Radeberg
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In Neukirch dreht sich’s

Beim Töpferfest am Wochenende gab’s viel zu sehen und auch Kurioses zu erleben.

Von Madeleine Siegl-Mickisch
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Edgar (vorn) und Karl Louis Lehmann zeigten beim Töpferfest in Neukirch, dass auch das Vorderrad eines Wartburgs als Töpferscheibe dienen kann.
Edgar (vorn) und Karl Louis Lehmann zeigten beim Töpferfest in Neukirch, dass auch das Vorderrad eines Wartburgs als Töpferscheibe dienen kann. © Steffen Unger

Er sei ja eigentlich nicht mehr fahrtüchtig, gesteht Karl Louis Lehmann. Beim Töppellauf hat der Neukircher Töpfermeister gerade eine ordentliche Pulle Schnaps leeren müssen. Trotzdem setzt er sich jetzt unter den Augen vieler Zuschauer ans Steuer. Die Polizei muss aber nicht einschreiten.

 Denn der Wartburg, den er gleich starten wird, bewegt sich keinen Zentimeter vorwärts. Der beigefarbene Kombi ist vor der Töpferei Lehmann in Neukirch aufgebockt. Das Vorderrad, das in der Luft hängt, wird Lehmanns Bruder Edgar gleich als Töpferscheibe benutzen. „Hast du schon einen Plan, was es werden soll?“, fragt Karl Louis aus dem Autofenster, als Edgar einen ordentlichen Klumpen Ton auf die Felge pappt. „Da leg’ ich mich noch nicht fest“, gibt er zurück. Jetzt muss Karl Louis, der auch Obermeister der sächsischen Töpferinnung ist, erst mal gefühlvoll Gas geben, damit sich das Rad möglichst gleichmäßig dreht. So einfach ist das gar nicht. Bei 15 km/h läuft es zunächst gut. Doch schon ruft Edgar: „Langsamer! Bist du wahnsinnig!“ Gleich darauf herrscht Stillstand. Also den Motor noch mal neu starten! Wenig später nehmen die Lehmann-Brüder gemeinsam eine Vase vom Rad. 

Die Vorführung beim 30. Neukircher Töpferfest am Wochenende ist eine Reminiszenz an das erste Fest, das kurz vorm Ende der DDR im Juni 1989 stattfand. Schon damals zeigten die Lehmann-Brüder, dass man auch auf diese Weise töpfern kann. „Ich hatte gehört, dass das in Holland jemand gemacht hat. Wir dachten uns, das können wir auch“, erinnert sich Karl Louis Lehmann, dessen Vater damals das Töpferfest aus der Taufe hob. Ein paar Jahre später kamen die Neukircher mit dem Felgendrehen sogar ins Fernsehen – und bis nach China. Bei „Wetten, dass ...?“ und der chinesischen Version der beliebten Fernsehshow zeigten sie ihr Können sogar auf einem fahrenden Auto. „Das haben wir hier in Neukirch nur einmal gemacht“, sagt Karl Louis Lehmann. „Zu gefährlich.“ Auf der Festmeile sei einfach zu wenig Platz.

Auch an diesem Sonntag drängen sich wieder die Menschenmassen entlang der Stände der 80 beteiligten Töpfer. Das stimmt nach dem Sonnabend, der vom Wetter her ein Reinfall war, alle froh. „Aber die, die da waren, waren alle gut gelaunt“, erzählt Töpfermeisterin Cornelia Lehmann aus Burkau. Und auch Karl Louis Lehmann berichtet, dass er schon kurz vor Marktöffnung die ersten Gäste traf, die bisher jedes Fest besucht hatten und sich das auch diesmal nicht vermiesen lassen wollten. Ingeburg Langsch aus Pirna war auch schon öfter da, diesmal hat sie ihre Schwägerin Anneliese Thieme mitgebracht. „Man lebt gefährlich hier“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Überall lockten schöne Dinge, „aber die Schränke zu Hause sind ja schon voll“. Die Kreativität der Töpfer sei bewundernswert. 

Auch Jana Klaus und Julia Müller aus Struppen sind von den vielen unterschiedlichen Stilen der Keramiker ganz angetan. Für zwei andere junge Frauen ist das Neukircher Töpferfest diesmal ein spezielles Erlebnis: Sabrina Weiß aus Wilthen und Annelene Beyer aus Dresden werden nach ihrer Lehre bei der Töpferei Lehmann beziehungsweise der Schmöllner Töpferei Thunig zu Gesellen geschlagen – und vorher, wie es Brauch ist, von Kopf bis Fuß mit Schlicker, Farbe und Glasur „verziert“. Die beiden machen den Spaß gern mit – den haben auch die Zuschauer und die Lehmann-Brüder, die das Prozedere moderieren. Denn zwischen den einzelnen Arbeitsschritten muss immer mal angestoßen werden. Aber die beiden müssen ja nicht mehr Auto fahren, höchstens noch mal die Scheibe – oder das Rad – rotieren lassen.