"Setzen Sie die Leute doch einfach in den Zug"

Als in der Ukraine die Kriegshölle losbrach, gab es für Amohi Bastan aus Jonsdorf kein Zögern. Vor Jahren hatte er die junge Mutter aus dem heute stark von Putins Überfall bedrängten Chernigov nördlich von Kiew kennengelernt. Als dort die Bomben prasselten, lud er sie und ihren Sohn zu sich ein. Beide gelangten aus dem Kriegsgebiet schließlich nach Jonsdorf, wo Bastan sie bei sich einquartierte. Doch mittlerweile fühlt er sich vom Landkreis im Stich gelassen - und reagiert mit einem Offenen Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer.
Es ist mittlerweile offenbar: Die zuständige Ausländerbehörde beim Landkreis Görlitz ist aktuell schon mit der Registrierung der zahlreichen ukrainischen Vertriebenen überfordert - und ohne eine solche können die Betroffenen weder auf Sozialleistungen hoffen, noch sich eine Wohnung nehmen, ihre Kinder einschulen oder medizinische Leistungen in Anspruch nehmen. Das alles war zu Anfang mal als völlig unbürokratisch und schnell versprochen worden. Wie es in Wahrheit bestellt ist, müssen nun auch Amohi Bastan und seine Gäste erfahren.
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Enttäuscht über gebrochene Versprechen
Zunächst schildert Bastan dem Ministerpräsidenten die Situation. So beherberge er seit dem 18. März die Mutter und ihren Sohn in seiner Wohnung in Jonsdorf, die "aus der Hölle von Chernigov ihr nacktes Leben retten konnten", schreibt er, und weiter: "Die Aussagen des Ausländeramtes waren sehr vielversprechend. Es wurde sofortige Hilfe in Aussicht gestellt, es sollte Hilfen für erhöhte Kosten für die Gastgeber geben und eine schnelle unbürokratische Registrierung erfolgen." So viel zu den Versprechen - und genauso habe es auch der Ministerpräsident selbst versprochen, schreibt Bastan.
Genau wie versprochen, vermutet Amohi Bastan, funktioniere es auch in vielen Regionen Sachsens - und konfrontiert Kretschmer dann mit der eigenen Realität: "Jedoch in Ihrem Heimatkreis, im Kreis Görlitz, ist eine komplett andere Situation anzutreffen", schreibt er. Alle notwendigen und geforderten Schritte habe er mit seinen Gästen nach deren Ankunft unternommen. So hätten sich die Mutter und ihr Sohn im Lutherhaus in Zittau registrieren lassen, eine Kontaktadresse angegeben und die notwendigen Formulare heruntergeladen und ausgefüllt.
Zynismus von der Ausländerbehörde
"Auch wurden vorsichtig die Fühler nach einer Wohnung ausgestreckt", schreibt Bastan - doch zwei mögliche Unterkünfte seien mittlerweile anderweitig vergeben worden - weil sich die Behörde eben bislang nicht gerührt habe. Bei der Registrierung habe man ebenfalls angegeben, dass der Sohn der Frau leicht behindert ist. Er benötige zeitnah medizinische Hilfe. Im März hätte bei ihm in der Ukraine eine Armprothese angepasst werden sollen - was wegen Krieg und Flucht dann unterblieb. "Dies ist dem Ausländeramt in Görlitz ziemlich egal!", schreibt Bastan.
Er schildert, was er sich von der Behörde anhören musste. "Gestern telefonierte ich mit einer total empathiefreien Mitarbeiterin des Ausländeramtes", schreibt Bastan dem Ministerpräsidenten. Die habe ihm zum Abschluss des Gesprächs vorgeschlagen: "Wenn mir die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung meiner Gäste zu hoch wären, könnte ich diese ja in den Zug nach Leipzig zur zentralen Aufnahmestelle setzen." Die Zugfahrt sei für die beiden schließlich kostenlos. "Ehrlich gesagt, ich war empört und sprachlos", teilt Bastan dem Ministerpräsidenten mit. SZ hat den Landkreis um eine Stellungnahe zu diesem Vorgang gebeten. Die Behörde sieht sich aber momentan dazu außerstande, "da alle Mitarbeiter momentan stark mit der Registrierung der Geflüchteten eingebunden sind", heißt es.
Laut Bastan nun der Stand der Dinge: Bis zu einem Ersttermin beim Ausländeramt würden laut Angaben der Behörde sechs bis acht Wochen vergehen. Wie lange die anschließende Bearbeitung dann dauere, sei kaum abzuschätzen. Er ist maßlos enttäuscht: "Ohne die selbstlose Hilfe von Nachbarn, Freunden und Bekannten sähe die Situation hier viel desolater aus." Er gebe zwar, was er kann, sei finanziell eben aber auch nicht auf Rosen gebettet, schildert Bastan in seinem Brief und fürchtet, dass "die Ärmsten der Armen mal wieder die Zeche zahlen müssen".