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Mit dem 9-Euro-Ticket von Kamenz nach Sylt: "Wir haben es ausprobiert!"

Ein Paar aus Kamenz macht die Probe mit der Regionalbahn. Nach 13 Stunden kommen sie auf der Insel an - und erleben unterwegs kleine Abenteuer.

Von Ina Förster
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Antje Schäfer und Jens Krüger aus Kamenz testeten zu Pfingsten das 9-Euro-Ticket auf der Fahrt nach Sylt.
Antje Schäfer und Jens Krüger aus Kamenz testeten zu Pfingsten das 9-Euro-Ticket auf der Fahrt nach Sylt. © Privat: Jens Krüger

Kamenz/Westerland. Eines vorweg: Es war ein Abenteuer! Was Antje Schäfer und ihr Lebensgefährte Jens Krüger übers Pfingstwochenende erlebten, reicht als Gesprächsstoff für die nächsten zehn Geburtstagsfeiern. Und alle Freunde werden gespannt auf den Reisebericht hören, denn eine Fahrt von Kamenz bis Westerland auf Sylt in diversen Regionalzügen für nur neun Euro - das kann nur interessant werden.

Doch von vorn: Das Kamenzer Paar hatte den Ausflug übers Pfingstwochenende lange geplant. Auf der Insel wohnt Antje Schäfers Tochter, sie arbeitet dort in einer Surfschule. Im Normalfall wären die Erzieherin und der Lehrer mit dem Auto gefahren. Aber sie wollten es diesmal wissen: "Als der Slogan 'Wir fahren nach Sylt' aufkam, haben wir zuerst geschmunzelt. Die Presse sprang ja auf das Thema. Und dann haben wir gesagt: Das probieren wir aus. Jetzt erst recht", erzählen die beiden.

Das Ganze hatte sich in den letzten Wochen bundesweit zu einem Running Gag entwickelt. Seit dem 1. Juni gilt das 9-Euro-Ticket, mit dem die Bundesregierung die Portemonnaies der Bürger in Zeiten von in die Höhe getriebenen Energiekosten entlasten möchte. Auf der Insel Sylt, auf der vor allem gut betuchte Menschen Urlaub unter ihresgleichen machen, sah man diese Demokratisierung des Bahnverkehrs mit Skepsis - und lud damit quasi ganz Deutschland zu sich ein.

13 Stunden bis Sylt und sechsmal umsteigen

"Was wir erlebt haben, war Klasse. Zeitweise war es eng oder laut. Aber wenn, dann meistens nur vom fröhlichen Gesang einzelner Gruppen", erzählt Gymnasiallehrer Jens Krüger. Man habe viel Spaß unterwegs gehabt. Größtenteils sei alles entspannt verlaufen.

13 Stunden brauchten die Kamenzer für die Hinfahrt am Freitag vor Pfingsten und für die Rückfahrt noch eine mehr. "Wir mussten insgesamt sechsmal umsteigen bis Sylt, aber einige Umsteigezeiten waren knapp. Und dann haben wir nur die Rücklichter gesehen", erzählt Antje Schäfer. Sie nahmen es mit Humor. "Wir wussten ja, worauf wir uns einlassen", sagt Krüger.

Die beiden reisten mit leichtem Gepäck, hatten sich vorher genau überlegt, was sie mitnehmen. "In manchen Waggons war es so eng, dass man nicht mal mehr umfallen konnte", erzählt die Kamenzerin. Mit vielen Koffern wäre es unangenehm geworden. Es habe aber viel Hilfsbereitschaft untereinander gegeben, auch die Zugbegleiter seien ruhig geblieben und hätten teils lustige Durchsagen gemacht.

Angekommen auf Sylt: Antje Schäfer und Jens Krüger aus Kamenz genossen die Pfingstfeiertage an der Nordsee - trotz langer Anreise in vollen Zügen.
Angekommen auf Sylt: Antje Schäfer und Jens Krüger aus Kamenz genossen die Pfingstfeiertage an der Nordsee - trotz langer Anreise in vollen Zügen. © Privat: Jens Krüger

Zeitweise mussten sich Antje Schäfer und Jens Krüger trennen. Dann verständigten sie sich über WhatsApp, ob alles in Ordnung ist. Die berüchtigten "Punker-Horden" erlebten sie als fröhlich und aufgeräumt. Es seien auch einfach viele Partytruppen darunter gewesen. "Die meisten kamen nur bis Westerland, aßen etwas, gingen mal ans Meer und fuhren nach zwei Stunden zurück", erzählt Krüger. Andere blieben länger, schliefen im Schlafsack. Aber es sei friedlich geblieben.

Auf der Rückreise erlebten die beiden Kamenzer eine brenzlige Situation mit einem aufgebrachten Passagier, der mit seinem Rad nicht mitgenommen wurde, weil Kinderwagen vorgingen. So bekam sein Bike die geballte Wut ab und flog in hohem Bogen über den Bahnsteig. "Wir wissen, dass viele Nutzer, auch Personal oder reguläre Fahrer über das 9-Euro-Ticket schimpfen", sagt Jens Krüger. "Aber wir sehen das Ganze als Experiment oder Abenteuer. Neben einigen negativen Erfahrungen überwiegen für uns die positiven Eindrücke!"

Dass auch in der Politik gelte "Gut gemeint, ist nicht unbedingt gut gemacht", wisse jeder. Aber wenn man nichts mache, dann sei es eben immer falsch!

Ihr 9-Euro-Ticket gilt bis 30. Juni. Werden sie es weiter nutzen? "Natürlich, es war ein tolles Abenteuer. Wir planen noch ein paar Touren durch Sachsen", sagt das Paar.