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Julius muss weiter kämpfen

Seit August besucht der chronisch kranke Junge wieder die Schule. Zur Ruhe kommt die Familie dennoch nicht.

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© Kristin Richter

Von Catharina Karlshaus

Ebersbach. Kurz nach vier in Kalkreuth. Mit roten Wangen und glänzenden Augen kommen Carl und Julius ins Haus gestürmt. Mit Begeisterung erzählen die Zwillinge über den erlebnisreichen Tag im Hort. Mit wem sie gespielt und was sie gemeinsam erlebt haben. Nicht, dass sie jetzt in den Ferien unbedingt in die Schule gehen müssten. Nein, ganz im Gegenteil.

Die beiden aufgeweckten Neunjährigen wollen es selbst ganz unbedingt. Mit anderen Kindern zusammen sein, endlich einmal unbeschwert das tun, was für andere Mädchen und Jungen ihres Alters völlig normal ist. Isa Krönert lauscht beinah andächtig den Worten ihrer Söhne, lacht, fragt nach und scheint zu genießen, dass es eben einmal so ist wie bei anderen Familien auch. Denn eigentlich ist es das nun ganz und gar nicht.

Zur Erinnerung: Im Gegensatz zu seinem gesunden Bruder leidet Julius seit seinem fünften Lebensjahr an der Bluterkrankung Idiopathische Thrombozytopenische Purpura (ITP). Zweimal im Monat wird der Neunjährige in der Charité Berlin behandelt und muss täglich Medikamente einnehmen. Kleinste Verletzungen können bei ihm zu lebensbedrohlichen Zuständen führen. Damit dies in der Schule von vornherein vermieden wird, setzte die Sächsische Bildungsagentur deshalb gleich von vornherein als Auflage für die Beschulung einen sogenannten Schulbegleiter fest. Einer, der gewissermaßen ein wachsames Auge auf Julius hat.

Was Isa Krönert nicht ahnen konnte: Es sollte der Auftakt eines monatelangen Hin und Her über interne Zuständigkeiten sein. Denn während der Begleiter im ersten Schuljahr vom Kreissozialamt Meißen bewilligt und somit finanziert worden war, bekundete dieses bei neuerlicher Antragstellung im Sommer 2016, nicht mehr zuständig zu sein. Die Finanzierung müsse in diesem Fall die Krankenkasse übernehmen, bei der Carl und Julius über ihren Vater versichert seien. Isa Krönert begleitete Julius bis Januar 2017 selbst, beschulte ihn danach zuhause und war schließlich erleichtert, als das Sozialamt nach monatelangem Hickhack die Vermittlung eines Begleiters zusicherte. Einer, der vertraglich gebunden durch die Lebenshilfe Meißen e.V. zu 80 Prozent von der väterlichen Beamtenbeihilfe und zu 20 Prozent von der Krankenkasse bezahlt werden solle.

Tatsächlich besucht Julius nun seit Monaten in Begleitung sowohl den Unterricht als auch den Hort. Bis zum Ende des Schuljahres, so Isa Krönert, sei dies so einvernehmlich mit dem Kreissozialamt geregelt, welches momentan auch die 20 Prozent der Krankenkasse trage. Danach müsse man allerdings wieder neu schauen. „Für mich als betroffene Mutter ist das sehr belastend! Ich hätte mir selbst nichts mehr gewünscht, als dass mein Sohn gesund ist. Nun kämpfen wir jeden Tag aufs Neue, dass es ihm einigermaßen gut geht und plagen uns gleichzeitig mit allerlei bürokratischen Zuständigkeiten“, erzählt Isa Krönert.

Denn obgleich die behandelnden Ärzte in der Berliner Charité in mehreren Gutachten bestätigt hätten, dass Julius mit dem Medikament Revolade behandelt werden müsse und ein Abbruch schwerste lebensbedrohliche Blutungsneigungen nach sich ziehen würde, sei das Prozedere immer gleich. „Ich muss aller drei Monate einen neuerlichen Antrag auf Erstattung der ein paar Tausend Euro teuren Medikamente stellen. Bis vergangene Woche habe ich beispielsweise nicht gewusst, ob die Kosten für ein weiteres Vierteljahr in Höhe von 12 000 Euro übernommen werden“, bekennt Isa Krönert.

Da die Tabletten zu Ende gingen und die Uhr tickte, nahm die Sächsische Zeitung schließlich Kontakt mit der Krankenkasse auf – das Schreiben zur Kostenübernahme ging bereits am nächsten Tag raus. „Für betroffene Eltern wie mich bedeutet dieses Warten jedes Mal eine zusätzliche Belastung. Egal, ob es um die Schulbegleitung geht oder die lebensnotwendigen Medikamente. Es ist eine ständige Verunsicherung und drückende Last, die noch zusätzlich zur permanenten Angst um den Jungen kommt.“

Ende des Monats muss die 39-Jährige mit Julius wieder nach Berlin in die Klinik fahren. Da die bisherige Behandlung nicht angeschlagen habe und die Werte sich massiv verschlechterten, würde nun mit einer Art Chemotherapie versucht, die Blutwerte zu verbessern. Wie das Kind körperlich darauf reagieren werde, wenn das Immunsystem zunächst auf null herunterfahre, bliebe abzuwarten. „Schon allein deshalb hoffe ich, dass zusätzlich keine weiteren Probleme auf uns zukommen werden!“