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Ist der Zug bald abgefahren?

Das Geld für den Nahverkehr wird knapp. Und schon steht in Riesa eine Bahnverbindung auf der Kippe.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann, Christoph Scharf und Jens Hoyer

Landkreis. Ein kleiner Schritt ist es, den Peter Böttcher auf dem Riesaer Bahnhof macht – hinein in den roten Doppelstockzug Richtung Elsterwerda. Täglich pendelt er von Zeithain über Riesa nach Dresden zur Arbeit – und anschließend zurück. „Ich finde es angenehmer, mit der Bahn zu fahren“, erklärt er.

Doch nun ist unklar, wie oft er den kleinen Schritt noch machen kann: Die Zukunft der Regionalbahn Chemnitz-Riesa-Elsterwerda steht auf der Kippe.

Grund sind die massiven Einschnitte in die Zuschüsse für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV), die Sachsen drohen. Der Freistaat fürchtet, bis 2030 rund eine Milliarde Euro sogenannter Regionalisierungsmittel weniger vom Bund zu erhalten. Deshalb müsse man den ÖPNV „neu denken“, sagt Verkehrsminister Martin Dulig.

„Dies kann auch bedeuten, dass bestehende unrentable Bahnverbindungen zugunsten eines attraktiveren und wirtschaftlicheren Busverkehrs durch die Zweckverbände abbestellt werden.“ – Schaut man auf die Verkehrsprognose des Freistaats für das Jahr 2025, erkennt man das Problem: Während die Strecke Leipzig-Riesa-Dresden in sattem Grün dargestellt ist, weil sie voraussichtlich dann immer noch reichlich bei Passagieren gefragt ist, erhält die von Peter Böttcher genutzte Regionalbahn RB 45 Chemnitz-Riesa-Elsterwerda deutlich schlechtere Farben: ein mageres Gelb für die Abschnitte Döbeln-Ostrau und Zeithain-Gröditz, gar ein gefährliches Rosa zwischen Ostrau und Riesa. Dieser Farbton findet sich sonst erst im Erzgebirge oder im Vogtland wieder.

Aktuell sind auf der Bahnstrecke Chemnitz-Elsterwerda im Gebiet des Verkehrsverbunds Oberelbe (VVO) an Werktagen täglich rund 550 Fahrgäste unterwegs, sagt VVO-Sprecher Christian Schlemper. Der VVO ist für den Abschnitt von Stauchitz bis Gröditz zuständig. Dort sei die Zahl der Fahrgäste in den vergangenen fünf Jahren leicht gesunken.

Zum Vergleich: „Auf dem RE 50 Dresden-Leipzig sitzen an Werktagen 4 500 Fahrgäste in den Zügen zwischen Riesa und Priestewitz“, sagt Christian Schlemper. Das sind mehr als achtmal so viele. Und wie verhält es sich beim Nachbar Döbeln, gleich jenseits der Kreisgrenze, wo der Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS) zuständig ist? „Der VMS gibt grundsätzlich keine allgemeinen Fahrgastzahlen heraus, da diese Unternehmensdaten sind“, sagt Verbundsprecherin Silke Dinger.

Auch zu möglichen Kosten einer Einsparung werde man nichts sagen. Dazu kann allerdings auch der VVO nichts mitteilen, sagt Christian Schlemper. „Da es sich um einen Teil eines gesamten Netzes handelt und bei einer Abbestellung eine Entschädigung der Aufgabenträger und Verbünde an die Bahngesellschaft gezahlt werden muss, wäre jede Zahl Spekulation.“

Der VVO fordert vom Freistaat, dass er die für den Schülerverkehr und das Landesinvestitionsprogramm verwendeten Regionalisierungsmittel künftig wieder aus Landesmitteln finanziert und damit den Eisenbahnverkehr weiterhin ermöglicht.

Tom Suchantke jedenfalls würde das freuen: Der 17-Jährige aus Noschkowitz bei Ostrau fährt jeden Tag mit dem Zug nach Riesa. Der Schüler macht das Abitur am Beruflichen Schulzentrum Riesa. In Döbeln gibt es das berufliche Gymnasium mangels Nachfrage nicht mehr. Wer nach der Oberschule noch das Abi machen will, muss fahren. Tom Suchantke hält den Zug für eine schnelle und billige Alternative zum Auto, das er derzeit ohnehin noch nicht allein fahren dürfte.

In kurzer Zeit ist er von Ostrau aus in Riesa. Bis zum Bahnhof fährt er mit dem Rad. In Riesa nimmt er bis zur Schule den Bus. „Ohne Bahn wäre das komplizierter. Der Bus würde von Ostrau viel länger bis nach Riesa brauchen“, sagte er. Eine ganze Reihe von Schülern aus der Döbelner Region und Stauchitz nutzen die schnelle Verbindung per Bahn.

Fiele die Regionalbahn weg, dann hätte auch Pendler Peter Böttcher auf dem Riesaer Bahnhof ein Problem. „Die Alternative wäre der Bus.“ Da bekomme man aber schon ein Problem, denn „ab 18 Uhr wird’s da mit der Verbindung kritisch“. Vor allem aber sei man mit dem Bus viel länger unterwegs als mit dem Zug. Die Erfahrung müssen seit Dezember auch die Nossener machen, die nach der Einstellung der Bahnstrecke Döbeln-Nossen-Meißen deutlich länger mit dem Bus brauchen.

Bliebe noch das Auto. Sicher eine Alternative – die aber auch eine stressigere Anreise bedeuten würde. Der kleine Schritt in den Zug und das entspannte Zurücklehnen wäre dann Geschichte.