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Internet macht Kleinkinder hyperaktiv

Eine Leipziger Studie belegt Gesundheitsprobleme durch digitale Medien. Pädagogen sind dennoch für die frühe Nutzung.

Von Susanne Plecher
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© imago/PhotoAlto

Schon Zwei- bis Sechsjährige sind täglich im Schnitt 30 Minuten online. Das zeigt eine neue Langzeitstudie der Universität Leipzig, die die Auswirkungen digitaler Medien auf die Gesundheit untersucht. Dazu wurden rund 1.000 Leipziger zwischen zwei und 17 Jahren befragt.

„Bei Kleinkindern konnten wir einen signifikanten Anstieg von Hyperaktivität, Aggressivität und Wutanfällen feststellen“, sagt Psychologin Tanja Poulain. Kinder, die nur fernsahen, zeigten diese Auffälligkeit nicht. Poulain erklärt das mit der schnelleren geistigen Stimulation. „Die Kinder müssen sich selbst aktiv einbringen und können nicht nur konsumieren.“ 14-Jährige verbrachten im Schnitt fünf Stunden pro Tag vor einem Bildschirm. „Die Jugendlichen gaben auch an, dass ihr Handy nur 30 Minuten am Tag offline ist“, sagt Professor Wieland Kiess, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Uniklinikum Leipzig.

Die starke Mediennutzung hat nachweislich Folgen. Neben Schlaf-, Gewichts- und Stoffwechselproblemen belegen die Studienergebnisse Schwierigkeiten in der Schule. „Besonders in Mathe haben wir bei vielen eine Verschlechterung festgestellt“, sagt Poulain. Auch über emotionale und soziale Probleme hatten viele Kinder berichtet. Alle befragten 14-Jährigen besitzen ein Smartphone sowie ein bis zwei weitere Geräte wie Tablet, PC oder Spielkonsole. Bei den Achtjährigen nutzt jeder Vierte ein eigenes internetfähiges Handy.

„Die Zeit für digitale Medien fehlt im realen Leben“, sagt Kinderarzt Dr. Uwe Büsching, Leiter der Blikk-Medienstudie. Bewegungsmangel, Konzentrationsstörungen und psychische Auffälligkeiten seien die Folge. Trotzdem fordern Bildungsexperten, digitale Medien schon bei der Erziehung kleiner Kinder einzusetzen. Bereits ab dem zweiten Lebensjahr hätten Kinder digitale Kompetenzen, sagt Wassilios Fthenakis, Präsident des Verbands der Bildungswirtschaft auf der am Sonnabend zu Ende gegangenen Leitmesse Didacta. Der Pädagoge und Psychologe sprach sich für eine institutionelle Förderung aus.

Kinder könnten lernen, ein Zeitgefühl für die Onlinenutzung zu entwickeln, sagt Sabine Völkel, Medienwissenschaftlerin an der TU Chemnitz. Eltern und Erzieher müssten mit der Vermittlung am besten schon im Vorschulalter beginnen. Offenheit und Interesse der Eltern für das Thema fordert auch Mediencoach Iren Schulz von der Initiative „Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht.“ Es seien klare inhaltliche und zeitliche Regeln wichtig. In Leipzig werden am kommenden Sonnabend 150 Ärzte und Wissenschaftler auf einem Symposium über die gesundheitlichen Folgen neuer Medien diskutieren.