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Jetzt spricht der Zebra-Dompteur

Der Ausflug der Zebras aus dem Zirkus endete am Montag für ein Tier tödlich. Dort muss die Show aber weitergehen.

Von Daniel Krüger & Christoph Springer
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Auch wenn nur sechs Tiere in der Show auftreten, ist der Tod des polnischen Zebras Cesar für den Dompteur Jiri Berousek ein harter Verlust.
Auch wenn nur sechs Tiere in der Show auftreten, ist der Tod des polnischen Zebras Cesar für den Dompteur Jiri Berousek ein harter Verlust. © Christian Juppe

Einen, der täglich mit wilden Tieren zu tun hat, kann so schnell eigentlich nichts aus der Ruhe bringen. Am Montagmittag aber konnten Presse und Zirkusmitglieder Jiří Berousek in einem der wenigen schwachen Momente erleben. Erschöpft, verzweifelt, am Boden. Der Grund: Eines von Berouseks Zebras, die am Morgen durch ein versehentlich offen gelassenes Gatter in die Stadt entfliehen konnten, brach in Tolkewitz zusammen und starb noch an Ort und Stelle. An diesem Tag war der Tiertrainer des Tschechischen Nationalzirkus für niemanden mehr zu sprechen. Obwohl zahlreiche Journalisten neugierig am Zebragehege warteten, verschwand Berousek wortlos in seinem Wohnwagen.

Wer verstehen möchte, was in ihm, dem stolzen Dompteur, in diesem Moment vorging, der hatte schon nicht einmal 24 Stunden später die Gelegenheit dazu. Trotz der Trauer hat sich Berousek auf einen Pressetermin eingelassen. Nun steht er am Dienstagmorgen im Vliespullover vor dem Zebragehege. Draußen blinzelt die Sonne durch die Wolken. Auf dem Festzeltgelände des Weihnachtszirkus an der Pieschener Allee sind die Proben in der Manege schon wieder in vollem Gange.

Der 38-Jährige wirkt bedrückt, aber gefasst. Obwohl er nicht behaupten könne, er fühle sich gut, kommt der Tscheche schnell auf das Unglück zu sprechen. „Es hat eins unserer alten Zebras getroffen, Cesar. Wir haben ihn damals von einem polnischen Privatzoo gekauft. Beim Ausbruch ist er mit seinem Bruder Kalif in die eine Richtung gerannt, die beiden anderen Zebras, Kongo und Kenia, entgegengesetzt, sagt der Trainer mit besorgtem Blick. „Das war pures Chaos. Die Zebras sind zwar gezähmt, können unter Stress aber richtig durchdrehen.“ Berousek weiß, wovon er spricht. Er ist Teil einer riesigen Zirkusfamilie in der siebten Generation und der Hauptverantwortliche für alle Tiere. Auch seine Schwester Renata und seine Ehefrau arbeiten dort.

Für ihn ist besonders tragisch, dass der Unfall vielleicht hätte verhindert werden können. Er selbst war es, der das Zebra in Tolkewitz einfing. „Wir sind zunächst mit dem Auto hinter Cesar hergefahren. Er war da schon über 20 Kilometer weit gerannt. Dann habe ich ihn mit dem Seil gefangen“, beschreibt Berousek die wilde Jagdszene. Das Einfangen setzte das Tier wohl unter starken Stress. „Cesar wurde aggressiv, hat auch versucht, mich zu beißen“, so Berousek. Am Ende habe das Zebra stark gezittert und sei dann einfach umgefallen. Lange leiden musste Cesar nicht, nach einer halben Minute verstarb das Tier. Es war wohl ein Herzinfarkt.

„In Tschechien hätten wir das Zebra mit einem Betäubungspfeil schlafen gelegt“, sagt Berousek mit bedauerlichem Tonfall. „Aber der Zirkusdirektor hat mir gesagt, in Deutschland sei das nicht erlaubt.“ Ob Cesar noch am Leben wäre, wenn die Jagd am Ende nicht stattgefunden hätte, lässt sich aber nur schwer sagen. Klar ist: Die fremde Umgebung, lärmende Autos und klirrende Kälte waren für die Wildtiere keine Beruhigungsfaktoren. Deshalb ist Berousek froh, dass es nicht noch mehr von seinen Tieren erwischt hat.

„Trotz der Tragödie bin ich glücklich, dass wir wenigstens drei Tiere retten konnten. Sie hätten in der Elbe landen oder von einem Auto angefahren werden können“, sagt Berousek. Er danke vor allem der Dresdner Polizei, sagt er. Er hätte niemals damit gerechnet, so viel Unterstützung von den Beamten zu erhalten. In seiner Heimat Tschechien hätte ihm die Polizei wohl kaum geholfen, vermutet er.

Völlig fertig: Berousek nach dem Zebra-Drama am Montag
Völlig fertig: Berousek nach dem Zebra-Drama am Montag © Marion Doering

Diese Dankbarkeit war auch schon am Montag zu sehen. Kurz nach den Rettungsaktionen umarmte Regina Berousek unter Tränen einen der Polizisten. „Wir leben für die Tiere“, erklärt der Dompteur die emotionalen Reaktionen.. „Wir kümmern uns von 6 Uhr morgens bis abends um 23 Uhr um sie. Meine Frau schreit mich öfter mal an, ich würde die Tiere mehr lieben als meine Kinder“, sagt der Dompteur. Ihm bleibt nichts anderes übrig als weiterzumachen. Mittwoch ist Premiere, Dienstag früh gab es schon wieder eine kleine Zebraprobe. Auch wenn Kongo, Kenia und Kalif wohl gemerkt haben, dass jemand in ihrem Kreis fehlt. „Auch sie leiden. Ich spüre das“, sagt Berousek.