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Ist die Mietpreisbremse für die Katz?

Die Mieten steigen rasant weiter. Für viele ist das Gesetz nach drei Jahren gescheitert.

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© Zeichnung: Mario Lars

Von Alexander Sturm

Sie sollte sprunghafte Mietanstiege in gefragten Städten vermeiden: Am 5. März 2015 beschloss der Bundestag die Mietpreisbremse, im Juni darauf trat sie in Kraft. Nun wollen SPD und Union die Regelung in einer Großen Koalition verschärfen. Zugleich verhandelt das Bundes-verfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit des Gesetzes. Ist es eine Fehlkonstruktion?

Was steht in dem umstrittenen Gesetzeswerk?

Vermieter dürfen demnach die Mieten beim Wechsel der Bewohner um maximal zehn Prozent über die ortsübliche Vergleichsmiete anheben. Diese setzt sich als Durchschnittswert der Mietverträge der vier Vorjahre zusammen. Die Bremse gilt aber nur für Wiedervermietungen, nicht für Neubauten oder stark sanierte Wohnungen.

Wo gilt die Mietpreisbremse?

Sie gilt in 313 von 11 000 Städten und Gemeinden hierzulande, in denen laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rund ein Viertel der Deutschen leben. Darunter sind Metropolen und ihr Umland, mittelgroße Städte wie Braunschweig und Jena, reiche ländliche Gemeinden wie Emmendingen und Sylt. Grundlage sind die Beschlüsse der Bundesländer, die Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt ausweisen.

Wie haben sich die Mieten seither entwickelt?

Der Mietanstieg hat sich eher noch beschleunigt. 2017 kletterten die Mieten im Bundesschnitt mit plus 4,3 Prozent noch stärker als im Vorjahr. Das zeigen Zahlen des Zentralen Immobilien-Ausschusses. Bei bestehenden Wohnungen in einigen Großstädten stiegen die Mieten laut Bundesbank 2017 sogar um über neun Prozent.

Ist die Mietpreisbremse tatsächlich gescheitert?

Das wird oft behauptet, dabei gibt es nur wenige umfassende Studien. Ein Jahr nach Einführung der Mietpreisbremse schrieb das DIW, dass „die Entwicklung der Mieten von der Regulierung nahezu unbeeinflusst blieb“. Die Forscher verglichen Immobilienanzeigen aus benachbarten regulierten und unregulierten Postleitzahlbezirken. Geteilt fällt auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) von 2016 aus. Anhand von 117 000 Berliner Wohnungsanzeigen stellten sie fest, dass die meisten Angebote dort die ortsübliche Vergleichsmiete trotz der Bremse um über zehn Prozent überschritten. Eine tiefere Analyse ergab aber, dass das Gesetz „geringfügig“ bremse. In regulierten Wohnungsmarktsegmenten lägen die Mieten um 2,7 Prozent niedriger als in unregulierten. Das IW fürchtet aber, dass die Mietpreisbremse kleine private Vermieter verunsichert.

Was sagen neuere wissenschaftliche Untersuchungen?

Das DIW erklärte jüngst in einer Studie auf Basis von über 200 000 Inseraten, dass sich der Mietanstieg mit dem Gesetz „insgesamt nicht spürbar verlangsamt hat“. In einigen Gegenden, in denen die Mieten zuvor stark stiegen, wirke die Bremse aber „sehr wohl und dämpfe den Anstieg dauerhaft“. Das Fazit: „Die Mietpreisbremse ist besser als ihr Ruf, die Erwartungen waren aber vielerorts schlicht zu hoch.“

Warum stiegen die Mieten trotz Bremse weiter?

Weil viele Wohnungen fehlen. Gute Wirtschaftslage und die Niedrigzinsen treiben die Immobiliennachfrage und so die Mieten. Bis zu 400 000 neue Wohnungen pro Jahr sind laut Branche und Politik nötig, um den Bedarf zu decken. 2016 entstanden aber nur 278 000. „Die Mietpreisbremse kann allenfalls die Symptome des Mietpreisanstiegs lindern“, sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. „Gegen die Wohnungsnot ist mit ordnungspolitischen Mitteln wenig auszurichten“, so der Chef des kommunalen Spitzenverbandes.

Wie soll es nun im Streit um die Regelung weitergehen?

SPD und Union wollen laut Koalitionsvertrag Vermieter verpflichten, Angaben über die vorherige Miete zu machen. Das sei nur ein erster Schritt, meint der Mieterbund. Nötig sei auch eine breitere Basis für die ortsübliche Vergleichsmiete – statt vier Jahre mindestes zehn. Zudem fordert Bundesdirektor Lukas Siebenkotten Sanktionen für Vermieter, welche die Mietpreisbremse missachten. In begehrten Städten würden es Mieter kaum wagen, wegen unrechtmäßiger Mietsteigerungen einen Konflikt mit ihrem Vermieter einzugehen, meint indes Landsberg. „Wenn 60 oder 80 Bewerber auf eine Wohnung kommen, sind die Leute froh, wenn sie überhaupt den Zuschlag bekommen und wollen ihre Beziehung zum Vermieter nicht riskieren.“

Warum soll das Verfassungsgericht über die Mietpreisbremse urteilen?

Vermieter würden ungleich behandelt, da die ortsübliche Vergleichsmiete in den Städten verschieden ist, heißt es vom Berliner Landgericht. Vermieter können in München mehr verlangen als in Berlin. Nun muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Was könnte die Mieten künftig bremsen?

Es müssten viele Sozialwohnungen entstehen und Bauland schneller ausgewiesen werden, sagt Verbandschef Landsberg. Zudem sei Bauen wegen der vielen Energievorschriften zu teuer und mit 16 verschiedenen Landesbauordnungen gerade für serielles Bauen zu komplex.

Sind weiter steigende Mieten zu erwarten?

Ja, sie könnten aber weniger stark zulegen, glaubt der Zentrale Immobilien-Ausschuss. Es zögen weniger Menschen nach Deutschland, der Neubau nehme zu, und Immobilienkredite dürften nicht billiger werden. „Wir könnten 2018 an den Punkt kommen, an dem Angebot und Nachfrage ungefähr im Gleichschritt wachsen“, sagte Mitautor Harald Simons vom Institut Empirica. Die Prognose ist aber gewagt: Seit Monaten sinkt die Zahl der Baugenehmigungen – keine Entwarnung für Mieter. (dpa)