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Wer Nahles rausschmeißt, bekommt einen Gratis-Urlaub

Bei einem Treffen beklagen Wirte der Region Gesetze, die ihre Wettbewerbs-Fähigkeit gefährden. Höhere Kosten, der Mindestlohn und das Arbeitszeitgesetz haben besonders hier das Kneipensterben befeuert.

Von Markus van Appeldorn
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Hotelier Conrad Siebert vom Hotel am Berg Oybin und Sachsens Dehoga-Geschäftsführer Axel Klein.
Hotelier Conrad Siebert vom Hotel am Berg Oybin und Sachsens Dehoga-Geschäftsführer Axel Klein. © Foto: Matthias Weber

Beim Oybiner Hotelier Conrad Siebert gibt's eine Reise zu gewinnen. Allerdings nur für Gastronomie-Kollegen und auch nur zu einer ziemlich mutigen Bedingung. "Der Gastronom, der Arbeitsministerin Andrea Nahles um 22 Uhr aus seinem Laden schmeißt, weil das Personal Feierabend machen muss, bekommt von mir eine Woche Urlaub gesponsert", sagt er. Der Betreiber des Hotels am Berg Oybin ist sauer auf die SPD-Ministerin, die er für das Arbeitszeitgesetz verantwortlich macht, dass den wirtschaftlichen Betrieb des Gastronomie-Gewerbes erheblich erschwere. Siebert hätte gerne mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten in der Gastronomie. "Eine Mitarbeiterin von mir würde gerne ihre 40 Wochenstunden an vier Tagen leisten und dafür mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen", nennt Siebert ein Beispiel. Solche Arbeitszeitmodelle aber lässt das Gesetz nicht zu. Siebert kann das nicht fassen. "Es ist in Deutschland erlaubt, dass ein Arzt nach 16 Stunden Dienstzeit am offenen Herzen operiert. Aber ein Kellner, der höchstens ein paar Gläser fallen lassen kann, soll nach acht Stunden vor lauter Erschöpfung Feierabend machen müssen."

Axel Klein ist der Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Sachsen. Er pflichtet dem Hotelier bei. "Das Arbeitszeitgesetz hat nicht den vom Gesetzgeber erwünschten Effekt erzielt, das mehr Arbeitsplätze geschaffen werden", sagt er, "im Gegenteil haben die Gastronomen ihr Angebot verknappt. Der Frust in der Branche ist groß." Den Frust teilen auch einige Kollegen von Conrad Siebert, die sich am Dienstag mit ihm, dem Dehoga-Chef und sächsische.de bei ihm getroffen haben. Die Wirte schildern, wie Gesetze und auch die spezielle Grenzsituation der Region ihnen das Geschäft von Jahr zu Jahr schwerer machen. Da ist zum Beispiel Peter Besser. Er betreibt das Lokal "Zum alten Sack" in der Zittauer Innenstadt. Mit 50 Jahren hat er sich damit kurz nach der Wende ins Abenteuer Selbstständigkeit gewagt. "Auf meinem ersten Öffnungszeiten-Schild stand ,11 Uhr bis open end'", sagt er. Doch sowohl seine Öffnungszeiten, als auch sein Personal habe er mit den Jahren deutlich reduzieren müssen. Und dafür nennt er vier Gründe: "Erst kam das Nichtraucherschutzgesetz, dann die Hygiene-Ampel, dann der Mindestlohn, der uns keinen Freiraum lässt und schließlich noch das Arbeitszeitgesetz."

Den Mindestlohn zahlen alle versammelten Wirte. Aber der sei nicht das eigentliche Problem. "Kritisch ist für Gastronomen das Lohnabstandsgebot. Eine ausgebildete Fachkraft muss mehr bekommen, als jemand Ungelerntes. Eine meiner Angestellten hätte 50 Prozent mehr Lohn verdient. Ich kann's mir nicht leisten", sagt Conrad Siebert. "Mit dem Mindestlohn mussten die Gastronomen auch alle darüber liegenden Löhne anheben", erklärt Dehoga-Chef Klein. Dieser Umstand bereite den Gastronomen zunehmende Schwierigkeiten, die Löhne überhaupt noch im Betrieb zu erwirtschaften. "Wenn der Mindestlohn weiter steigt, können wir noch mehr Kneipen schließen", prophezeit Klein. "Seit 2007 haben wir eine Lohnsteigerung von 60 Prozent erlebt. Das gibt's in keiner anderen Branche", sagt Siebert. Zum Mindestlohn bekomme man ohnehin keine geeigneten Kräfte. "Wir bezahlen zehn Euro und aufwärts", schildern etwa Simone und Steffen Spata, die in Oybin das "Gasthaus Almanka" betreiben. Außerdem bieten sie ihrem Personal familienfreundliche Bedingungen wie Freizeit am Wochenende oder Urlaub auch in der Hochsaison an. Einen Koch suchen sie dennoch seit langer Zeit vergeblich. Für einen eigenen Urlaub hatten sie schon seit Jahren keine Gelegenheit. Auch Conrad Siebert macht seine Arbeitsplätze noch mit zusätzlichen Maßnahmen attraktiv. "Ich zahle eine Betriebsrente oder besuche mit meinem Team etwa Festveranstaltungen wie die Dehoga-Nacht. Wir wollen, dass Arbeitskräfte hier in der Region bleiben." Er wirbt auch für eine Fachausbildung in der Gastronomie. "Mit der Ausbildung in Deutschland wird man weltweit mit Kusshand genommen."

"Die Kosten sind enorm gestiegen, aber die Preise für Speisen und Getränke versuchen wir stabil zu halten", beklagt Gert Linke das Dilemma. Er betreibt seit 28 Jahren das "Kurhaus Jonsdorf". "Und seit 28 Jahren zahle ich jeden Monat pünktlich die Löhne, weil die Mitarbeiter auch Dinge zu bezahlen haben", sagt er. Er selbst musste sich das Geld für die Gehälter mitunter borgen. Das Problem liege auch in der Erwartungshaltung der Gäste - besonders wegen der Grenznähe. "Mancher Unternehmer feiert seine Familienfeiern doch längst in Tschechien, weil's da viel günstiger ist", sagt Conrad Siebert, "da liegt der Mindestlohn bei 512 Euro im Monat." Man müsse in die Köpfe der Verbraucher bekommen, dass für höhere Löhne hier das Schnitzel eben nicht mehr sieben Euro kosten könne, sondern zwölf.

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