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„Jeder Sonnenbrand ist ein Hautkrebsrisiko“

Jens-Peter Sieber, Chefarzt für plastische Chirurgie in Pirna, über zu viel Sonne, genügend Schutz und Eigendiagnose.

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© Norbert Millauer

Herr Dr. Sieber, was hat ein plastischer Chirurg eigentlich mit dem Thema Hautkrebs zu tun?

Plastische Chirurgen sind neben Hausärzten und Dermatologen ganz wichtig bei Hautkrebs. Vielmals lässt sich Hautkrebs nur operativ entfernen. Er wird herausgeschnitten, immer mit Sicherheitsabstand, um alles zu erwischen. Der Krebs muss ja mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. Die oft großflächigen Schnitte verschließen wir nachher wieder, sodass man von der Operation dann fast nichts mehr sieht.

Sie halten am Mittwoch eine Vorlesung für jedermann zum Hautkrebs. Warum rücken Sie das Thema so in den öffentlichen Fokus?

Vorlesung über Hautkrebs

Dr. med. Jens-Peter Sieber, Chefarzt der Klinik für Plastische Chirurgie am Klinikum Pirna, hält am 19. September eine Vorlesung für jedermann zum Thema „Hautkrebs – von der Diagnose bis zur Heilung“.

Die Vorlesung beginnt 16.30 Uhr in der Cafeteria (Ebene -1) im Klinikum Pirna, Struppener Straße 13.

Der Eintritt ist frei, die Vorlesung steht allen Interessenten offen.

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Weil Haukrebs-Erkrankungen hierzulande stark zunehmen. Wir könnten bald ähnliche Probleme bekommen wie Australien.

Was haben wir mit Down Under zu schaffen?

Australien hat eine große Hautkrebsrate. Die Ozonschicht, die das schädliche UV-Licht filtert, ist über Australien sehr dünn oder nicht mehr vorhanden. Und auch über Europa wird die Ozonschicht immer dünner, die Sonne damit aggressiver.

Wie wirkt sich das aus?

Die Menschen hier bekommen immer häufiger Hautkrebs. Das liegt zum einen daran, dass die Menschen älter werden und der Krebs Zeit hat, sich zu entwickeln. Leider erwischt es aber zunehmend auch junge Leute. Bei denen ist der Krebs viel aggressiver, weil die Zellen noch frisch sind und sich eher und schneller teilen.

Gehen Sie angesichts dessen noch unbefangen in die Sonne?

Ja, aber nicht mehr ungeschützt. Bislang war die Sonne noch immer recht gnädig, und ich habe nicht immer Sonnencreme gebraucht. Aber dieses Jahr, als wir im Dänemark-Urlaub waren, habe ich das erste Mal so richtig gemerkt, wie heftig die Sonne herunterbrennt. Sonnencreme ist jetzt ein Muss.

Welche Faktoren können Hautkrebs begünstigen?

Die Hauptursache ist zu viel Sonne auf der Haut und vor allem Sonnenbrand. Jeder Sonnenbrand, vor allem bei Kindern, birgt ein großes Risiko, an Hautkrebs zu erkranken. Kinder sollten generell keinen Sonnenbrand bekommen, nichts ist schlimmer für die Haut als die Sonne. Ursächlich sein können aber auch chemische Stoffe, wie der Lichtbogen und die Dämpfe beim Schweißen, ebenso giftige Dämpfe beim Lackieren. Darüber hinaus können in der Landwirtschaft und im Weinbau eingesetzte Pestizide Hautkrebs begünstigen. Daneben gibt es noch familiäre Häufungen und erbliche Faktoren. Außerdem spielen auch noch Begleiterkrankungen wie ein geschwächtes Immunsystem oder bestimmte Medikamente eine Rolle.

Wie lässt sich vorbeugen?

Man sollte, so oft es geht, die Sonne meiden. Ansonsten sollte man nie ungeschützt in die Sonne gehen, vor allem Kinder nicht. Bevor es in den sonnigen Sommerurlaub geht, sollten Kinder zudem eine gewisse Grundbräune haben, auch sie schützt vor Sonnenbrand. Eltern sollten bei der Creme immer auf einen ausreichenden Lichtschutzfaktor achten und nach dem Baden nachcremen. An besonders exponierten Stellen helfen auch zusätzliche Sun-Blocker. Ansonsten gilt: Nicht stundenlang in der Sonne sitzen, und Kopfbedeckungen sind ein Muss, vor allem bei Kindern. Und diejenigen, die mit giftigen Stoffen arbeiten, sollten Schutzkleidung tragen und auf eine vernünftige Hautpflege achten.

Hilft auch diese spezielle UV-Schutzkleidung?

Ja, denn durch normale Kleidung dringt zu viel Sonnenstrahlung. Die Schutzkleidung ist mit einem bestimmten Lichtschutzfaktor ausgerüstet, der ähnlich schützt wie eine entsprechende Sonnencreme.

Welche Hautkrebstypen gibt es?

Zum einen gibt es den schwarzen Hautkrebs, der die sogenannten Melanome bildet. Dieser Krebs, an dem leider viele junge Menschen erkranken, ist schon im frühen Stadium sehr aggressiv. Er streut schnell in andere Bereiche, daran kann man schnell sterben. Wichtig ist daher: Schwarzer Hautkrebs muss zeitig erkannt und rasch chirurgisch behandelt werden.

Entstehen diese Melanome aus schon vorhandenen Leberflecken?

Größtenteils nicht. 80 Prozent der Melanome bilden sich neu und nicht aus bereits bestehenden Leberflecken. Sie können sich zudem an allem möglichen Stellen bilden, beispielsweise unter dem Fingernagel, im Mund oder im Darm.

Gibt es noch anderen Hautkrebs?

Ja, den weißen, der aber noch einmal in verschiedene Unterarten unterteilt wird. Einige davon sind recht harmlos und streuen nicht, die muss man manchmal gar nicht behandeln. Andere hingegen streuen in die Lymphknoten und in die Knochen. Dieser weiße Hautkrebs muss, sobald er erkannt ist, ebenso operativ entfernt werden, wie der schwarze.

Kann man selbst etwas tun, um möglichen Hautkrebs zu erkennen?

Es gibt ein sogenanntes Hautkrebs-Screening beim Hautarzt als Vorsorgeuntersuchung, die in der Regel von den Kassen bezahlt wird. Wer eine Veranlagung zu Hautkrebs hat, sollte diese Untersuchung machen lassen. Zudem sollte jeder selbst seine Haut beobachten oder auch Freunde und Verwandte bitten, dies an schlecht einsehbaren Stellen zu tun, um Hautveränderungen zeitig zu bemerken.

Gibt es dafür eine Art Checkliste?

Es gibt die sogenannte A-B-C-D-E-Regel. A wie Asymmetrie: Ist der Fleck eventuell asymmetrisch; B wie Begrenzung: Ist der Fleck scharf begrenzt oder fließt er unregelmäßig ins Gewebe ein; C wie Colour: Ist der Fleck einfarbig, mehrfarbig oder gescheckt; D wie Durchmesser: Haben Flecken einen außergewöhnlich großen Durchmesser; E wie Erhabenheit: Schauen, ob der Fleck aus der Haut herauswächst. Wer diesbezüglich Veränderungen an sich feststellt, sollte unverzüglich zum Arzt.

Und wohin geht es zuerst?

In der Regel führt der erste Weg zum Hausarzt, der den Patienten zum Hautarzt überweist. Der Dermatologe schaut sich alles an, er kann auch Proben entnehmen und vom Pathologen untersuchen lassen. Bei kleinen Befunden schneidet der Hautarzt den Krebs oft selbst heraus. Ist es aber kompliziert, dann kommen die Patienten zu uns in die Klinik, im Idealfall schon mit einer Vordiagnose ausgerüstet.

Muss denn in jedem Fall operiert werden?

Es gibt auch konservative Therapien, man kann abschaben, vereisen, eine Salbe oder Tabletten nehmen. Oft kommt man aber um einer Operation nicht herum.

Wie läuft ein solcher Eingriff ab?

Es handelt sich in der Regel um eine zweizeitige Behandlung, die mindestens zwei Operationen beinhaltet. Beim ersten Mal wird der Krebs herausgeschnitten, dann schaut der Pathologe, ob wir alles erwischt haben. Beim zweiten Mal wird entweder noch einmal nachgeschnitten oder das entstandene Loch wieder verschlossen – und zwar so elegant, dass man später möglichst wenig Operationsspuren sieht.

Das Gespräch führte Thomas Möckel.