Kamenz
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Jeden Tag eine gute Naht

Ohne Petra Kupke sähe es um die Trachtenlandschaft der Sorben nicht so rosig aus. Seit 24 Jahren stattet sie Ensembles, Chöre und Privatpersonen aus.

Von Ina Förster
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Petra Kupke übergab am Freitag wieder einmal vier neue Trachten an den Kindergarten Räckelwitz. Und sponserte gleichzeitig noch 15 grüne Schleifen für die kleinen Maibaumwerfer des nächsten Jahres. Die freuten sich natürlich riesig.
Petra Kupke übergab am Freitag wieder einmal vier neue Trachten an den Kindergarten Räckelwitz. Und sponserte gleichzeitig noch 15 grüne Schleifen für die kleinen Maibaumwerfer des nächsten Jahres. Die freuten sich natürlich riesig. © Matthias Schumann

Räckelwitz. Petra Kupkes Leben ist bunt, wie der Stoff ihrer Trachten. In ihrer kleinen Schneiderei in Räckelwitz steht die Tür selten still. Gibt es ein Hinein und Hinaus an Kunden, Informationen und Bestellungen. Mal klingelt das Telefon, mal der Bewegungsmelder an der Tür. Hier ein Schwätzchen, dann wieder stundenlange Konzentration. Die 51-Jährige gründete vor 26 Jahren ihre eigene Firma und hat es bislang nicht einen Tag bereut.

Und auch die Kundschaft ist sich einig: Ohne Petra sähe es um die Trachtenlandschaft der Sorben ziemlich traurig aus. Sämtliche Trachtengruppen, Chöre, Tanzensembles und Privatpersonen lassen bei ihr fertigen. Dazu kommen die Kindergärten und Grundschulen der Region. Schließlich gibt es viele Traditionen zu feiern im Jahresverlauf, wo es eine Tracht braucht: Vogelhochzeit, Maibaumwerfen, Erstkommunion, Firmung, Fronleichnam. Die Krönung – eine echte sorbische Hochzeit in Tracht. „Von Januar bis Juni kann ich eigentlich nicht viel anderes tun, als nähen, nähen, nähen“, lacht sie. In den restlichen Monaten tut sie es übrigens auch. Ganz aktuell sitzt sie über neuen Festtrachten für die Sorbische Volkstanzgruppe Schmerlitz.

Wer glaubt, dass so etwas in ein paar Tagen fertiggestellt ist, der irrt. Allein die filigranen Stickereien auf Tüchern und Schleifen brauchen Aufmerksamkeit über viele Stunden. „Das erledige ich dann abends beim Fernsehen. Mein Mann hat dabei den Vorteil, dass er immer das Programm bestimmen darf. Mir ist ja egal, was läuft“, schmunzelt sie. Etwa 40 Stunden benötigt sie allein für die Stickerei-Elemente auf einem Schultertuch. Jeder Handarbeits-Laie verneigt sich in Ehrfurcht davor. „Das ist hundert Prozent Handarbeit, da kann man keine Maschinen bemühen“, weiß die 51-Jährige. Ihre Kundschaft schätzt gerade diese Einstellung. Wer sich heutzutage eine Tracht leistet, möchte etwas Einzigartiges in den Händen halten. „In der Regel gibt es in jedem sorbischen Familienhaushalt zwei Trachten – die Festtracht der Mutter und die Brautjungferntracht der Tochter“, weiß sie. Ihre eigene Mutter, Monika Rölke, ist übrigens mit 90 Jahren noch die einzige „Vollzeit“-Trachtträgerin im Ort. Auch Petra selbst hat freilich mehrere Trachten im Schrank. Die braucht sie aber auch für die unterschiedlichsten Termine, denn sie ist mittlerweile gefragte Interviewpartnerin bei Presse und Fernsehen. Und geht auch gern auf Messen und zu Handwerkskammertreffen. 

Kleine Werkstatt eingerichtet

Die gebürtige Räckelwitzerin lernte ihren Beruf der Kleidungsfacharbeiterin übrigens von der Pike auf in der Kamenzer Herrenmaßschneiderei an der Königsbrücker Straße. „Seit der fünften Klasse hatte ich den Wunsch dazu. Liebte jede Handarbeit, vom Stricken, Häkeln bis Sticken. Meine Mutti hat sich schon immer gewundert, von wem ich das habe“, erzählt sie. 1990 wurde der VEB allerdings abgewickelt wie andere Betriebe auch. „Wir Näherinnen sind dann alle geschlossen auf den Rat des Kreises stempeln gegangen“, erinnert sie sich. „In unseren Kittelschürzen. Das war ja nur über die Straße am Bönischplatz.“ Heute überwiegt die positive Erinnerung daran. Damals kurz nach der Wende war es eine mittlere Katastrophe. Doch irgendwie musste es weitergehen. Da war das halb fertige Eigenheim in Räckelwitz. Da war die Krebs-Diagnose, die ihr Mann gerade bekommen hatte. Und Petra Kupke war schwanger. „Ich musste arbeiten. Und da machte ich eben etwas, das ich wirklich konnte“, erzählt sie. Mit gerade 25 Jahren wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit. Im Haus wurde eine kleine Werkstatt eingerichtet, in der sie heute immer noch werkelt. 1995 übernahm sie zudem die Poststelle des Ortes, weil diese sonst weggefallen wäre. Hier laufen noch heute alle Fäden zusammen.

Petra Kupke übernahm anfangs kleine Nähaufträge, besserte Hosen aus, nähte Reißverschlüsse ein, änderte Sachen. Und 1995 kam der erste Auftrag für eine Tracht. „Ich habe mich langsam herangetastet, ältere Trachtenschneiderinnen um Rat gefragt. Und durfte von ihnen lernen“, sagt sie dankbar. Mittlerweile ist sie die Einzige in der Region, die das Handwerk noch beherrscht. „Neu war bei mir, dass ich das Komplett-Paket angeboten habe – von der Basisnäharbeit bis zu Perlennetzen, von bestickten Accessoires bis zu Hauben und Schleifen.“ Mittlerweile verschickt sie ihre Werke in alle Welt. Kürzlich ließ eine Auswanderin aus Norwegen eine sorbische Tracht fertigen. Auch Amerikaner haben Wünsche. Dazu kommen die Einheimischen. Omas, die aktuell Weihnachtsgeschenke für Enkel und Urenkel bestellen. Püppchen in sorbischer Tracht sind heiß begehrt. Oder Tücher als Grundstock für die spätere Tracht. Dass sie 2012 noch einmal die Meisterschule absolviert hat, bereut sie nicht. „Man hätte es nur eher machen sollen“, sagt sie. „Was man da noch mal alles dazu gelernt hat – unbezahlbar!“

Petra Kupkes Leben ist bunt. Weil ein Farbtupfer noch fehlte, gibt sie seit Jahren Kurse in der Räckelwitzer Grund- und Oberschule. 23 Mädchen und Jungen lernen von der erfahrenen Trachtenschneiderin so einiges. Schließlich muss jetzt schon an Nachwuchs gedacht werden.

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