Von Jens Hoyer
Der Wald ist weg. Über 20 Jahre lang hatte sich die Natur den Wirtschaftshof des ehemaligen Rittergutes in Ebersbach zurückgeholt. Birken und andere Bäume waren hochgeschossen. Ein Biotop, das auch ein Zeichen des Verfalls war. Denn 20 Jahre hat sich niemand ums alte Rittergut gekümmert. Bis vor wenigen Wochen. Da rückte der Bagger an, um eine alte Scheune einzureißen. Dafür mussten auch die Bäume weichen. Es passiert etwas im Rittergut. Aber es ist bisher nicht mehr als ein Anfang.


Das städtische Ordnungsamt hatte die Eigentümerin des Rittergutes zum Handeln gezwungen. Denn mittlerweile beleidigt die Ruine des denkmalgeschützten Gebäude-Ensembles nicht mehr nur das Auge. Teile der Scheune drohten auf den Weg zu stürzen, der von den Nachbarn genutzt wird. „Im Mauerwerk waren Risse. Das Ganze war uns nicht mehr geheuer“, sagte Döbelns Ordnungsamtschef Jürgen Müller, der als Ortsvorsteher von Ebersbach schon länger ein Auge auf den Zustand des Rittergutes hat.
Anfang der 90er Jahre hatte Theo Steinle den Wirtschaftshof samt Herrenhaus übernommen. Seine Pläne, das Rittergut zu Wohnzwecken auszubauen, hat er nie verwirklicht, denn Mitte der 90er Jahre schwand der Bedarf an Wohnungen rapide. Innerhalb der Familie hat das Gut seitdem mehrfach den Besitzer gewechselt. Nach dem Tod des vorigen Eigentümers ist der Besitz jetzt bei dessen zehnjähriger Tochter und wird von deren Mutter Cornelia Zeibig als gesetzlichem Vertreter verwaltet. Und das ist eine Konstellation, die die Erhaltung des Rittergutes nicht einfacher macht.
Teile könnten noch gerettet werden, meint Denkmalpfleger Jörg Liebig. Er hat den Hof in der vergangenen Woche mit Cornelia Zeibig besichtigt. Das Herrenhaus, das 1922 umgebaut wurde, ist durchaus noch in einem passablen Zustand. An ein paar Ecken gibt es unschöne Risse, aber das Dach ist noch einigermaßen dicht. Allerdings war das ungesicherte Gebäude geplündert worden. Liebig fand das markante Geländer des Treppenaufgangs vor Jahren auf einem Trödelmarkt in Leipzig. Er forderte den Händler damals auf, es zurückzugeben. Wie Cornelia Zeibig sagte, sei das aber nicht passiert.
Dramatischer ist die Situation beim alten Torhaus. Um 1800 errichtet, ist es eines der ältesten Bauteile des alten Gutes. Teile der Fassade auf der Rückseite sind schon eingestürzt, das Dach ist löchrig. „Das müssen wir uns noch genauer anschauen“, sagte Liebig. Interessant und erhaltenswert, weil vermutlich auch recht alt, ist für den Denkmalpfleger auch ein kleines einzelstehendes Wohnhaus neben dem Herrenhaus, das auch noch in einem akzeptablen Zustand ist.
Die im April abgerissene Scheune des Gutes sei eines der unbedeutendsten Teile des Ensembles gewesen, sagte Liebig. Er ist realistisch: Auch die anderen Scheunen können wahrscheinlich nicht erhalten werden, bis auf die Umfassungsmauern, die den Hof umschließen. Eine Option, den Bestand zu erhalten, wäre vielleicht, die großen Dachflächen für Photovoltaikanlagen zu nutzen. Die Verwalterin, die einen Landwirtschaftsbetrieb in der Nähe von Oschatz betreibt, wolle künftig auch Arbeitskräfte für Ordnungsmaßnahmen schicken, so Liebig.
Cornelia Zeibig hat sich offensichtlich jetzt erst näher mit dem Besitz beschäftigt. „Ich dachte bisher immer, dass nur das Torhaus und das Herrenhaus unter Denkmalschutz stehen. Aber es betrifft das gesamte Rittergut“, sagte sie. Sie hatte einen Immobilienfachmann nach Ebersbach eingeladen, der das Rittergut besichtigte. Dessen Einschätzung war ernüchternd: Investitionen ließen sich durch Vermietung kaum wieder einspielen. Konkrete Pläne fürs Rittergut gebe es noch nicht, sagte sie.
Umbau zu teuer – das Problem gab es in den 80er Jahren schon einmal. Damals sollte das Herrenhaus zum Kindergarten umgestaltet werden. Die Pläne wurden wegen der hohen Kosten fallengelassen, sagte Jürgen Müller, der damals Bürgermeister in Ebersbach war. Der Ortsvorsteher würde sich um Fördermittel aus dem Programm für Integrierte ländliche Entwicklung für Abrisse bemühen, 50 Prozent der Kosten könnte es als Zuschuss geben. Denkmalpfleger Liebig hält nichts davon. „Da müsste ein Konzept dahinterstehen. Wir können nicht noch befördern, dass die Eigentümer sich nicht um ihren Besitz gekümmert haben.“