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Jetzt summt es an der Lindenterrasse

Imker Uwe Wendt werkelt in der früheren Kegelhalle am Hutberg. Bald wird hier Honig geschleudert. Und mehr.

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© René Plaul

Von Ina Förster

Kamenz. Die originalen Kegelkugeln gibt es noch. Eine dicke Staubschicht hat sich allerdings über sie gelegt. Zwischen altem Gerümpel und neuem Bauschutt harren sie ihrer Bestimmung. Uwe Wendt nimmt sie in die Hand und meint: „So etwas darf man natürlich auf keinen Fall entsorgen!“

Ältere Kamenzer bringen Uwe Wendt immer wieder ein paar historische Fotos von der ehemaligen Kegelbahn vorbei.
Ältere Kamenzer bringen Uwe Wendt immer wieder ein paar historische Fotos von der ehemaligen Kegelbahn vorbei. © privat
Aufheben möchte sich der Bauherr übrig gebliebene Utensilien, wie Kugeln und Stühle.
Aufheben möchte sich der Bauherr übrig gebliebene Utensilien, wie Kugeln und Stühle. © René Plaul
Der frühere Vorraum wird der neue Schleuderraum für den Honig vom Hutberg. Uwe Wendt saniert vieles allein.
Der frühere Vorraum wird der neue Schleuderraum für den Honig vom Hutberg. Uwe Wendt saniert vieles allein. © René Plaul

Jahrzehntelang rollten die Kugeln in schöner Regelmäßigkeit den länglichen Schlauch entlang. Erzielten Tausende Neuner. Und ungezählte Ratten. Die ehemaligen Kegel-Halterungen sind immer noch erkennbar. Das langgestreckte Haus gehörte einst zur „Lindenterrasse“ an der Königsbrücker Straße – dem früheren Kamenzer Biergarten-Ausflugslokal schlechthin. Auf alten Postkarten findet man immer noch Zeugnisse einer wunderbar belebten Restauration. Nur die Linden darauf waren damals noch sehr klein.

Heute hingegen überragen sie das Dach der ehemaligen Gaststätte lange. Aktuell strömen sie ihren himmlisch süßen Duft aus. Das gefällt auch den Bienen von Uwe Wendt. Der Imker kaufte die verfallene Kegelbahn im September 2014, um ihnen eine neue Heimstatt zu geben. Das komplette Areal befand sich seit 2013 wieder im Besitz der Stadt Kamenz. Nachdem es jahrelang einem Privatier gehörte, der hier allerdings mehr oder weniger hauste. Seine großen Träume von einem Bikertreff mit Bar und Bühne zerplatzten, ehe sie konkrete Gestalt annahmen. Ein paar neu eingesetzte Fenster am Haupthaus und halb verputzte Mauern zeugen noch heute davon. Die Stadt war also froh, dass jemand nach jahrelangem Hin und Her wenigstens ein Stück der Fast-Ruine haben wollte.

Seit Längerem Auge auf das Objekt geworfen

Uwe Wendt wohnt nur zwei Grundstücke weiter. Er hatte das Objekt seit Längerem im Auge. „Der Hutberg mit herrlicher Flora ist nebenan und ich brauche nur um die Ecke zu laufen, schon bin ich da“, freut er sich. Seitdem er die Kegelbahn sein Eigen nennt, werkelt er gemeinsam mit Ehefrau Beate an dem Kleinod, das durchaus wieder zum Leben erweckt werden kann. Teilweise ist das schon sehr gut gelungen.

Eines stand dabei aber von Anfang an fest: Eine Kegelbahn wird es nicht mehr! „Davon war ja auch nichts mehr übrig. Der Vorbesitzer wohnte in der ehemaligen Kegelhalle“, so Uwe Wendt. Von seinem neuen Bauprojekt fürs Hobby ist er begeistert. Denn er hat das große Glück, mit 56 Jahren als ehemaliger Berufsmusiker beim Stabsmusikorps der Bundeswehr bereits die Pension genießen zu dürfen. Langeweile dürfte jetzt allerdings nicht aufkommen. Und das ist gut so, findet er. Das Hinterland ist nach mühseligen Entkernungsarbeiten und größeren Entrümplungsaktionen schick vorgerichtet. Auf zartem Grün stehen die Bienenbeuten. Die Königin mit der Nummer 6 auf der Stirn hat ihr Volk im Griff. Ganz gelassen zeigt der Imker seine Lieblinge vor, öffnet die Holzkisten. Bald ist der diesjährige Lindenblütenhonig fällig. Darauf freut sich der 56-Jährige. Vielleicht kann der schon im neuen Schleuderraum entstehen.

Die Imkerei und der Schwiegervater

Doch es gibt noch viel zu tun. Dass er überhaupt zur Imkerei gekommen ist, hatte einen gewichtigen Grund: „Der Weg zu meiner Frau führte auch über das Hobby meines Schwiegervaters“, erzählt der ehemalige Prietitzer verschmitzt. Dieser suchte damals einen Nachfolger für seine Bienenvölker. „Er stellte mich an die Beuten und ließ mich von mindestens zehn Tieren stechen. Er wollte sehen, ob ich allergisch reagiere. Aber so war‘s nicht“, lacht er heute noch. Der künftige Schwiegersohn hatte den Test bestanden, er bekam seine Beate und seitdem frönt er dem Hobby. Mit Leidenschaft. „Als wir die Kegelbahn kaufen wollten, musste das freilich durch den Stadtrat durch. Da war dann in lockerer Runde die Rede davon, dass man sich freue, dass bald die flotten Bienen einziehen“, schmunzelt Uwe Wendt. Das brachte der Familie übrigens einige heikle Nachfragen ein. Die Kamenzer Gerüchteküche brodelte, was hier entstehen sollte. Vom Bordell bis zum Tanzclub war alles dabei …

Besucher bringen Fotos und Geschichten mit

Seitdem schauen immer wieder ältere Kamenzer bei Familie Wendt auf der Baustelle vorbei. Neugierig, erfüllt in Erinnerung an frühere Kegelabende. Sie bringen alte Fotos mit und erzählen Geschichten. Uwe Wendt weiß aber, was hier künftig laufen soll. Ganz viel Hobby, ganz viel Freizeit. Und da sein Herz natürlich weiterhin der Musik gehört, ist es absehbar, dass beispielsweise die kleine Besetzung des Blasorchesters der Lessingstadt, „Die Hutberg-Musikanten“, künftig vor Ort probt. Oder seine Nachbarin einen Yoga-Kurs anbietet. Oder man einfach schöne Partys feiern könnte. Übrigens: Der Schriftzug an der Außenfassade „Lindenterrasse“ kommt natürlich wieder dran. Eventuell mit Biene.

Der kleine Hofladen von Uwe Wendt an der Königsbrücker Straße 69 ist tagsüber geöffnet und funktioniert auf Kasse des Vertrauens! Hier gibt es Honig und Eier.

Zur Historie der Gaststätte „Lindenterrasse“ folgt ein weiterer Artikel in der nächsten Woche.