Merken

Irrfahrt durch die Zittauer Innenstadt

Wie finden sich Fremde im Zittauer Stadtzentrum zurecht? Noch dazu bei Nieselregen und Dunkelheit. Die SZ ist mitgefahren.

Teilen
Folgen
© Mario Heinke

Von Mario Heinke

Spontan entscheiden sich Marie-Luise Hämsch und Christian Griesbeck ins Kino zu gehen. Die beiden Nürnberger sind über die Feiertage zu Besuch in der Oberlausitz und wohnen in einer Lückendorfer Pension. Industriemechaniker Griesbeck ist ein echter Franke und kennt sich im Zittauer Umland nicht aus. Der 22-Jährige googelt „Kino Zittau“. Das Smartphone liefert den Spielplan und die Adresse des Filmpalastes: Markt 9. Es läuft „Star Wars: Das Erwachen der Macht“.

So sieht die Verkehrsführung rund um den Zittauer Markt aus.
So sieht die Verkehrsführung rund um den Zittauer Markt aus. © SZ

Griesbeck tippt die Navigon App – ein kostenfreies Navigationssystem – auf seinem Smartphones an, gibt die Adresse „Zittau, Markt 9“ ein und startet den schwarzen BMW. Vierzehn Minuten später passiert der Wagen das Ortseingangsschild von Zittau. In der Schrammstraße steige ich zu und bitte Marie-Luise Hämsch, die ursprünglich aus Zittau stammt, ihre Ortskenntnisse für sich zu behalten und zu schweigen. Mich interessiert, auf welchem Weg der Ortsunkundige zum Kino findet. Das ist der Test. Leichter Nieselregen und Dunkelheit erschweren am ersten Weihnachtsfeiertag die Orientierung.

Von der Hochwaldstraße kommend führt das Navigationssystem den Fahrer über den Stadtring in die Böhmische Straße. Griesbeck fährt vorsichtig in Richtung Rathaus, biegt rechts in die Albertstraße ein, passiert den Berg und biegt der Routenbeschreibung folgend in die Reichenberger Straße ein. Auf dem Rathausplatz wird er langsamer, biegt links in Richtung Markt ab. An der Johannisapotheke stoppt er die Fahrt. Das Navigationssystem fordert den Franken auf, nach links auf den Markt zu fahren. Das ist nicht möglich, weil zwei Poller den Weg versperren. Griesbeck lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und folgt dem Rechtsabbiegerpfeil in die Johannisstraße.

Die Software berechnet die Route neu. Am Ende der Johannisstraße angekommen, zeigt der Richtungspfeil des Navigationssystems nach rechts auf den Klosterplatz. Griesbeck ahnt, dass die Software ihn wohl wieder auf den Rathausplatz führen wird und biegt stattdessen nach links in Richtung Johannisplatz ab. Langsam rollt er über das Schlaglochfeld an der Johanniskirche. Am Dornspachhaus stoppt er erneut. Das Einbahnstraßenschild in der Inneren Weberstraße steht ihm direkt gegenüber. Griesbeck schaut nach links, sieht den Marktplatz, traut sich aber wegen des Vorschriftzeichens „Einbahnstraße“ nicht dorthin abzubiegen, weil er befürchtet, entgegen der angezeigten Fahrtrichtung zu fahren.

Zweifelnd folgt er dem Schild in die Innere Weberstraße. Während der Fahrt wandert sein Blick immer wieder nach links, in der Hoffnung, irgendwo abbiegen zu können. Die zwei Vorschriftzeichen „Einfahrt verboten“ an der Inneren Oybiner Straße, zerstören seine letzte Hoffnung noch abbiegen zu können, um zurück auf den Markt zu gelangen. Er folgt jetzt wieder seinem elektronischen Wegweiser, biegt in die Poststraße, danach in die Lindenstraße, rollt über den Klosterplatz die Brüderstraße herunter auf den Rathausplatz. Jetzt ist er dort gelandet, wo er vor zehn Minuten schon einmal war. Am Ende der Johannisstraße folgt er einem Mercedes, der vom Klosterplatz kommend in Richtung Johannisplatz fährt. Der Mercedes biegt am Dornspachhaus links in Richtung Markt ab. Griesbeck ist erleichtert, weil er nun weiß, dass es offensichtlich erlaubt ist und tut es ihm gleich.

Die Freude über das Erreichen des Marktes währt nur kurz. Er rollt an parkenden Autos vorbei. Die Stellplätze vor dem Kino sind belegt. Zwangsläufig führt die Fahrt in die Böhmische Straße. Dort sieht der Franke mehrere freie Parkplätze auf der gegenüberliegenden Straßenseite. „Hier kannst du parken“, bricht seine Freundin leicht genervt ihr Schweigen. „Ich werde da vorn wenden“, sagt er. Zum Wenden kommt er allerdings nicht, weil ein Fahrzeug, von links aus der Reitbahnstraße kommend, ihn daran hindert. So biegt er kurz vor dem Stadtring rechts in die Körner-Allee ein und stellt sich auf den ersten freien Anwohnerparkplatz. Nach 15-minütiger Rundreise durch das Stadtzentrum ignorieren die Nürnberger das Anwohnerpark-Schild und gehen ins Kino. „Das Kino sollte im Internet auf Parkplätze hinweisen“, sagt der Bayer. Kinobesuchern, die sich nicht auskennen, bliebe so die zeitraubende Suche erspart.