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Irakische Familie kämpft um ihre Katzen

In ihrer Unterkunft dürfen die Flüchtlinge ihre Tiere nicht halten. Tierschützer machen auf die harte Haltung des Landratsamtes und die traurigen Besitzer aufmerksam. Nun wächst das Interesse an dem Fall.

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© Dietmar Thomas

Von Verena Toth

Leisnig. Stundenlang sitzt die Familie in dem Katzenzwinger, liebkost die beiden Tiere, die die Nähe ihrer Menschen sichtlich genießen. Doch der achtjährige Ali, seine neun Jahre alte Schwester Zahraa, Mutter Hiba und Vater Alogaili Estabraq müssen Kater Chico und Kätzchen Noshe im Leisniger Tierheim zurücklassen. In ihrer neuen Wohnung in Leisnig, angemietet von der landkreiseigenen Gesellschaft für Strukturentwicklung und Qualifizierung, darf die Flüchtlingsfamilie ihre Katzen nicht mehr halten und musste sie vor vier Wochen zwangsweise im Leisniger Tierheim abgeben.

Beinahe täglich kommen die traurigen Besitzer zu Besuch, um ihren Katzen zumindest stundenweise nahe sein zu können. Die herzzerreißenden Szenen, die sich seither in dem Tierheim abspielen, lassen auch die Tierschützer nicht kalt. „Ich weiß gar nicht, wann ich zum letzten Mal hier im Tierheim weinen musste. Jetzt fließen bei mir und meinen Mitarbeitern andauernd die Tränen. Die Situation ist auch für uns seelisch enorm belastend“, berichtet Tierheimleiterin Rosi Pfumfel. Deshalb hatte sie sich vor zwei Wochen an den Döbelner Anzeiger gewandt. Seit der Veröffentlichung der Geschichte erfahre sie eine enorme Welle der Unterstützung. Mit dem Besuch eines Reporters vom MDR Sachsenspiegel ist das mediale Interesse an diesem Fall noch weiter gestiegen. Das Fernsehteam trifft die Familie im Katzenzwinger.

Mutter Hiba kann ihre Tränen nicht zurückhalten. Sie ist kaum in der Lage zu sprechen. Dafür antwortet ihre kleine Tochter Zahraa tapfer auf die Fragen der neugierigen Reporter. Sie und ihr kleiner Bruder sprechen schon recht gutes Deutsch, sie besuchen die Grundschule.

Die große Fernsehkamera ist auf die Familie gerichtet. Einfühlsam spricht Reporter Mario Unger mit den Kindern. Zahraa erzählt, dass Kater Chico und seine Schwester Noshe seit einem Jahr zu ihrer Familie gehören. „Als wir noch in Freiberg gewohnt haben, hat meine Mutti in einem Kindergarten gearbeitet. Der Chef hatte viele Katzen zu Hause und meine Mutti wollte gern eine haben“, erzählt das Mädchen. So habe der Chef ihnen die beiden Katzen als Babys geschenkt. Und plötzlich fließen auch bei dem Mädchen die Tränen, als sie von dem Moment berichtet, in dem eine Mitarbeiterin des Landratsamtes erklärte, dass sie ihre geliebten Vierbeiner in der Leisniger Wohnung nicht mehr halten dürfen. In der vorherigen Unterkunft in Freiberg war das nie beanstandet worden. „Die Frau hat zu uns gesagt, keine Katzen. Das dürfen wir nicht, weil wir Ausländer sind“, berichtet Zahraa. Der Satz trifft. Es entsteht eine Pause. Der Fernsehcrew, dem Reporter und der Tierheimchefin fehlen für einen Moment die Worte.

Vor drei Jahren sind die Estabraqs aus dem Irak geflohen und nach Deutschland gekommen. Zahraa erzählt weiter, dass ihre Mutter im Irak auch schon Katzen hatte, sogar die gleichen Namen hatte sie den Tieren gegeben. Als sie gefragt wird, warum die Familie geflohen ist, flüstert die Neunjährige erst, dass sie das nicht mehr weiß. Doch dann bricht sie erneut in Tränen aus und sagt nur: „Krieg“. Besonders Mutter Hiba leidet unter der Wegnahme ihrer Haustiere. Die 37-Jährige kann kaum an sich halten. „Die Frau ist sehr depressiv, ihr Zustand verschlechtert sich zusehends“, hat Rosi Pfumfel beobachtet. „Sie wollte sogar schon bei den Katzen im Zwinger übernachten, was wir natürlich nicht zulassen können“, macht sie deutlich. Hinzu komme noch, dass die Familie täglich befürchten muss, abgeschoben zu werden.

Rosi Pfumfel und ihre Helfer sorgen sich auch um die beiden Katzen. „Sie spüren den emotionalen Stress und nehmen ebenfalls Schaden. Sie verweigern ihr Futter, fressen nur noch, wenn die Familie bei ihnen ist“, berichtet sie. Veterinär Manfred Seeliger bestätigt die besorgniserregende Entwicklung. Wie jeder Neuankömmling wurden auch die Katzengeschwister vom dem Tierarzt untersucht. Er bescheinigte ihnen einen sehr guten, gepflegten Zustand. „Doch nun macht den Katzen der seelische Stress zu schaffen. Ich kann die Vorgehensweise der Behörde überhaupt nicht nachvollziehen. Es ist schlimm, was hier den Menschen und den Tieren angetan wird“, findet er deutliche Worte.

Die Unterstützung, die die Familie und Rosi Pfumfel seit dem ersten Pressebericht erfahren, gebe ihr viel Kraft. „Wir bekommen täglich Anrufe, auch Briefe und Spenden haben wir schon erhalten“, berichtet sie. Nun hat sich auch Leisnigs Bürgermeister Tobias Goth (CDU) eingeschaltet. Schriftlich hat er sich an das Landratsamt gewandt: „Die Abgabe der zwei Katzen sorgt für traumaähnliche Zustände in der Familie.“ Und weiter: „Persönlich möchte ich die Familie ebenso unterstützen, weil ich es als Ungleichbehandlung finde, dass es anderen Familien gestattet ist, in Wohnungen Tiere zu halten, aber eben keinen Asylbewerbern.“ Auch Rosi Pfumfel ist fest entschlossen: „Wir werden weiter für die Tiere und die Familie kämpfen.“