Der Radio-Retter von Gräfenhain

Königsbrück. Da kommen Erinnerungen auf, Erinnerungen an die Zeit, als mit dem eigenen Stern-Recorder Musik auf Kassetten aufgenommen oder einfach nur im eigenen Zimmer Radio gehört wurde. Der Stern-Recorder von Staßfurt gehörte für viele Jugendliche in den 70er- und 80er-Jahren zur technischen Ausstattung. Meistens gekauft vom ersten selbst verdienten Geld oder Geld, welches man zur Jugendweihe oder Konfirmation geschenkt bekommen hatte. Heutzutage gehören diese Stern-Recorder kaum noch zu einem Haushalt.
Zu finden sind sie aber bei Klaus Beutner in Gräfenhain. Im eigenen Haus hat er sich über viele Jahre hinweg ein Museum eingerichtet – ein Kofferradio-Museum. Und dort stehen nebeneinander aufgereiht auch alle Baureihen des Stern-Recorders. Doch sind sie nur ein Teil der imposanten Sammlung von Klaus Beutner. Über 300 Kofferradios stehen im Ausstellungsraum des Gräfenhainers, alle ordentlich beschriftet nach Produktnummer, Herstellungsfirma und dem Herstellungsjahr. Und das Besondere: Sie spielen alle noch.

Begonnen hat die Sammlerleidenschaft von Klaus Beutner in der Wendezeit. „Ich war damals auf Montage und fand unterwegs im Sperrmüll ein altes Kofferradio. Das habe ich mitgenommen“, blickt der 72-Jährige zurück. Es war die Zeit, als sich alle Leute westliche Technik anschafften. Die alten Radios landeten im Müll. Klaus Beutner nahm mit, was er finden konnte. Auch über Trödelmärkte ist er gezogen, und hat nach alter Radio-Technik Ausschau gehalten. Mit der Zeit kamen viele Exemplare zusammen. Aber auch Freunde, Familienmitglieder oder Leute aus dem Dorf erfuhren von dem ungewöhnlichen Hobby und brachten alte Radios einfach bei ihm vorbei. Klaus Beutner reparierte sie und nahm sie in die Sammlung auf.
Seit 1992 sammelt der Gräfenhainer die Radios. Dazu zählen auch einige besondere, wie zum Beispiel ein aus Japan importiertes Exemplar. „Das kostete zu DDR-Zeiten etwa 2.000 DDR-Mark, für damalige Verhältnisse ein kleines Vermögen“, erzählt Klaus Beutner. Auch auch ein sehr kleines Radio aus sowjetischer Produktion, ein Kosmos, aus dem Jahr 1965 gehört dazu. Es ist so klein wie eine Zigarettenschachtel und verfügt über Ladegerät, Ohrstöpsel und eine Batterie. Überhaupt sind die älteren Radios fast alle noch mit Batterie. „Erst ab dem Jahr 1973 wurden sie mit Netzteilen versehen“, weiß der Experte.

Später kamen dann Radios mit Kassettenfunktion hinzu, das war in den 80er-Jahren. Auch für diese musste man eine Menge Geld hinlegen – etwa 2.000 DDR-Mark. Das jüngste Radio, was zum Bestand von Klaus Beutner gehört, stammt aus dem Jahr 1987, das älteste ist eine sogenannte Libelle aus dem Jahr 1954. Das schönste in der Sammlung stammt aus Schweden und sieht aus wie ein Beautycase. Die äußere Hülle ist knallrot, man kann es aufklappen, und das eigentliche Radio kommt zum Vorschein.
Das Hobby des Gräfenhainers ist aber nicht allein das Sammeln. Vielmehr ist es Herausforderung und Spaß zugleich, Radios nachzubauen, zu reparieren, zu reinigen und fehlende Teile zu ersetzen. Als Grundlage dient ihm das Buch „Die Geschichte der Fonoindustrie der DDR – 1945 bis 1990“. In diesem Buch sind alle in der DDR hergestellten Radios, alle Typen mit Schaltplänen, technischen Anhängen und Fotos der Originale enthalten. „Damit habe ich gearbeitet, Leiterplatten zusammengebastelt, Teile selbst ausgesägt, das entsprechende Material besorgt, um alles originalgetreu zu bauen beziehungsweise zu reparieren.“
Auch Modelle von Flugzeugen und Schiffen entstehen
Viele Stunden hat Klaus Beutner dafür in seiner Werkstatt verbracht, die sich gleich neben dem Ausstellungsraum befindet. Um ein Radio zu restaurieren, benötigt er ungefähr zwei Tage – je nach Arbeitsaufwand. Von allen Radios in dem Buch fehlen ihm noch 20 Exemplare. „Ich suche zwar noch, aber das ist wahrscheinlich zwecklos. Die sind alle irgendwie verschwunden“, sagt er.
Neben den Radios baut Klaus Beutner auch große Modelle von Flugzeugen und Schiffen. Diese sind dann nicht nur zum Anschauen da, sondern der Hobbybastler lässt sie gemeinsam mit Freunden auch fliegen oder fahren. „Das sind dann immer ganz besondere Augenblicke, die ich sehr genieße“, sagt er. Auch seine Frau, die die Zeit für das Hobby immer toleriert hat, kommt dann mit raus, um die Ergebnisse der Arbeit ihres Mannes in Aktion zu erleben.
Besonders viel Werbung macht Klaus Beutner nicht für sein besonderes Museum. Am Gartentor hängt ein Schild, das auf die Kofferradio-Schau hinweist. Wer will, kann einfach klingeln, und der Experte zeigt dann seinen umfangreichen Schatz. Und so mancher Besucher schwelgt dann in Erinnerungen an alte Zeiten.
Kofferradio-Museum Gräfenhain, Königsbrück, Ortsteil Gräfenhain, Schulstraße 26, Telefon: 035795 31439