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Ist Sachsen so braun, wie man denkt?

Eine Arte-Doku zeigt, wie die Sächsische Zeitung mit Rechten umgeht. Manche Begegnung überraschte das Fernsehteam.

Von Franziska Klemenz
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Politik-Ressortleiterin Annette Binninger, Investigativ-Reporter Ulrich Wolf und Rathaus-Reporter Andreas Weller (v.l.) wurden zusammen mit Investigativ-Reporter Tobias Wolf von Arte bei ihrer Arbeit begleitet.
Politik-Ressortleiterin Annette Binninger, Investigativ-Reporter Ulrich Wolf und Rathaus-Reporter Andreas Weller (v.l.) wurden zusammen mit Investigativ-Reporter Tobias Wolf von Arte bei ihrer Arbeit begleitet. © SZ

Beobachtung ist ihr Job. Kein Akteur, sondern Schatten soll der Journalist im Idealfall sein. Authentische Realität will er wiedergeben, die auch ohne seine Anwesenheit genauso geschehen wäre, wie er berichtet. Ein Ideal, das ferner rückt. Lügenpresse-Rufe und Angriffe drängen Journalistinnen und Journalisten in Rollen, die das reine Beobachten erschweren. Besonders in Sachsen, wo Pegida, AfD und andere Rechtsgesinnte das Medienmisstrauen beflügeln.

Das hat die Blicke neuer Beobachter auf Sachsen, auf sächsische Populisten, aber auch Journalisten gerichtet. Auch auf die Sächsische Zeitung. Wer sonst selbst beobachtet, wurde im vergangenen Winter und Frühjahr von einem Fernsehteam beobachtet. 

Für den Sender Arte hat ein Team der Produktionsfirma Eco Media, die der Journalist Stephan Lamby leitet, die SZ und insbesondere drei Reporter begleitet. Nun wurde die Dokumentation „Re: Dem Rechtsruck auf der Spur – Eine Zeitung sucht Antworten“ (Vorschau) im TV ausgestrahlt.

Dreharbeiten im Newsroom
Dreharbeiten im Newsroom © SZ

Als zweitgrößte Tageszeitung in Sachsen und größte in Ostsachsen beobachtet die Sächsische Zeitung regionale politische Entwicklungen ungefiltert, regelmäßig und aus geringstmöglicher Distanz. Frank Zintner, der als freier Autor für die Produktion eingesetzt war, überraschte diese Nähe. „Wir können nach einem Dreh wieder weg vom Drehort, nach Hause fahren“, sagt er. „Die Journalisten, die wir begleitet haben, müssen sich ihren Lesern täglich und vor Ort stellen.“

Zum Berichterstattungsgebiet der Sächsischen Zeitung gehören Orte, die entscheidenden Ereignissen auf dem Weg nach rechts Kulissen boten: In Dresden wurde Pegida gegründet. In Görlitz verlor Ministerpräsident Michael Kretschmer seinen Wahlkreis an die AfD. Ex-Polizist Sebastian Wippel hat dort realistische Chancen, die Stichwahl zu erreichen.

Politik-Ressortleiterin Annette Binninger wird für die Dokumentation interviewt.
Politik-Ressortleiterin Annette Binninger wird für die Dokumentation interviewt. © SZ

An mehreren Drehtagen verfolgte das Fernsehteam Konferenzen des Politik-Ressorts und die Arbeit der Reporter. Beim Beobachten. Beim Suchen. Beim Fragen. In Dresden, Bautzen und Seifhennersdorf bei Görlitz. Autor Zintner reiste mit einer Vorstellung an, der er misstraute: „Wir wollten herausfinden, ob das pauschalisierende Bild von Sachsen der Realität entspricht – oder ob die nicht doch viel differenzierter ist“, sagt er.

Mit Investigativ-Reporter Ulrich Wolf fuhr er nach Bautzen, wo Unternehmer, Politiker, Bürger die Stimmung nach rechts rücken, ihrer Ablehnung des politischen Systems eine neue Öffentlichkeit verleihen. Dem Dresdner Rathaus-Reporter Andreas Weller folgte das Filmteam zu Demonstrationen am und nach dem 13. Februar. Zur Menschenkette, zur NPD. Als Ex-AfD-Hardliner André Poggenburg auftauchte. Als ein Pulk maskierter Polizisten zu Weller stürmte, der mit „Presse, Presse“-Rufen zu beschwichtigen versuchte.

Tobias Wolf schreibt für das Investigativ-Ressort der Sächsischen Zeitung
Tobias Wolf schreibt für das Investigativ-Ressort der Sächsischen Zeitung © Screenshot: Arte

Mit Investigativ-Reporter Tobias Wolf besuchte das Team Olaf Forker, der die AfD verlassen hat. Ihm ging es um seine Heimat Seifhennersdorf - im Gegensatz zu der Partei. Für Zeitung und Fernsehen erzählte er von seinem letzten Abend in der AfD. Anfang 2019, als er zu einem Stammtisch ging. „Sag mal, hast du’s immer noch nicht gerafft?“, fragten die anderen. „Es geht hier nicht um Seifhennersdorf, es geht um die Kanacken.“ Forker fuhr nach Hause. Er schnitt die AfD aus seinem Leben, zerschnitt die Mitgliedskarte der Partei. Der resignierte Dissident – eine wichtige Etappe der Antwort-Suche von Autor Zintner.

Entspricht die Realität in Sachsen dem Klischee? „Sie ist viel differenzierter“, sagt er. „Nicht jeder, der sein Kreuz bei der AfD macht, darf als rechts oder rechtsaußen bezeichnet werden. Sowohl für den Film als auch für mich persönlich war es ein echter Zugewinn, Olaf Forker kennenzulernen.“

Frank Zintner (r.), der als freier Autor für die Produktion eingesetzt war, spricht mit Uwe Vetterick, dem Chefredakteur der SZ.
Frank Zintner (r.), der als freier Autor für die Produktion eingesetzt war, spricht mit Uwe Vetterick, dem Chefredakteur der SZ. © SZ

Von früheren Kooperationen kannten Teile des Produktions-Teams die Sächsische Zeitung und ihre Reporter. Diesmal haben sie besonders intensiv beobachtet. „Es war spannend zu sehen, wie ernst sie ihre Aufgabe nehmen, nicht mit vorgefertigten Meinungen zu arbeiten“, sagt Zintner. „Sondern sich immer wieder zu fragen, ob meine Hypothese wirklich stimmt.“

Warum wir all das machen – beobachten, fragen, zweifeln? „Niemals war guter Journalismus in der Region wichtiger als heute“, sagt Politik-Ressortleiterin Annette Binninger. Gleichwohl: „Noch nie wurde unsere Arbeit so hinterfragt, wurden wir so kritisiert und angegriffen.“

Dokumentation „Re: Dem Rechtsruck auf der Spur – Eine Zeitung sucht Antworten“