Kamenz. Sonnabend, halb 11 in Kamenz. Der Tisch der Stadtwerkstatt biegt sich vor Schüsseln voller Kartoffelsalat. Klassisch, mediterran, violett, ganz leicht, filigran geschnitten oder grünlich schimmernd durch leckeres Kürbiskernöl – die Auswahl lässt keine Wünsche offen. Eine sechsköpfige Jury schnuppert, kostet, staunt, genießt und muss manchmal nachfragen, was man denn da gerade isst. Den Zuschauern tropft derweil der berüchtigte Zahn.
Andere Städte haben Stollen-, Brot-, Wurst- oder Klöße-Tests. Kamenz sucht 2019 den besten Kartoffelsalat. In der Stadt der leckeren Kamenzer Knackwürste passt selbiger exzellent dazu. Und der 2. Würstchen- und Regionalmarkt steht vor der Tür. Nur noch vier Wochen bis zum 7. April. Da heißt es trommeln und werben, neugierig machen und Akzente setzen. Citymanagerin Anne Hasselbach sitzt nicht nur mit in der Jury, sondern zieht auch diesmal die Fäden im Hintergrund. Das Programm steht. Ein Höhepunkt am einkaufsoffenen Frühlingsfest der Stadt wird die Prämierung des besten Kartoffelsalates sein. Nur eines der Highlights eines wirklich vollgepackten Nachmittages. Die Gewinner müssen allerdings im Vorfeld ermittelt werden. Dafür ist am 7. April keine Zeit. Außerdem sollen die Kamenzer die besten Rezepte verkosten kommen. Da reicht ein kleines Schüsselchen nicht aus. Die Gewinner müssen fünf Kilo liefern.
Spannung in der Stadtwerkstatt
Gegen 11 Uhr am Sonnabend wissen die anwesenden Kartoffelsalat-Köche noch nicht, wer von ihnen die Ehre haben wird, in Großproduktion zu gehen. Noch sitzen sie gespannt in der Stadtwerkstatt und harren der Dinge. Man stellt sich den anderen vor. Jeder darf etwas zu seinen Beweggründen sagen, warum er am Wettbewerb teilnimmt. Von 25 eingesandten Rezepten hat das Dresdner Kochloft die elf interessantesten vorsortiert. Kein Mensch könnte sich durch 25 Salate kosten. Acht der ursprünglichen Einsendungen kamen direkt aus Kamenz. Die anderen sogar bis aus Löbau, Dresden oder Radeberg. Ein Kartoffelsalat wurde am Morgen frisch mit dem Kurierdienst aus Berlin angeliefert. Und Evelyn und Rüdiger Lautsch sind sogar extra aus Hessen angereist. „Früher lebte ich in der Gegend, habe in Oßling meine Wurzeln und besuche immer noch die Familie vor Ort“, erzählt Rüdiger Lautsch. „Als ich von dem Wettbewerb hörte, dachte ich mir: Mach doch mal mit“, stellt er sich vor.
Jeder hier im Raum hat seine Geschichte. Und mindestens eine Besonderheit in seinem Salat, auf die er schwört. Bei Rüdiger Lautsch ist es zum Beispiel der Dijon Senf, den der begeisterte Weltreisende sich immer aus Frankreich mitbringt.
Die Jury wird dies zu bewerten wissen. Sie besteht neben Anne Hasselbach und Ute Jehnichen vom Kochloft noch aus Dr. Antje Koch, die die Stadtverwaltung vertritt. Oberbürgermeister Roland Dantz musste sich entschuldigen lassen. Auch Constanze Minkwitz von der gleichnamigen Kamenzer Fleischerei, Carola Büttner als Vertreterin der Cityinitiative und Tommy Winter, Chefkoch der Villa Weiße, probieren sich durch die Vielfalt. Kurz vor halb 12 stehen die Gewinner fest. Aus ursprünglich fünf anvisierten, sind sechs geworden. Der Punkteabstand war so kapp, dass man sich aus Fairness dazu entschieden hat.
Platz eins geht an eine Kamenzerin – Sylvia Stephan, Inhaberin des Wäschegeschäftes Hautnah. Dass sie sich nicht nur mit Dessous auskennt, hat sie bewiesen. Ihr eher klassischer Salat besitzt einen schönen Frischekick durch grüne Gurken und die Säure von Kapern. Das kommt an. Und auch Rüdiger Lautsch aus Oberursel strahlt übers ganze Gesicht: Platz 2 für ihn und die Gattin. Da heißt es wiederkommen am 7. April. „Doppelt schön“, sagt Evelyn Lautsch. Bis dahin muss nun noch das neue Rezeptbuch gedruckt werden. Aber die Citymanagerin gibt zu: „Unter Druck arbeiten wir immer am besten!“