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Infineon zahlt 124 Millionen für kleine Dresdner Firma

Der Chipkonzern sichert sich eine Technik, die Rohstoffe spart. Doch die Qimonda-Pleite droht erneut teuer zu werden.

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© Thomas Kretschel

Von Georg Moeritz

Dresden. Eine Glibberfolie aus einem geheimen Kunststoff-Material – das ist die Geschäftsidee des Dresdner Unternehmens Siltectra GmbH. Mit solchen Folien wollte der Betrieb mit zuletzt 14 Beschäftigten rasch wachsen und Abnehmer in der Halbleiter-Industrie finden, sagte der damalige Chef Wolfram Drescher der SZ vor anderthalb Jahren. Doch nun hat der mögliche Großkunde Infineon das Dresdner Unternehmen gleich ganz gekauft. Der Münchner Chipkonzern mit 7,6 Milliarden Euro Jahresumsatz zahlt 124 Millionen Euro für Siltectra. „Was ich billig kriege, kaufe ich“, sagte Konzernchef Reinhard Ploss am Montag bei der Infineon-Jahrespressekonferenz. Freilich hätte er Siltectra vor einigen Jahren deutlich billiger haben können, doch die Technologie sei in Dresden inzwischen weiter verbessert worden.

Die Technologie von Siltectra soll Infineon künftig helfen, teure Rohstoffe zu sparen. Bisher geht nämlich viel Material verloren, wenn Siliziumkarbid mit feinen Sägen in einzelne Scheiben zerteilt wird. Bei Siltectra wird nicht gesägt, sondern bei großer Kälte gesplittet. Zum „Cold Split“ gehören Perforation per Laser, eine umhüllende Kunststofffolie und Schockgefrieren.

Mit dieser kalten Spaltung nach dem Dresdner Rezept will Infineon künftig seine teuersten Rohlinge, die aus Siliziumkarbid, billiger bekommen. „Aus einem Wafer mach zwei“, schwärmte Konzernchef Ploss. Die Scheiben als Rohmaterial für Mikrochips sollen gespalten und wiederverwendet werden. „Damit steigern wir unsere Fertigungskompetenz“, sagte Ploss, der darüber hinaus aber nicht in die Produktion von Rohlingen wie Siliziumscheiben einsteigen will. Bis zu fünf Jahre kann es laut gemeinsamer Pressemitteilung beider Firmen noch dauern, bis die Technologie in industriellem Maßstab funktioniert. Sie soll in Dresden weiterentwickelt werden – und im Werk Villach in Österreich. Dort hat der Infineon-Chef gerade den Spatenstich für den nächsten Reinraum im Wert von 200 Millionen Euro gesetzt.

Im Jahr 2021 soll die Fabrik in Villach auf Scheiben mit 300 Millimetern Durchmesser Leistungshalbleiter produzieren können, wie jetzt schon der jüngste Teil der Dresdner Fabrik. Der ist zu etwa 30 Prozent mit Produktionsanlagen gefüllt, soll laut Ploss aber im Jahr 2021 „die Kapazitätsgrenze“ erreichen, wenn das Wachstum wie bisher weitergeht. Infineon hatte bereits angekündigt, seinen Standort Dresden mit jetzt gut 2 100 Beschäftigten in den nächsten Jahren um 300 Mitarbeiter in der Produktion zu vergrößern. Weitere 250 sollen im Dresdner Entwicklungszentrum dazukommen. Was sie entwickeln sollen, sagte Ploss am Montag genauer: Automobil- und Leistungselektronik sowie künstliche Intelligenz. Bei Leistungselektronik geht es um Chips, die hohe elektrische Ströme schalten, die größten in Windkraftanlagen und Zügen. Der Konzernchef lobte Dresden für das „Kompetenz-Umfeld“, also für Forscher, die sich zum Beispiel mit der neuen Funktechnik 5G auskennen.

„Die Werke sind bis auf den letzten Knopf ausgelastet“, sagte Infineon-Chef Ploss. Allerdings war die 300-Millimeter-Produktion in Dresden unter dem Namen Qimonda schon einmal Arbeitsplatz für rund 4 000 Menschen. Vor knapp zehn Jahren ging die Infineon-Tochter Qimonda pleite. Infineon kaufte den Reinraum, also den Kern der Fabrik, und nutzt ihn inzwischen zunehmend. Doch der Streit ums Geld mit dem Insolvenzverwalter Michael Jaffé als Vertreter der Gläubiger ist nicht ausgestanden. Infineon gab am Montag auch bekannt, nun 159 Millionen Euro dafür zurückgestellt zu haben. Anlass sei ein neues Gutachten, mit dem eine Einigung wahrscheinlicher werde. Ausgegeben ist dieses Geld allerdings noch nicht, anders als die 124 Millionen für Siltectra – sie kommen vor allem einer Beteiligungsfirma namens MIG Fonds zugute, die Anteile an 24 Unternehmen hält und nun ihre Beteiligung an Siltectra versilbert.

Der Infineon-Konzernchef nahm die Ausgaben am Montag leicht. Der Umsatz ist im vergangenen Jahr um acht Prozent auf 7,6 Milliarden Euro gestiegen. Davon war gut eine Milliarde Gewinn, sodass die Dividende von 25 auf 27 Cent steigen soll. Der Aktienkurs fiel am Montag dennoch, was die Konzernchefs nach eigenen Angaben überraschte. Sie halten nämlich die Wachstumsphase noch längst nicht für beendet. Der weltweite Halbleitermarkt wächst laut Ploss im nächsten Jahr um vier Prozent, Infineon hat sich elf Prozent vorgenommen. Die Nachfrage nach Halbleitern könne derzeit nicht voll befriedigt werden, aber dank rechtzeitiger Investitionen besser von Infineon als von Konkurrenten. Ploss schwärmt von den Chancen durch Elektroautos, autonomes Fahren und Akkus in immer mehr Elektrogeräten.