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Kadaver gegen die Schweinepest

Tote Rehe und Ziegen verunsichern eine Hundebesitzerin in Hirschfelde. Was es mit dem Aas auf sich hat, klärt die SZ.

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Von Mario Heinke

Jeden Tag ist Renate Meier* in Hirschfelde mit dem Hund unterwegs. Alle zwei Tage biegt sie in die Goethestraße ein und spaziert in Richtung Neiße. Die Grundstücke der Einfamilienhäuser rechts und links der Straße sind gesichert wie militärische Objekte. Stacheldraht und Videoüberwachung sollen Kriminelle abschrecken. Dort, wo aus der kleinen Straße ein Feldweg wird, zeugen herumfliegende Federn von einem Kampf zwischen Tieren, den das Federvieh wohl verloren hat. Der Acker hinter dem Faustballstadion ist aufgewühlt, der Weg entlang des Neißedamms matschig. Es gibt wohl schönere Orte auf dieser Welt, aber die Wildschweine scheinen sich hier wohlzufühlen. Das zeigen zumindest deren Spuren.

... in einem Wäldchen an der Neiße in Hirschfelde ausgelegt.
... in einem Wäldchen an der Neiße in Hirschfelde ausgelegt. © privat
Sie sollen dort Wildschweine anlocken.
Sie sollen dort Wildschweine anlocken. © privat

Frau Meier schreitet den Feldrain entlang und erzählt: „Wenn ich mit dem Hund hier entlangkomme, hört der gar nicht auf zu schnüffeln.“ Seit vier Wochen beobachtet die Hirschfelderin merkwürdige Dinge auf dem Feldweg und am kleinen Wäldchen in der Nähe des Wasserwerks. In einer Kuhle liegen dort regelmäßig Kadaver. Ein totes Reh hat sie dort schon fotografiert. Am Dienstag lagen Teile einer toten Ziege im Gras herum.

Manchmal seien die Kadaver noch mit Maiskolben „angerichtet“, als wenn jemand Tiere anlocken will, erzählt die Hundebesitzerin. In das kleine Wäldchen setzt sie aus Vorsicht keinen Fuß. „Nicht, dass dort Fallen aufgebaut sind“, so Frau Meier. Für sie ist das alles ein unheimliches Rätsel: Wer legt die Kadaver aus? Welche Tiere sollen angelockt werden? Und wozu? Ein Anruf beim Ordnungsamt der Stadt blieb ohne Ergebnis. Die Behörde nahm den Fall gar nicht erst auf, erklärt sich als nicht zuständig und verweist die Hirschfelderin an das Veterinäramt.

Die SZ befragt den für das Hirschfelder Gebiet zuständigen Jäger. Klaus Rathmann kann das Rätsel auflösen. „Das ist eine Lockfutterstelle für Wildschweine“, erklärt der Weidmann. Die Kuhle am Wäldchen sei ein Punkt, an dem nachts Rotten von drei Seiten kommen. Deshalb legen Jäger die Köder aus und lauern den Wildschweinen auf. In den kommenden Nächten, wenn der Mond wieder mehr Licht gibt, soll die Jagd erst richtig losgehen, sagt Klaus Rathmann. Die Jäger im Kreis sind aufgefordert zur Vorbeugung gegen die Afrikanische Schweinepest, die sich von Osten kommend ausbreitet, die Abschusszahlen drastisch zu erhöhen. Polen unternimmt große Anstrengungen, die Seuche einzudämmen. Wann die ersten erkrankten Tiere den Weg über die Neiße nach Deutschland finden, ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. „Ich werde meinen Hund woanders ausführen“, sagt Renate Meier, als sie von der Jagd erfährt. * Name von der Redaktion geändert