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„Jagen ist kein Geldverdienen“

Rehe, Wildschweine, Hirsche – was und wie viel darf erlegt werden? Die SZ sprach mit dem erfahrenen Jäger Bernd Hänel.

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© Frank Baldauf

Herr Hänel, der Herbst hat begonnen und damit die klassische Jagd- und Wildzeit. Müssen sich Wanderer jetzt
in den Wäldern besonders vorsehen?

Wir beginnen mit den großen Drückjagden traditionell am oder kurz nach dem Hubertustag, dem 3. November. Am darauffolgenden Wochenende, dieses Jahr ist es der 5. November, findet im Kreuzwald bei Hermsdorf und Rehefeld die erste große Jagd statt. Daran werden sich etwa 100 Jäger und 80 Treiber beteiligen. Das sind sozusagen große Gesellschaftsereignisse in unserem Kalender und werden vom Forst und den Jagdpächtern gemeinsam organisiert. Die Waldgebiete werden dafür gesperrt. Die Treiber tragen Warnwesten und scheuchen das Wild in seinen Verstecken auf, wir Jäger bringen es zur Strecke. Eine Woche später sind wir dann bei Beerwalde nahe der Windräder im Muffelwildgebiet jagen.

Das klingt fast sportlich, werden Kritiker jetzt sagen. Wie kommen Sie mit dem von der Gesellschaft diskutierten Zwiespalt von Jagd und Tierschutz klar?

Wir jagen nicht, weil wir Spaß am Töten haben oder Trophäen sammeln wollen. Die Jagd ist für uns alle ein Hobby, dient aber dem Gleichgewicht in der Natur. Ohne uns Jäger würden die Tierbestände derart überhandnehmen, dass große Schäden in den Wäldern und auf den Feldern entständen. Das kann man nur verhindern oder zumindest eindämmen, indem man den Wildbestand entsprechend reguliert. Wir Jäger leisten also etwas für das Gemeinwohl. Jagd bedeutet aktiver Naturschutz. Wir schützen Wälder und Felder vor Verbissschäden und halten den Raubtierbestand nur so groß, dass kleine Tiere sowie Bodenbrüter auch Überlebenschancen haben. Außerdem engagieren wir uns bei der Anpflanzung von Hecken und Streuobstwiesen sowie bei der Pflege von Biotopen.

Wie reguliert man den Wildbestand richtig? Werden Zahlen festgelegt, wer wie viel Wild erlegen darf?

Grundlage für die sogenannten Abschusszahlen sind Zählungen des Wildbestands. Erfasst werden durch Beobachtung, Wärmebildkameras oder genetische Untersuchungen Rotwild, Muffelwild und Damwild. Aus den Daten werden die Abschusszahlen festgelegt. Beim Rehwild und dem Schwarzwild erübrigt sich dieser Aufwand – davon gibt es so viel, dass die Jäger nach eigenem Ermessen Tiere erlegen dürfen.

Gilt dann die Regel: Viel erlegt ist viel verdient?

Nein, so einfach ist das nicht. Erstens: Jagen ist nicht zum Geldverdienen da. Es gibt solche kommerziellen Auswüchse, aber unsere Jäger im ehemaligen Weißeritzkreis landen am Ende bei plus/minus null. Von der Jagd verdient sich hier keiner einen neuen Mercedes. Die Einnahmen decken die Kosten, viel mehr nicht. Und zweitens: Es wird nicht auf Masse geschossen, sondern wir gehen sehr verantwortungsvoll mit dem Tierbestand um. Jeder Jäger hat ein grünes Abitur, also eine Ausbildung. Und jeder Jäger hat aufgrund seiner Ausbildung und seiner Erfahrung im Kopf, was sich in seinem Revier tut und was er schießen will und kann, wenn er losgeht. Und dann gibt es drittens auch noch Schonzeiten zu beachten. Zwar läuft die Jagd das ganze Jahr und irgendetwas darf immer erlegt werden. Aber für fast jede Wildart gelten Zeiträume, in denen sie nicht gejagt werden dürfen. Rehböcke beispielsweise stehen von Anfang Februar bis Mitte April unter Schutz, die weiblichen Tiere von Anfang Februar bis Ende August.

Und wie viele Tiere werden im Gebiet des Jagdverbandes im Jahr erlegt?

Es wird nicht alles gezählt, weil es bei Reh- und Schwarzwild keine Abschusspläne gibt. Also kann ich nur schätzen. Rehwild haben wir mehr als 1 000 Stück geschossen, Wildschweine mehr als 2 000. Außer uns jagen auch die Förster, die haben nochmals 661 Rehe und 352 Wildschweine erlegt. Beim Rotwild beispielsweise haben unsere Jäger 254 Stück zur Strecke gebracht. 128 Tiere wurden von Förstern geschossen. Mufflons wurden insgesamt 79-mal erlegt.

Das klingt nach viel und trotzdem klagen die Landwirte über Wildschäden auf ihren Äckern.

Man kann nicht alles verhindern. Das Wild macht es sich auch so leicht wie möglich und ist dabei nicht blöd.

Und wie läuft das in Ortschaften oder Städten? Immer mal wieder hört man Klagen über Wildschweine, die Vorgärten aufwühlen oder Waschbären, die für Chaos sorgen.

Und dazu kommen dann noch Dachse und Füchse. Aber unsere Jagdreviere enden vor der Ortsgrenze. Wir können zwar die Leute beraten und informieren, aber nicht eingreifen. Wir sind ja nicht die Polizei, und Jagen in Wohngebieten verbietet sich aus Sicherheitsgründen. Selbst das Stellen von Fallen ist problematisch. Wer echte Probleme mit Wildtieren auf seinem Grundstück hat, sollte das Ordnungsamt oder die Untere Jagdbehörde informieren. Die können weitere Schritte einleiten und eventuell auch uns Jäger zurate ziehen. Was jeder von sich aus tun kann: Bitte keine Wildtiere anlocken. Es gab einmal in unserer Region den Fall, wo Leute kleine Wildschweine gefüttert hatten. So eine positive Erfahrung prägt die Tiere, die kommen natürlich immer wieder, auch wenn sie ausgewachsen sind. Auch sollte man keine leckeren Abfälle wie Fleisch- oder Obst- und Gemüsereste auf offene Komposthaufen werfen.

Und nun noch eine Frage zum Wolf.

Das habe ich befürchtet.

Wieso? Haben Sie etwas gegen den Wolf?

Nein, ich sehe in ihm keinen Konkurrenten. Aber ich habe Bedenken, wenn die Wolfsrudel immer mehr werden. Daran sind wir Menschen nicht mehr gewöhnt, es kommt zwangsläufig zu Konflikten. Im Osterzgebirge ist der Wolf – soweit wir wissen – nicht sesshaft. Es kommen vereinzelt Tiere durch, das kann man auch mit Bildern aus Fotofallen belegen. Und es gab Schafsrisse und Risse an Mufflons. Das Muffelwild ist vor dem Wolf auch am meisten gefährdet. Die Tiere stehen gerne auf freien Flächen und sind daher von Wölfen leicht einzukreisen und zu jagen.

Es fragte Annett Heyse.