Bautzen
Merken

Purpur-Weizen soll Bäckereien erobern

In der Rätze-Mühle kümmern sich die Mitarbeiter seit einiger Zeit um alte Sorten. In Zusammenarbeit mit der Bäckerei Trittmacher entstehen neue Produkte.

Von Kerstin Fiedler
 4 Min.
Teilen
Folgen
Nahe Leutwitz ist der rotschalige Purpur-Weizen gewachsen, den Müllermeister Sebastian Unger von der Rätze-Mühle Spittwitz hier zeigt. Ungers Hobby ist die Landwirtschaft, wo er gern alte Sorten anbaut.
Nahe Leutwitz ist der rotschalige Purpur-Weizen gewachsen, den Müllermeister Sebastian Unger von der Rätze-Mühle Spittwitz hier zeigt. Ungers Hobby ist die Landwirtschaft, wo er gern alte Sorten anbaut. © Steffen Unger

Spittwitz/Malschwitz. Groß ist die Fläche nicht, auf der Sebastian Unger den Purpur-Weizen anbaut. Eine ungewöhnliche Weizensorte mit kräftigem Geschmack und gesundem Inhalt. Den Namen hat er erhalten durch die tiefdunkle Rotfärbung der Schale. „Darin enthalten sind Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente, die viel gesünder sind als die heute neu gezüchteten Weizensorten“, sagt Sebastian Unger. Die Rätze-Mühle in Spittwitz kümmert sich seit einiger Zeit um alte Getreidesorten, baut sie an oder holt sie von Landwirten der Region, um daraus Mehl zu machen. Für den Purpur-Weizen haben die Ungers eine Zusammenarbeit mit der Landbäckerei Trittmacher in Malschwitz vereinbart.

Das Feld nahe Leutwitz mit dem Purpur-Weizen ist mittlerweile abgeerntet. Mit dem Ertrag ist Sebastian Unger, einer der drei Geschäftsführer in der Rätze-Mühle, zufrieden. „Selbst ein Unwetter hat uns nichts ausgemacht“, sagt er zufrieden. Jetzt wird alles eingelagert und muss vier Wochen im Silo nachreifen, bevor es vermahlen wird. Das kommt dann auch Ute Trittmacher zugute. Die Geschäftsführerin der Landbäckerei liebt alte Sorten und will sie in das Bewusstsein der Menschen bringen. Dass sie mit ihrer Leidenschaft sogar einen Kommunikationspreis für das Konzept Urgetreide bekam, freut sie und spornt sie an. „Mein Traum ist es, in unserer Bäckerei nur noch mit alten Sorten zu backen“, sagt sie. Dafür lässt sie derzeit die Backstube umbauen. Es entsteht eine neue Kältelinie. „Urgetreide mag keine Minustemperaturen. Es fängt bei null Grad an zu reifen – und es braucht Zeit“, weiß Ute Trittmacher, die auch die gesamte Werbung und das Logo auf das Urgetreide umgestellt hat. Förderung gab es für dieses Projekt aus dem ländlichen Raum. Nun hofft sie, bis September fertig zu werden. Dann werden sich Unger und Trittmacher treffen. Und auch Martin Reck. Der Bäckermeister ist mit einem der Unger-Brüder in die Schule gegangen. Reck lernte Bäcker – und dann trafen sie sich auf der Meisterschule wieder.

Verschiedene Testreihen in der umgebauten Backstube

Und auch, als Martin Reck in Dresden als Bäcker Schaufenster gestaltet, reißt der Kontakt nicht ab. Als sich bei der Familie Nachwuchs ankündigt, kommt der aus Salzenforst stammende Martin Reck zurück in die Heimat und teilt die Leidenschaft für alte Getreidesorten mit den anderen. In der Rätze-Mühle probiert er in der kleinen Backstube aus, was aus alten Sorten gebacken werden kann. Das wird er dann in größeren Mengen auch mit Ute Trittmacher gemeinsam tun, die sich schon neue Purpur-Brötchen „ausdenkt“. Dann gibt es nämlich verschiedene Testreihen in der umgebauten Backstube.

Dass es mittlerweile mindestens ein Dutzend regionale Bäckereien gibt, die wieder mit alten Getreidesorten backen, finden sowohl Müllermeister Unger, Bäckermeister Reck und Geschäftsfrau Trittmacher gut. „Die Nachfrage wächst“, sagt Ute Trittmacher. Die Kunden haben wieder mehr Bewusstsein für gesunde Lebensmittel aus der Region. Auch wenn es zum Beispiel für die Mühle schwierig ist, den gestiegenen Aufwand in den Preis umzulegen. „Mit normalem Mehl kannst du heute kein Geld mehr verdienen. Die Kunden gehen zum Discounter, wo die Produkte nicht so viel schlechter sind“, sagt Sebastian Unger. Allerdings, und das zähle eben für ihn viel mehr, enthalten diese Backprodukte auch viel mehr Chemie. Die alten Sorten sind gesünder, der Proteingehalt der alten Sorten ist höher, höher sind auch der Gehalt an essenziellen Aminosäuren und der Anteil an Ballaststoffen. „Das Mehl aus den alten Sorten ist damit viel besser verträglich und auch für Diabetiker und Allergiker geeignet“, weiß Unger. Außerdem setzen Landwirte, die alte Sorten anpflanzen, kaum Dünger und Pflanzenschutzmittel ein. Sebastian Unger zeigt auf das Unkraut, das vereinzelt zwischen dem Purpur-Weizen wächst.

Ertrag ist allerdings geringer

Alte Sorten aus der Vergessenheit zu holen, hatte sich das Biosphärenreservat vor Jahren auf die Fahnen geschrieben. Begonnen hat diese Entwicklung mit dem Pommernschen Dickkopf und dem Champagnerroggen. In der Region hat sich das schnell verbreitet. Allerdings ist der Verdienst der Landwirte gering, weil der Ertrag geringer ist. „Hier müssen wir uns noch mehr vernetzen, noch mehr Mitstreiter finden“, sagt Ute Trittmacher. Und das Bewusstsein in der Bevölkerung wecken, dass spezielle Produkte, die mit mehr Aufwand geschaffen wurden, eben auch mehr kosten. Und Ute Trittmacher hat noch viel mehr vor. Nicht nur Brot soll aus alten Sorten entstehen, auch im Bereich der Feinbäckerei will sie weiter ihre Ideen umsetzen. „Wir backen fast alle Kuchensorten mit Dinkelmehl“, sagt sie.

Für die Verfechter alter Sorten hat die Leidenschaft nichts mit Nostalgie zu tun. „Uns geht es um gehaltvolle Inhaltsstoffe. Und außerdem um eine Chance, im kleinen Handwerk eine Nische zu finden, die die Industrie nicht ausfüllen kann“, sagt Ute Trittmacher.