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Johannisfriedhof soll Kulturerbe werden

In der parkähnlichen Anlage liegen Berühmtheiten, die heute oft vergessen sind. Viele Grabstätten sind einzigartig.

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© René Meinig

Von Lars Kühl

In Bremen kann die Asche Verstorbener seit Kurzem im eigenen Garten verstreut werden. Eine Entwicklung der Bestattungskultur, die viele erschaudern lässt. Besonders, wenn sie sich dafür engagieren, dass Friedhofsanlagen erhalten bleiben. Neben jeder Menge Ehrenamt ist dafür auch ausreichend Geld notwendig. Geld, das oft aus Fördertöpfen bezahlt werden muss. Der seit 1876 geschlossene Eliasfriedhof am Güntzplatz zählt inzwischen zum nationalen Kulturgut, die wertvollen Gräber und Grüfte auf ihm können so nicht nur mit Spenden, sondern auch staatlichen Zuwendungen erhalten werden.

Ein Schutzstatus, der dem Johannisfriedhof in Tolkewitz noch fehlt, aber helfen würde. Vor allem beim Erhalt und der Restaurierung der vielen Grabstätten auf ihm. Der Experte Jörg Kuhn hat in den vergangenen fünf Monaten ein Gutachten erstellt, das er am Freitag bei der Tagung der ehrenamtlichen Beauftragten für Denkmalpflege vorstellte. Das Landesamt hatte eingeladen. Das Ergebnis der Bewertung durch den Friedhofsforscher lässt hoffen.

Kuhn hat nach kulturhistorischen Schätzen gesucht und er fand sie reichlich auf der 1881 als neuer Johannisfriedhof geweihten Anlage, die heute nach dem Heidefriedhof die größte Totenruhe der Stadt ist. „425 Grabmale sind für den Denkmalschutz relevant.“ Eine beeindruckende Zahl, alle zu erhalten sei schwer möglich. Bei seinem Gutachten hat Kuhn 23 Grabstätten ausgemacht, die für Deutschland eine herausragende Bedeutung haben.

Weitere 100 hat er in seiner Arbeit eingehend untersucht. Was der Forscher herausgefunden hat, sind leuchtende Beispiele einzigartiger Architektur und Gestaltung. „Trotz schmerzvoller Verluste ist sensationell viel erhalten.“ Beim Rundgang auf dem nach dem Vorbild englischer Landschaftsgärten angelegten Friedhof zwischen Elbe und Wehlener Straße wird schnell klar, was Kuhn meint. Individuelle Meisterwerke sind zu bewundern.

Die meisten entstanden im Zuge der Dresdner Reformbewegung um 1900. Viele Künstler waren am Werk, nicht nur aus der Stadt. Gefertigt wurden die Steine, Skulpturen, Einfassungen oder Ähnliches oft vorm Friedhof von ansässigen Tolkewitzer Firmen. Jan-Michael Lange und Martin Kaden von den Senckenberg-Sammlungen haben ermittelt, dass bis 1945 über 70 Gesteinsarten verwendet wurden, vom Granit über Sandstein bis zum Marmor.

Es gibt nicht wenige Grabstätten, wo verschiedene Steine kombiniert wurden, wie beispielsweise beim Rittergutsbesitzer Alfred Roetzschke und seiner Frau. Schöpfer der strahlend weißen Figur vor dem schwarzen Hintergrund war der Berliner Bildhauer Gustav Eberlein, bekannt durch sein Richard-Wagner-Denkmal oder die Figurengruppe für Goethe in Rom.

Diese Informationen hat Kuhn im gut geführten Archiv des Johannisfriedhofes entdeckt. Dort lagern viele seltene Dokumente, darunter auch originale Bauzeichnungen. „So etwas sucht seinesgleichen in Deutschland.“ In den Unterlagen gab es auch Hinweise auf die Grabstätte von Rosa und Felix Schweighofer, der Sänger und Schauspieler war. Das Grabmal wurde vom Freundeskreis Trinitatis- und Johannisfriedhof bis zu diesem Jahr in mehreren Schritten auf Vordermann gebracht. Es war das erste Projekt der Ehrenamtler, zurzeit widmen sie sich der Grabstätte von Ewald Bellingrath und seiner Frau. Der Konstrukteur war der Begründer der Kettenschifffahrt auf der Elbe. Auf dem Friedhof ist auch das Grab von Heinrich Gotthold Münchmeyer zu sehen, dem ersten Verleger von Karl May. Als er starb, diente eine Bronzetafel als Basis. Die hatte jemand aus Italien mitgebracht. Um sie herum wurde ein „Jugendstilgrab gestaltet, wie ich es vorher noch nie gesehen habe“, sagt Kuhn.

Seine Beispiele lassen keinen Zweifel, der Johannisfriedhof hat die Berechtigung zum nationalen Kulturgut. Verwalterin Beatrice Teichmann soll einen entsprechenden Antrag stellen. Bis zur Bewilligung muss es die Aufgabe sein, Personen, die auf der Anlage liegen, wieder stärker ins Gedächtnis zu rufen: Erfinder und Mäzen Karl August Lingner, Kunsthistoriker Cornelius Gurlitt, Archäologe und Direktor der Skulpturensammlung im Albertinum Georg Treu, Schmetterlingsforscher Otto Staudinger oder Sängerin Marcella Sembrich. Die Liste ist lang, das Wissen über die Berühmtheiten ihrer Zeit dagegen im Allgemeinen gering. Lücken sollen vor allem Führungen schließen: zur Historie, zu den Gesteinen oder musikalische.