel den Pferden der Görziger Bauern neue Hufeisen anpasste. Dann kam die LPG, und mit der Technisierung wurde der Schmied eher zum Schlosser. Als Menzel 1966 starb, konnte man von dem ehrbaren Handwerk nicht mehr leben. Sein Sohn Gotthard hatte es zwar noch gelernt, verdiente aber längst in der Großenhainer „Achse“ seinen Lebensunterhalt. Deshalb wurde die Dorfschmiede von der Familie zum Abstellraum umfunktioniert.

Bis zum Jahr 2013. „Der Dachstuhl war baufällig geworden, und wir mussten wohl oder übel etwas mit dem Gebäude machen“, erklärt Enkel Werner Dittrich. Einmal begonnen, fing der Görziger im wahrsten Sinne des Wortes Feuer. Die Schmiede-Ausstattung war fast komplett vorhanden – vieles davon noch auf dem Stand der 1920er Jahre. Sogar ein alter handbetriebener Blasebalg fand sich auf dem Dachboden. „Ich glaube, den hat mein Großvater nie benutzt“, sagt Werner Dittrich. „Görzig wurde ja schon elektrifiziert, als er die Schmiede übernahm.“

Schritt für Schritt baute der heute 59-Jährige die ehemalige Dorfschmiede zu einem kleinen Museum aus. Allerdings zu einem, in dem alles noch funktioniert. Das Schmiedefeuer, der Schmiedehammer mit Fußbetrieb, die Transmission für Bohrmaschine und Schleifbock, die Biege- und Stauchmaschinen. Werner Dietrich schuf auch ein zünftiges Ambiente – er legte Bruchstein- und Ziegelmauerwerk frei, verfugte es neu und fügte die Deckenbalken an der Wand zu einer Art Fachwerk zusammen. „Ich musste gar nicht so viel Geld reinstecken“, erklärt er. „Beim Bau haben Nachbarn und Freunde Hand angelegt – die brachten auch noch manches mit, was in eine alte Schmiedewerkstatt passt.“ Uralte Schalter zum Beispiel und angejahrtes Handwerkszeug. Gut, den Schleifbock hat der Görziger im Internet ersteigert, aber das war es dann auch schon.

Das Notizbuch des Großvaters

Bei aller Schinderei fand Werner Dittrich auch noch die Zeit, sich mit der Geschichte der Görziger Dorfschmiede zu beschäftigen. Das war so interessant, dass er regelrecht zum Hobbyhistoriker wurde. Er recherchierte im Kirchenbuch, beim Grundbuchamt, sogar im sächsischen Staatsarchiv. „Das Interessanteste aber war ein Notizbuch meines Großvaters“, erzählt er. „Das stammt aus der Inflationszeit, und es steht drin, was er den Bauern 1923 in Rechnung gestellt hat. Bei einem waren es 191 Millionen Reichsmark.“ Festgehalten ist darin auch der Verfall des Geldwertes. Im November stieg das Papier-Äquivalent für eine Goldmark über Nacht von drei auf vier Billionen. Werner Dittrich hat die Geschichte der Görziger Schmiede bis ins Jahr 1740 zurückverfolgt. „Sie ist sicher älter“, sagt er, „aber in dem Jahr wurde dem Huf- und Waffenschmied Gottfried Seydentörfler die Geburt eines Sohnes beurkundet.“ Im 18. Und 19. Jahrhundert war hier die Schmiede-Dynastie Taupitz ansässig, die auch im benachbarten Walda den Hammer schwang. Dittrichs Urgroßvater Johann Oswald Menzel übernahm den Betrieb im Jahr 1896.

Als Elektriker im EZG

Werner Dittrich hat als Kind dem Opa zwar oft das Schmiedefeuer angeheizt, aber nie selbst geschmiedet. Er erlernte vielmehr den Beruf eines Elektrikers und war lange Zeit im Großenhainer EZG tätig. Heute arbeitet er als Produktionsleiter im Großenhainer Geflügelhof. Dennoch reizt es den Görziger, auch mal selbst den Schmiedehammer in die Hand zu nehmen. „Vor 200 Jahren waren die Schmiede noch richtige Künstler“, sagt er bewundernd. „Was die alles aus Eisen gezaubert haben!“

Zum heutigen 60. Geburtstag hat sich Werner Dietrich ein Lehrbuch für das uralte Handwerk gewünscht. Zusammen mit seinem Freund Timmy Held, der auch eine Leidenschaft für historische Handwerkskunst hegt, will der Görziger künftig am Amboss stehen. „Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, das Dach in Ordnung zu bringen, wenn ich Rentner bin“, lächelt Werner Dittrich. „Jetzt bin ich immer noch keiner und habe sogar meine eigene Schmiede.“