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Jedem das richtige Medikament

Die Dresdner Firmengruppe Molecular Diagnostics setzt auf Genetik und Radiopharma. Biotech-Firmen im historischen Ensemble.

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© Sven Ellger

Von Bettina Klemm

Die meisten Krebsmedikamente sind sehr teuer. Schlimm nur, wenn sie dann in nur einem Viertel der Fälle wirken. Wilhelm Zörgiebel ist davon überzeugt, dass es möglich sein muss, für jeden Kranken das genau richtige Medikament zu finden. Als Basis für die Analysen reichen Blut oder Urin. Diese personalisierte Medizin basiert auf moderner Genetik- und Radiopharma-Diagnostik sowie der Analyse von einer Unmenge Therapiedaten. Durch sie können die Heilungschancen verbessert und zugleich Kosten gespart werden. „Das, was wir heute an diagnostischen Möglichkeiten haben, wird sich in den nächsten fünf Jahren verdreifachen“, sagt er.

Mit seiner Molecular Diagnostics Group (MDG), die aus vier Unternehmen besteht, will Zörgiebel dabei kräftig mitmischen. In diesem Jahr erzielen die 160 Mitarbeiter der Gruppe einen Umsatz 22 Millionen Euro. In drei bis fünf Jahren, rechnet Zörgiebel, werde sich der Umsatz verdoppeln.

Der 64-Jährige ist Wirtschaftsingenieur und hat an der Harvard Business School über Innovationsmanagement promoviert. „Mit der Wende habe ich meinen gut dotierten Job in München gekündigt, mir war das alles zu träge geworden“, erzählt er. Es gab noch die DDR, als er als Unternehmensberater begonnen hatte. Mit drei Freunden habe er wenig später von der Treuhand die Deutschen Werkstätten Hellerau gekauft und sei so in der Möbelbranche gelandet. Dann kam es zu einer Trennung und Zörgiebel begann 1996, ermuntert von seinem Freund Jörg Gabert, sich der Biotechnologie zu widmen. Parallel hat der ideenreiche Geschäftsmann nach dem Umzug der Möbelproduktion zwischen 1998 und 2000 die Gebäude der einstigen Manufaktur der Deutschen Werkstätten Hellerau denkmalgerecht saniert. Heute befinden sich in dem historischen Ensemble drei der vier Zörgiebel-Firmen.

1999 gründete er die Biotype Diagnostic GmbH, die mit der Universitätsklinik Dresden Verfahren für molekulare Gentechnik-Tests entwickelt und Testsysteme produziert. „Wir haben mit der Forensik, dem genetischen Fingerabdruck, begonnen und übertragen diese methodischen Kenntnisse jetzt verstärkt in die Humanmedizin“, erläutert Zörgiebel. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Nach einer Knochenmarkstransplantation beispielsweise lässt sich überprüfen, ob das Spendermaterial angenommen wird. Dermatologen wiederum schätzen die Tests auf DNA-Basis, um schnell zu erfahren, ob sich auf einer Wunde Pilze oder Bakterien angesiedelt haben. Auch Krebs- und Alzheimer-Tests auf genetischer Basis sind bereits möglich.

Seit 2009 liefert die Biotype forensische Testsysteme an den Pharma- und Diagnostikhersteller Qiagen, zuvor musste es diese Sparte nach einem Patentstreit mit einem US-Unternehmen an den weltweit agierenden Konzern verkaufen. „Direkt im Anschluss haben wir dann 2009 die Biotype Diagnostic wiedergegründet und Produkte und Dienstleistungen im medizinischen Diagnostikmarkt angeboten“, erläutert Zörgiebel. Neben eigenen Produkten ist sie Entwicklungs- und Produktionspartner für innovative Diagnostik- und Pharmaunternehmen im Life Science Bereich. Sie beschäftigt heute etwa 50 Mitarbeiter.

2015 gründeten beide Unternehmen die Biotype Inovation GmbH. Mit dem Start-up konzentrieren sie ihr Know-how, um deutlich schnellere und effizientere Nachweise von molekularen Biomarkern für Anwendungen in der Medizin zu schaffen. Die Testverfahren der Biotype Innovation GmbH werden auf der Modaplax-Plattform von Qiagen eingesetzt. Mit den Testkits aus Dresden können bis zu 50 unterschiedliche molekulare Biomarker gleichzeitig nachgewiesen werden.

Die Dritte, und mit 70 Mitarbeitern zugleich größte im Bunde der MDG, ist die 2000 gegründete Firma Rotop Pharmaka GmbH. Sie hat ihren Sitz auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums in Dresden-Rossendorf und produziert, entwickelt und vertreibt nuklearmedizinische Diagnostika für die visuelle Untersuchung an Organen, speziell auch für die Krebsdiagnostik.

Für die Tests sind Unmengen an Daten erforderlich. Mit der Qualitype GmbH hat Zörgiebel 2001 seinen eigenen Spezialisten für das Thema „Big Data“ geschaffen. Das Unternehmen verkauft Konzepte und Software-Anwendungen, die die Sicherheit in der Biotechnologie- und Lebensmittelindustrie erhöhen. „Eines unserer ersten Produkte war die Überwachung des Salmonellenstatus von Schweine- und Hühnerfleisch“, sagt der Unternehmer. Die Laborergebnisse von 30 000 Produzenten, Ärzten und verarbeitenden Betriebe werden bei Qualitype ausgewertet. Mit dem Cloud-Business bieten sich in diesem Bereich große Wachstumschancen. Was Neues zu tun, sei spannend, findet Zörgiebel. Auch wenn nicht alle Produkte zum Durchbruch kamen, haben die Unternehmen auch aus Niederlagen gelernt. So wird es dem Unternehmer wohl nie langweilig werden.