Frank Oehl
Kamenz. Der Verein „Metamorphose – Kunst in Kamenz“ ist nicht groß. Etwa ein Dutzend Kultur- und Kunstinteressierte aus Kamenz und Umgebung gehören ihm an. Manche in der Stadt verwechseln ihn schnell mal mit dem City-Management, nur weil beides von Anne Hasselbach geleitet wird. Jetzt allerdings war wirklich der Verein gefragt. Unterstützt von den Kulturstiftungen des Freistaates und der Sparkasse sowie von privaten Geldgebern wie Georg Baselitz, Thomas Neumann und anderen hatte man das Projekt „Stadt-Raum-Kunst“ ins Leben gerufen. Sechs Tage lang waren vier Performancekünstler in der Stadt unterwegs. Und dies nicht etwa irgendwo am Rande, sondern mittendrin. Auf dem Markt. Da, wo es besonders viel Spaß machen oder auch mal richtig wehtun kann.
Katharina Forster aus Werder hat beides erlebt. „Ich habe mit Recyclingmaterial gearbeitet. Das haben die einen ganz toll gefunden und andere lauthals als Verschwendung von Steuergeldern abgetan.“ Wichtig seien ihr und ihren Kollegen Rainer Düvell aus Berlin, Harald Hoppe aus Bonn und Michael Melerski aus Dresden aber genau dieser direkte Kontakt mit den Kamenzern gewesen. Die Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ berührt die Menschen – so oder so. Schon, wer sie sich stellt, setzt sich mit der Umwelt auseinander und damit auf Erkenntnisgewinn.
Einheimische aus der Reserve locken
Der Donnerstagabend möge als Beispiel herhalten. Stadtkünstler Harald Hoppe weiß von Berufswegen, wie man als Fremder die Einheimischen aus der Reserve lockt. „Was ihr hier im Projekt macht, ist doch bloß ein Strohfeuer“, bekam er an seinem Schreibtisch im roten Holzrahmenquader unterm freien Himmel zu hören. Was machte er kurzerhand aus dem Feedback? Eine Live-Performance mit den Leuten. Das Rathaus ließ den Markt bis 22 Uhr dunkel. In der Dämmerung wurden etwa 40 Männer und Frauen zum „Einstehen für Kamenz“, zwischen Uhren-Anders und Rathaus, zehn Minuten lang ruhiggestellt und dabei fotografiert. Und genau in der Mitte, wieder im roten Würfel, wurde eine „Flamme für Kamenz“ entzündet. „Das ist doch bloß ein Schwedenfeuer“– hörte man am Rande enttäuscht. Das stimmte wohl, aber deutlich länger als ein Strohfeuer brannte es allemal.
Harald Hoppe hatte derweil eine noch ganz andere, selbstgestellte Aufgabe übernommen. Die Einrichtung einer „temporären Kunsthalle“. „Normalerweise brauche ich dafür drei Wochen, hier ging es erfreulicherweise viel schneller.“ Das Prinzip ist eingängig und genial zugleich: Kamenzer konnten das Ausstellen lassen, was sie selbst besitzen und für Kunst halten. Der „Kurator auf Zeit“ war überrascht, wie viel Gutes da zusammenkam. Sogar ein echter Baselitz war darunter. „Ich musste freilich unterschreiben, dass ich ihn keinen Moment aus den Augen lasse.“ Über Nacht kam die „Ansicht von Kamenz“ also mit in die Künstlerpension an der Schillerpromenade und am nächsten Tage wieder in die kleine Galerie am Klostertor.
Prominenter Besuch
Hier gab es zur Vernissage der Ausstellung am Freitag sogar prominenten Besuch. Simone Heller vom Metamorphoseverein hatte Kunstministerin Eva-Maria Stange spontan angefragt, ob sie nach der Zeijler-Preisverleihung in der Klosterkirche St. Annen nicht mal auf dem Schulplatz und in der „temporären Kunsthalle“ am Klostertor vorbeischauen wolle. Begleitet von OB Roland Dantz, der auch ganz persönlich das Stadtkunst-Projekt unterstützt hat, staunte sie nicht schlecht, wie engagiert die Kamenzer selbst teilgenommen haben. „Natürlich muss Kunst auch mal verstören, aber gerade das kann belebend sein.“ Und dass Stadt-Räume wie der Schulplatz von der Jugend so gut angenommen werden, erlebe man ja auch in Dresden.
Der Vergleich mit der Landeshauptstadt hat den Organisatoren und Akteuren des Projektes natürlich gut getan. Aber es geht auch eine Nummer kleiner. Die „Stadtszene“ neben der St. Annen Kirche war ein weiterer toller Abschluss der Projektwoche. Kunstlehrerin Ina Meißner hatte Lessingschüler motiviert, mit Sarah Reinke aus Dresden ein Graffiti-Bild zu entwickeln – untermalt von den hippen Bässen der Fewa-DJ und dem Geräusch ratternder Skateboards auf den Rampen des Vereins „Bautzen rollt“. Die jungen Männer aus der Kreisstadt waren begeistert. „In Bautzen hat es so was bisher nicht gegeben.“