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Integration mit dem Fahrrad

Neben dem Radebeuler Asylbewerberheim gibt es jetzt wieder eine Radwerkstatt. Dort geht es um mehr als günstige Fahrräder.

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Radebeul. Shafeega Nayabi hat sich ein orangefarbenes Modell ausgesucht. Stolz schiebt sie das Fahrrad zu ihrem Mann, um es gemeinsam mit ihm zu inspizieren. Es ist alles Wichtige dran: Schutzbleche, Reflektoren, Klingel, Licht und ordentliche Bremsen. Nur der Sattel muss für die kleine Frau noch etwas nach unten gestellt werden. Aber das ist kein Problem.

Shafeega Nayabi stammt aus Afghanistan. Vor drei Jahren kamen sie und ihre Familie als Flüchtlinge nach Deutschland. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren sechs Kindern lebt die 32-Jährige inzwischen in einer Wohnung in Meißen. Ein Auto hat die Großfamilie nicht. Alle Erledigungen musste die Mutter bisher zu Fuß oder mit dem Bus machen. „Deshalb freue ich mich sehr über das Fahrrad. Das ist jetzt mein Auto“, sagt sie lachend. Dass sich die junge Frau nun für ihre Wege auf den Drahtesel schwingen kann, ist dem Projekt „radstatt“ des Bündnisses Buntes Radebeul zu verdanken, das 2015 gemeinsam mit dem Rotary Club und dem ADFC ins Leben gerufen wurde. Zu den Unterstützern gehören auch die Produktionsschule Moritzburg und ITB Dresden, die Betreiberfirma des Asylbewerberwohnheims an der Kötitzer Straße. Dort gibt es jetzt wieder eine Fahrradwerkstatt.

Zweimal in der Woche wird in einer ausgebauten Garage hinter dem Heim gearbeitet. Einheimische und Flüchtlinge stehen gemeinsam an der Werkbank und machen ausrangierte, gespendete Fahrräder wieder sicher für die Straße. „Unser ursprüngliches Anliegen war es, Fahrräder aufzuarbeiten und für einen geringen Preis an Asylbewerber abzugeben“, sagt Katja Leiteritz vom Bunten Bündnis.

Das soll die Mobilität und damit den Alltag der Menschen erleichtern und eine preiswerte Alternative zu Bus und Bahn sein. Gleichzeitig gehe es auch darum, dass Bewohner aus dem Heim in der Werkstatt tätig werden und mit Einheimischen in Kontakt kommen, mit ihnen Deutsch sprechen. „Das ist die Integration, die wir wollen“, sagt Katja Leiteritz.

Eine Fahrradwerkstatt gab es schon einmal neben dem Wohnheim. Nach dem Brand im März 2016 musste sie jedoch schließen. Nach einer Zwischenstation in den alten Werkstätten der Landesbühnen, öffnete die Werkstatt schließlich am Rosa-Luxemburg-Platz hinter der Musikschule wieder. Dort gebe es mittlerweile eine tolle Mischung, sagt die Projektleiterin. Muttis mit kleinen Kindern kämen genauso wie Rentner und eben auch Geflüchtete. „Trotzdem war es immer unser Ziel, auch neben dem Wohnheim wieder eine Werkstatt aufzumachen“, so Leiteritz.

Dank Fördermittel, unter anderem durch das Bundesprogramm „Demokratie Leben“, steht jetzt eine Werkbank in dem kleinen Raum, an der einen Wand ist das Werkzeug angebracht, an der anderen hängen die Fahrradschläuche. Bei der gemeinsamen Arbeit kommen nicht nur Deutsche und Asylbewerber in Kontakt. „Die Flüchtlinge helfen sich auch untereinander“, sagt Morris Hänke von der Produktionsschule Moritzburg. Sonst blieben die verschiedenen Nationen oft unter sich und unterhielten sich in ihrer Landesprache. Beim gemeinsamen Werkeln kämen aber Leute aus unterschiedlichen Ländern zusammen und redeten Deutsch miteinander.

Für zehn Euro werden die fitgemachten Drahtesel abgegeben. Für weitere fünf Euro gibt es ein Schloss dazu. Auch Sozialbedürftige können für diesen Preis ein Fahrrad bekommen.

Für die Afghanin Shafeega Nayabi ist ihr neues Fahrrad vor allem praktisch, um von ihrer Wohnung in Meißen zum Deutschkurs zu kommen, der in Radebeul-Ost stattfindet. „Ich kann jetzt mit dem Fahrrad zum Bahnhof fahren und es im Zug mitnehmen“, sagt sie. Im Gegensatz zu vielen ihrer Landsfrauen musste sie das Radfahren in Deutschland nicht erst lernen. Sie ist auch in Afghanistan mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. „Mein Mann hat es mir selbst überlassen, ob ich Fahrrad fahren möchte“, sagt sie. Das sei keine Selbstverständlichkeit.

Damit noch mehr Leute günstig ein Fahrrad bekommen können, sucht die Selbsthilfewerkstatt personelle Verstärkung. Und natürlich werden Radspenden immer gerne angenommen. Auch Kinderräder werden derzeit dringend gebraucht. Außerdem gesucht: eine zusätzliche Werkbank.

Öffnungszeiten: Mittwoch und Donnerstag jeweils von 16 bis 19 Uhr. Kontakt: [email protected]