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Junge Familie dreht am Rad

Die Strohmers aus Schieritz machen selbst Strom aus Wasser. Und das nicht nur für sich.

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© Andreas Weihs

Von Jürgen Müller

Schieritz. Und es bewegt sich doch. Oder besser gesagt: wieder. Stolz zeigt Strohmer auf das im Durchmesser mehr als vier Meter große Wasserrad, das sich da an der ehemaligen Schlossmühle in Schieritz dreht. Bis 1996 war es noch in Betrieb, dann stand es still. Doch 20 Jahre später dreht es sich wieder und erzeugt Strom. Rund 20 000 Kilowattstunden im Jahr soll es bringen. „Damit können vier Häuser ein Jahr lang ganz umweltfreundlich mit elektrischer Energie versorgt werden“, sagt der gebürtige Österreicher stolz. Ein Viertel der so erzeugten Energie verbraucht die fünfköpfige Familie selbst, ist autark, was die Stromversorgung anbetrifft. Der Rest wird ins Netz eingespeist.

Mit einem 30-Tonnen-Bagger wurde das Wehr gebaut, der Ketzerbach vorübergehend umgeleitet.
Mit einem 30-Tonnen-Bagger wurde das Wehr gebaut, der Ketzerbach vorübergehend umgeleitet. © privat

Ursprünglich sollte das Wasserrad schon zwei Jahre früher in Betrieb gehen. Doch Peter Strohmer hatte die Hürden der Bürokratie unterschätzt, wenngleich er lobt: „Alle Behörden, bis auf eine, waren sehr kooperativ, haben uns unterstützt und gut mitgezogen.“ Mit geholfen beim Bau haben rund 60 Leute, teils aus dem Ort, teils aus der Verwandtschaft aus Österreich.

300 Kubikmeter Beton

Im Mai vorigen Jahres wurde mit dem Bau begonnen, im Dezember der erste Strom eingespeist. Nicht nur das Wasserrad musste aufgearbeitet werden, was Gottfried Schuhmann aus Mulda übernahm. Er ist der letzte seiner Zunft. Doch die meiste Arbeit machte der Bau des Wehres. Strohmer kaufte sich einen gebrauchten Lkw, mietete einen 30-Tonnen-Bagger. Schließlich mussten 300 Kubikmeter Beton und 1 200 Tonnen Granitstein verbaut werden. Der Ketzerbach musste umgeleitet, ein Umleitungsgraben angelegt und wieder zugeschüttet werden. In den Bach wurde ein 30 Meter breites Wehr eingebaut, eine Fischtreppe angelegt. „Die Baufirmen haben mich einen Verrückten genannt. Und da haben sie wohl Recht“, sagt der 38-Jährige und lacht.

Eine Wassermühle wollte der Bastler und gelernte Maschinenbauer mit der Spezialisierung Luft- und Raumfahrttechnik schon immer besitzen. Schon seine Großeltern besaßen eine Wassermühle in Österreich, für die er sich bereits als Kind interessierte. Auf Schieritz kam der Wiener, der in seiner Heimatstadt und in Dresden studierte, durch eine Zeitungsanzeige. Als er sich die Mühle ansah, war es um ihn geschehen. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Christiane Manschke, die aus Bautzen stammt und die er während des Studiums kennenlernte, kaufte er das Grundstück. Drei Kinder hat das Paar inzwischen. Zu Anton (7), der die Lommatzscher Grundschule besucht, und Lukas (5) kam vor knapp zwei Jahren noch Johanna dazu.

Die Kinder fühlen sich in der ländlichen Umgebung in Schieritz pudelwohl, planschen im kalten Wasser des Wehres. Viel Geld hat die Familie schon in das Haus gesteckt, die Wohnräume sind schon lange saniert. Was Wehr und Wasserrad kosteten, will Peter Strohmer lieber nicht sagen. Der mittlerweile selbstständige Ingenieur für Wasserkraft und seine Partnerin, die Rechtsanwältin ist, haben noch viel vor. Die ehemalige Bäckerei, die mit zum Gebäudeensemble gehört, soll zu drei bis vier Ferienwohnungen umgebaut werden. Auch eine kleine Besenwirtschaft soll entstehen. Doch die Familie lässt sich damit Zeit. „Das ist im nächsten Fünf-Jahr-Plan drin“, sagt Christiane Manschke.

Offene Türen am Pfingstmontag

Das Paar ist stolz auf das, was es bisher geschaffen hat, und möchte das der Öffentlichkeit nicht vorenthalten. Zum Mühlentag am Pfingstmontag kann die Mühle samt Wasserrad deshalb auch wieder besichtigt werden. Peter Strohmer wird dann die Besucher durch das Haus führen. Ihnen beispielsweise die Blei-Akkumulatoren zeigen, mit deren Hilfe der Müllermeister und Mühlenbauer Franz Otto Andrä das machte, was heute aktueller denn je ist. Den aus Wasserkraft erzeugten Strom zu speichern. Mit Hilfe einer Wasserturbine wurde Gleichstrom erzeugt und gespeichert. Die Batterien sind heute nicht mehr nutzbar, Ersatz ist nicht mehr zu beschaffen.

Und er wird die Gäste auf den Mühlenboden führen. Der wird jetzt schon vermietet für Familienfeiern und Veranstaltungen. Auch Hochzeiten fanden hier schon statt. Nur eines wird auch Peter Strohmer nicht mehr machen. Die alte Mühle wieder in Gang setzen. Der Aufwand wäre einfach zu hoch. Allerdings sollen teilweise einzelne Geräte der Mahltechnik zu Schauzeiten wieder angetrieben werden. Auch Schulklassen kommen außerhalb des Mühlentags zu Führungen in die alte Schlossmühle. Müllermeister Andrä kaufte die Schieritzer Mühle 1888 und bewirtschaftete sie mit seiner Ehefrau bis 1910. Die nachfolgenden Generationen führten den Mühlbetrieb bis ins Jahr 1960 fort. Die Bäckerei versorgte nicht nur das nahe Umland, sondern auch die Stadt Meißen mit Backwaren.

Erstmals erwähnt wurde die Schieritzer Mühle im Jahre 1361. Sie ist eine von 15 Wassermühlen, die einst am Ketzerbach errichtet wurden. Mittels Wasserrad wurde die Kraft des Baches für den Antrieb der Mühltechnik genutzt. Ab 1905 bis 1917 wurden außer der Mühle sogar das Rittergut, die Brauerei, die Schmiede, der Gasthof und einige umliegende Häuser mit Strom versorgt.

Dass Peter Strohmer so eine Affinität zu Wasserkraft besitzt, hat wohl auch mit seiner Herkunft zu tun. Österreich ist hier eines der führenden Länder. Das riesige Wasserkraftwerk in den Kapruner Alpen deckt mehr als ein Drittel des Strombedarfes von Österreich ab.

Eines wissen Peter Strohmer und Christiane Manschke sicher: Fertig werden sie hier wohl nie. „Wir werden hier wohl noch mit 80 Jahren rumwerkeln“, sagt der Österreicher.

Zum Mühlentag am Pfingstmontag kann die Schieritzer Mühle von 10 bis 16 Uhr besichtigt werden. Stündlich gibt es Führungen.