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Jeder 13. im Landkreis hat zu hohe Schulden

Immer mehr Menschen können ihre Verbindlichkeiten nicht zahlen – oft, ohne daran schuld zu sein.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Andrea Schawe

Dippoldiswalde. Schlechte Haushaltsführung ist meistens nicht der Grund für Schulden. „Das ist ein Vorurteil“, sagt Cornelia Landow. Die Leiterin der Freitaler Schuldnerberatung des Vereins Bürgerhilfe Sachsen hilft seit 16 Jahren Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht mehr bezahlen können. Die meisten, die zu ihr kommen, sind junge Leute zwischen 18 und 27 Jahren. Handyverträge, die erste eigene Wohnung, noch in der Ausbildung ein Kind bekommen, auch Geldbußen – das sind die häufigsten Gründe für Schulden. „Viele haben einfach keine Erfahrung damit, was eine Wohnung oder ein Kind kostet“, sagt Landow.

© SZ-Grafik: Gernot Grunwald

Immer mehr Menschen im Landkreis sind zahlungsunfähig. Im vergangenen Jahr waren insgesamt etwa 16 720 Menschen im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge überschuldet, fast 325 mehr als 2014. Rechnerisch konnte 2015 jeder 13. Erwachsene seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen und hatte zur Deckung des Lebensunterhalts weder Vermögen noch Kredite parat. Kurz: Die Gesamtausgaben waren höher als die Einnahmen. Das geht aus dem neuen Schuldneratlas hervor, den das Unternehmen Creditreform veröffentlicht hat. Basis des Dossiers sind Privatinsolvenzen, Inkassofälle, Offenbarungseide. Der Atlas sortiert nach Postleitzahlen bis hin zu Straßenzügen.

Dabei gibt es Unterschiede zwischen den Kommunen. Die Schuldnerquote liegt landkreisweit bei 7,97 Prozent. Die meisten überschuldeten Menschen leben in Heidenau und Dohna. Dort ist jeder Neunte betroffen. In Freital und Pirna ist es jeder Zehnte, in Pirna hat jeder elfte Einwohner Schulden. Kaum besser ist es in Bad Gottleuba und Sebnitz. Wilsdruff und Königstein bewegen sich im landkreisweiten Durchschnitt.

Eher junge Menschen verschuldet

Die anderen Kommunen im Landkreis hat Creditreform im grünen Bereich eingeordnet. Am wenigsten verschuldet sind die Einwohner von Lohmen, Höckendorf und Liebstadt. Dabei steht der Landkreis insgesamt noch gut da. Creditreform stuft die Gemeinden deutschlandweit in neun Risikoklassen ein. Die schlechtesten zwei Klassen kommen zwischen Dresden und dem Erzgebirgskamm gar nicht vor. Die finden sich in den Großstädten.

Nach Jugendlichen machen besonders oft Leute zwischen 27 und 40 Jahren Schulden, sagt Cornelia Landow. Eine gescheiterte Selbstständigkeit, plötzliche Arbeitslosigkeit oder eine lange Krankheit, Scheidung, Trennung, Tod des Partners sind die häufigsten Gründe. „Viele haben sich in dem Alter ein Leben aufgebaut, etwa ein Haus oder ein Auto gekauft“, sagt Landow. „Mit nur einem Einkommen kann man in der Regel Unterhalt und Kredite nicht bedienen.“ Alleinlebende seien am höchsten verschuldet. Irgendwann folgen Schwierigkeiten, die Wohnung zu bezahlen.

Das ist meist der Punkt, an dem viele Hilfe bei Cornelia Landow suchen. „Wenn die Existenz kippt, etwa weil die Miete dafür verwendet wird, um Schulden zu zahlen oder der Strom abgestellt wird“, sagt die Beraterin. „Manche sind psychisch am Ende.“ Meist schaffen es die Leute nicht, die täglichen Ausgaben mit ihrem Einkommen zu bestreiten, so Landow. Die allermeisten leben von Arbeitslosengeld II, manche arbeiten, verdienen aber so wenig, dass sie ihr Einkommen mit Geld vom Jobcenter aufstocken müssen, und andere leben von der Rente.

Haushaltsplan gegen steigende Schulden

Die Schuldnerberaterin versucht zuerst, das Schlimmste zu verhindern – etwa die Zwangsräumung oder dass der Strom abgestellt wird – und mit den Gläubigern zu verhandeln. Dann erstellt sie zusammen mit den Schuldnern einen Haushaltsplan: Wie hoch sind die Einkünfte? Wie hoch sind die Ausgaben? Wo kann gespart werden? Das Ziel ist erst einmal: keine neuen Schulden machen. „Die Leute zittern sich ja durch den Monat“, sagt Landow.

Damit das funktioniert, hat die Beraterin Tipps: Nicht mehr mit EC- oder Kreditkarte zahlen, weil man schnell den Überblick verliert. Das Geld wöchentlich einteilen, dann gibt man nicht mehr aus, als man hat. Erst wenn die Schuldner mit ihrem Geld zurecht kommen, könne man sich um die Tilgung kümmern. „Es gibt immer Lösungen“, sagt Landow. „Aber das ist nicht in ein, zwei Monaten gemacht. Das ist ein Prozess.“