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Irans Studenten verlieren Geduld mit ihrem Idol

In der iranischen Hauptstadt Teheran gehen die Studentenproteste weiter. In der Nacht zum Freitag forderten hunderte Studenten politische Veränderungen. Sicherheitskräfte trieben sie mit Schlagstöcken auseinander.

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Von unserer KorrespondentinBirgit Cerha

„Panzer, Artillerie und Kanonen haben keine Macht mehr“, riefen iranische Studenten vor der Teheraner Universität. Tausende Demonstranten hatten sich in den vergangenen Tagen den jungen Leuten angeschlossen, die das Regime der Geistlichen attackierten und ein Referendum über die politische Zukunft des Iran forderten. Immer häufiger ertönen Rufe nach dem Rücktritt von Staatspräsident Mohammed Chatami, ihres langjährigen Idols, dem die iranische Jugend 1997 zur Präsidentschaft verholfen hatte. „Habe den Mut zum Rücktritt“, drängten die Studenten Chatami, dem sie die schleppende Verwirklichung von Reformversprechen vorwerfen.

Mit der Festnahme von mehr als 80 Demonstranten stellten die von den konservativen Gegnern Chatamis dominierten Sicherheitsbehörden klar, dass sie die Ungeduld der Jugend mit Gewalt bremsen wollen. Schon vor Tagen hatten die Konservativen ein eigenes Komitee gegründet, das für den 9. Juli befürchtete Massenkundgebungen in Erinnerung an blutige Studentendemonstrationen vor vier Jahren unterdrücken soll. Demonstrationen gegen das Verbot einer reformorientierten Zeitung waren 1999 von Schlägertrupps, die ultrakonservative Geistliche angeheuert hatten, blutig gestört worden.

Rückblickend erweist sich dieser Zwischenfall als Wendepunkt im Reformprozess. Chatami hatte sich nach mehrtägigem Schweigen gegen die Studenten gewandt und ihre Proteste gegen das Regime verurteilt. Das Band zwischen der Jugend und dem milden Philosophen an der Spitze der Exekutive erhielt damals die ersten Risse. Zwar gelang es Chatami, die Studenten zur Geduld zu überreden. Doch er verstand es nicht, die hinter ihm stehende Kraft des Volkes im Machtkampf gegen die Theokraten einzusetzen. Er wagte nie die offene Konfrontation mit seinen Gegnern.

Dies bringt Irans Jugend gerade jetzt besonders auf – zu einem Zeitpunkt, da das Regime auch von außen unter Druck gerät. Immer mehr Iraner schließen sich nun der Überzeugung alter Skeptiker an, die Chatamis Reformen nur als Versuch des Klerus werten, seine Macht zu erhalten. Und genau das wollen Irans Studenten heute nicht mehr. Die Situation erweist sich für das Regime als äußerst kritisch. Die USA werfen Teheran vor, Terroristen zu beherbergen und Massenvernichtungswaffen zu produzieren. Doch die Geistlichkeit zeigt sich fest entschlossen, die Versuche des „großen Satans“, auch sie von der Macht zu vertreiben, unter allen Umständen zu blockieren.