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Jäger schießt auf Landwirt

Der 70-Jährige will in Kreischa auf ein Wildschwein gezielt haben. Getroffen hat er einen Traktor. Nun gibt’s dafür die Quittung.

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© Archiv: SZ

Von Yvonne Popp

Ja, er habe gesehen, dass auf dem Maisfeld gearbeitet wurde, sagt Heiner V. „Doch ich habe keinesfalls in Richtung des Traktors geschossen“, beteuert er. Mensch und Maschine seien von seiner Warte aus nicht zusehen gewesen. Der 70-Jährige ist der Meinung, dass sich die Erntemaschinen nicht in seinem Schussfeld befanden, als ein Wildschwein am Feldrand auftauchte und er abgedrückt hatte. Doch wo genau sich die Landwirte mit ihren Fahrzeugen aufhielten, hatte der Jäger gar nicht sehen können, denn das Feld im Kreischaer Ortsteil Bärenklause, an dem er im September 2017 auf seinem Hochsitz gesessen hatte, befand sich auf einem Hügel. Von ihm aus gesehen, stieg dieser leicht an. Dazu versperrte der hoch stehende Mais die Sicht. Heiner V. hatte angenommen, dass im Falle eines Fehlschusses, das ansteigende Feld als Schussfang für das Projektil seiner 4 500 Euro teuren Jagdwaffe ausreicht.

Doch da hatte er sich gewaltig verschätzt. Der Schuss verfehlte nicht nur das Wildschwein, auch mündete er nicht im Erdboden. Er durchschlug mehrere Bahnen Mais und schließlich auch den Traktor von Landwirt Rico L. „Wir waren nach der Mittagspause gerade wieder auf dem Feld, um den Mais zu häckseln“, erzählt der 43-Jährige am Amtsgericht in Dippoldiswalde. Der Anhänger seines Traktors war gerade erst zur Hälfte von der Erntemaschine befüllt worden, als es plötzlich einen Knall gab und die Scheibe der Traktortür barst. „Mein linker Fuß schmerzte. Dann sah ich das Blut“, schildert der Geschädigte. „Erst mal drehte ich mit dem Traktor ab, weil ich nicht wusste, ob noch einmal geschossen wird“, sagt er weiter. Danach habe er angehalten und sein Bein abgebunden. Dass es sich um eine Schussverletzung handeln muss, sei ihm sofort klar gewesen, denn er hatte Heiner V. am Vormittag schon auf seinem Hochsitz gesehen.

Im Krankenhaus hatte man dem 43-jährigen Landwirt dann einen Teil der Jagdmunition, welche sich beim Auftreffen auf den Traktor aufgespalten hatte, aus dem Bein entfernt. Knochen und Sehnen waren zum Glück unversehrt geblieben. Der andere Teil des Geschosses fand sich im Traktor an.

Untersuchungen hatten ergeben, dass es zweifelsfrei aus dem Jagdgewehr des Angeklagten stammte. Als erfahrener Jäger – er hatte den Jagdschein seit 1967 – hätte der Deutsche um die Gefahren, die eine Erntejagd mit sich bringt, wissen müssen, sagt ein Sachverständiger. Bei dieser Jagdform mache man sich zunutze, dass das Wild von den Erntemaschinen aus dem Feld vertrieben wird, erklärt er dem Gericht. Der Jäger braucht sich also nur am Rand postieren und abwarten. „Normalerweise ist es aber so, dass man die Hochsitze so stellt, dass der Jäger das Feld im Rücken hat, er also den flüchtenden Tieren hinterherschießen kann“, sagt der Experte. Auch gelte die Regel, keinesfalls ins Feld zu zielen, erläutert er. Doch ab und an passiere es, dass die Jäger in ihrem Jagdeifer genau das vergessen. Drei bis vier tödliche Unfälle solcher Art passieren laut dem Sachverständigen jedes Jahr in Deutschland. Deshalb, so fügt er hinzu, gäbe es bereits Überlegungen, die Erntejagd ganz zu verbieten.

Heiner V. wird in Zukunft seinem Hobby nicht mehr frönen. Jagdschein und Waffe sind ihm unmittelbar nach dem Unfall abgenommen worden. Das schmerzt den Rentner sehr. Vor allem, weil die Waffe einen hohen Sachwert darstellt. Als Tatmittel aber bleibt sie eingezogen. Wegen fahrlässiger Körperverletzung muss er nun 2 400 Euro Strafe zahlen. Dazu kommen die Kosten für das Gerichtsverfahren. Die Entschädigung für das Opfer hat Heiner V.s Versicherung übernommen.