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Italienische Momente auf dem Dorf

Der Gasthof in Wölkisch ist verkauft. Er soll ein Kunsthaus werden. Im Moment ist es eine Baustelle. Und wird es wohl noch einige Zeit bleiben.

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© Andreas Weihs

Von Jürgen Müller

Diera-Zehren. Es war wohl wieder eine lange Nacht. Paolo Dolzan sieht müde aus, muss früh um 11 Uhr erst mal duschen, um fit zu sein. Der Maler hat gemeinsam mit der Schriftstellerin Roberta Galbani den Gasthof „Zum Gevatter“ in Wölkisch gekauft. Für 40 000 Euro haben die beiden das 3 800 Quadratmeter große Grundstück mit Nebengebäude auf dem Hof, Garagen, einer Scheune und großem Parkplatz erworben. Nun wollen die beiden Italiener ein Kunsthaus draus machen. Noch ist es eine riesige Baustelle.

Kunst im Bau. Die Italiener haben im Inneren bereits ihre Spuren hinterlassen.
Kunst im Bau. Die Italiener haben im Inneren bereits ihre Spuren hinterlassen. © Andreas Weihs
Vom Dorfgasthof zum Kunsthaus. Einige Räume haben schon jetzt das entsprechende Flair.
Vom Dorfgasthof zum Kunsthaus. Einige Räume haben schon jetzt das entsprechende Flair. © Andreas Weihs

Immerhin, die Gaststube ist weitgehend fertig. Die Wände sind giftgrün gestrichen, die Bauernholzstühle, die Vorgängerin Ingrid Möbius zu DDR-Zeiten mühsam aus dem Erzgebirge besorgt hatte, sind jetzt in tiefes Schwarz getaucht. Auf den nun gelben Tischplatten hat Paolo Dolzan Malereien angebracht. Auch die Wände sind mit Kunstwerken dekoriert. Man muss wohl ein paar Semester Kunstgeschichte studiert haben, um sie deuten zu können.

Von Venedig nach Wölkisch

Der 41-Jährige, der an der Akademie der Bildenden Künste in Venedig studiert und seine Werke beispielsweise in den USA, China und Russland ausstellte, hat viel vor in Wölkisch. Mit Mut und Optimismus führt er durch die Nebengebäude. „Hier sollen einmal Ateliers für Maler, Keramiker und Bildhauer entstehen“, sagt er. Es gehört schon einiges an Fantasie dazu, sich das vorzustellen. Denn derzeit ist alles vermüllt. Ein, zwei, Jahre werde er wohl brauchen, sagt er, und das ist wohl eine sehr optimistische Schätzung. Der Ballsaal soll für Ausstellungen genutzt werden. Auch die Zimmer in der ehemaligen Pension des Haupthauses sollen wieder hergerichtet werden. Gäste und Künstler sollen künftig hier übernachten können. „Sie sollen hier für einige Zeit leben und arbeiten. Wir möchten einen Ort für kreative Menschen schaffen, die sich hier ausprobieren, präsentieren und weiterbilden können“, sagt der Künstler, der auch seine guten Kontakte zur Kunstakademie Venedig nutzen möchte.

Schon im April soll es losgehen. Ab August hat sich ein Fotokünstler aus Nebraska angekündigt. Er will ein dreimonatiges Fotoprojekt durchführen. Etwa zehn Künstler aus Italien würden ihm beim Ausbau des ehemaligen Gasthofes helfen, sagt Paolo, der ganz gut Deutsch spricht. Das hat er sich selbst beigebracht durch Besuche bei deutschen Künstlerkollegen, als er in Hannover oder Freiburg ausstellte. Dennoch will er seine Sprachkenntnisse weiter verbessern. Ab Januar will er einen Deutschkurs an der Volkshochschule belegen.

Name bleibt erhalten

Der Name „Herr Gevatter“ soll übrigens erhalten bleiben mit dem Zusatz „Kunsthaus“. sagt er. Paolo ist sich der historischen Herkunft des Namens bewusst, zeigt stolz einen alten Zeitungsartikel. Am 10. September 1812 kehrte hier der französische Kaiser Napoleon Bonaparte ein. In der Nacht wurde Clara Henriette, das zweite von acht Kindern des damaligen Gaststättenehepaares Petermann, geboren. Diese baten Napoleon, die Patenschaft zu übernehmen. Der soll sich dazu bereiterklärt haben.

Der französische Kaiser ist allerdings nicht im Taufbuch eingetragen, und ob er sich auf den Weg in die Zehrener Kirche gemacht hat, ist eher unwahrscheinlich. Offiziell konnte er nämlich gar kein Pate werden. Denn Napoleon war katholisch, die Petermanns evangelisch. Dennoch nannten sie den Gasthof „Herr Gevatter“. Gevatter ist die altertümliche Bezeichnung für Pate.

Ganz verloren ist der „Gevatter“ als Gaststätte übrigens nicht. Im Gastraum sollen künftig italienische Spezialitäten wie Käse und Schinken angeboten werden. Auch mit diesen Einnahmen soll das Ganze finanziert werden.

Der Gasthof in Wölkisch wurde mindestens seit 1732 betrieben. Der erste namentlich bekannte Gastwirt war Johann Christian Tamme, der das Gasthaus von 1732 bis 1761 betrieb. Das befand sich damals aber nicht in dem heutigen Gebäude. Dieses wollen nun Paolo Golzan und Roberta Galbani wieder herrichten mit Hilfe ihrer italienischen Freunde.

Da haben sich die beiden Künstler viel vorgenommen. Es wird noch etliche lange Nächte geben.