"Ich möchte nicht, dass die Leute ein Konzert von der Stange bekommen"

Kamenz. Johannes Oerding zählt zu den bekanntesten und beliebtesten Popmusikern aus dem deutschsprachigen Raum. Seine Alben scheinen von Veröffentlichung zu Veröffentlichung erfolgreicher zu werden: Zuletzt belegte Oerding mit seinem aktuellen Album "Konturen" 63 Wochen Platz eins in den Deutschland-Charts. Das präsentiert er nun auch in Kamenz: Am 6. August ist er auf der Hutbergbühne zu erleben. Zuvor machte Corona dem Musiker mehrmals einen Strich durch die Rechnung: Die eigentlich für 2020 geplante Konturen-Tour musste zweimal verschoben werden. Sächsische.de hat den Sänger vor dem Event befragt.
Herr Oerding, ein bekannter Musiker wird man nicht von heute auf morgen. Was hat Sie zur Musik geführt?
Johannes Oerding: Im Grunde komme ich aus einem sehr musikalischen Haushalt, in dem immer Instrumente herumstanden – eine Gitarre, ein verstimmtes Klavier. Meine Eltern konnten ein paar Akkorde auf der Gitarre spielen, da habe ich mir etwas abgeguckt. Bei uns wurde immer viel gesungen, und neben meinen fünf Geschwistern habe ich mir mit dem lauten Singen Gehör verschafft. Jeder hatte bei uns seine Stärken; damit habe ich mich dann intensiver beschäftigt. Später habe ich auch in einer Schülerband gespielt.
Was, denken Sie, unterscheidet Sie als Songwriter von anderen in der Branche? In einem Interview aus dem Jahr 2019 ist zu lesen, dass Sie den Begriff „Deutsch-Pop-Poet“ furchtbar finden.
Johannes Oerding: Im Nachhinein ist es manchmal erstaunlich, was ich alles so gesagt haben soll. Aber ich glaube, es gibt weitaus poetischere Künstler als mich. Ich schreibe eher umgangssprachlich, fast schon Prosa. Meist schreibe ich Geschichten auch autobiografisch auf. Mir ist es wichtig, zumindest das Gefühl zu kennen, worüber ich schreibe. Ich könnte zum Beispiel nicht darüber singen, wie es ist, vier Kinder zu haben, weil ich einfach keine habe. Ich könnte aber darüber singen, wie es ist, das nicht zu kennen oder das Gefühl zu vermissen.
Wie würden Sie Ihre Musik kurz und knapp beschreiben?
Johannes Oerding: Das ist gar nicht so einfach, so etwas über sich selbst zu sagen. Ich mache deutschsprachige Popmusik mit zeitlosen Geschichten, die man vor 30 Jahren hätte hören können und die man in 30 Jahren noch genauso gut hören kann. Natürlich wird es mal politischer, mal gesellschaftskritisch, aber ich sehe mich auch als Entertainer.
Wie ist es jetzt für Sie, nach zwei Jahren Corona-Pause wieder auf der Bühne zu stehen?
Johannes Oerding: Natürlich vermisst man die großen Bühnenkonzerte, durch Corona wurde ich jäh ausgebremst. Ich hatte aber das Glück, dass bei mir in der Zeit viel Fernsehen dazugekommen ist: „The Voice of Germany“ oder „Sing meinen Song“. So konnte ich auch meine Verbindung zur Fan-Basis aufrechterhalten, diese Möglichkeit hatten andere Künstlerinnen und Künstler nicht.
Ihre Fan-Basis scheint Ihnen sehr wichtig zu sein.
Johannes Oerding: Das Fundament an Menschen, die einen unterstützen, die die Musik hören, das ist das A und O für eine Künstlerkarriere. Wenn du die in schlechten Zeiten nicht hast, dann hast du ein Problem. Wenn die Leute nur für einen Chartsong da sind, brauchst du es nicht zu machen.
Von Mal zu Mal wurden Ihre Alben erfolgreicher: Wie fühlt sich das an, mehrere Wochen auf Platz eins der Deutschland-Charts zu sein?
Johannes Oerding: Ich habe Lust, den Leuten Geschichten zu erzählen. Dann bekommt mein Beruf einen Sinn. Es entsteht aber auch der Druck, immer durchziehen zu müssen und nicht absinken zu dürfen. Aber ich war schon immer ein Sportsmann und halte das aus.
Was ist für Sie der Unterschied zwischen Liveauftritten in Großstädten und solchen in kleineren Orten wie Kamenz?
Johannes Oerding: In Großstädten spricht sich ein Konzert schneller rum. In der Provinz muss man erst einmal sagen: Hey, ich komme! Aber die Leute sind auch dankbar, dass man sich auf den Weg gemacht hat. Warum sollen die auch immer weit mit dem Auto fahren, warum sollen sie nicht mit dem Fahrrad zum Konzert kommen können? Ich selbst komme aus einer kleinen Stadt und habe mich früher immer gefreut, wenn ein großer Act zu uns gekommen ist. Sonst ist man immer in Berlin, Dresden, Hamburg. Aber auch in Kamenz und anderswo sitzen meine Homies: Leute, die die Musik hören.
Ist das Bühnenprogramm ein anderes, wenn Sie in kleineren Städten spielen?
Johannes Oerding: Zu Großstädten gibt es da keinen riesigen Unterschied. Aber ich befasse mich vorher mit dem Ort, schaue zum Beispiel, welcher Fußball-Verein da beliebt ist, ob man Dresden mag. Ich lese verschiedene Artikel und die Wikipedia durch und weiß dann, dass Kamenz Lessing-Stadt ist und dass der Bürgermeister parteilos ist. Ich möchte nicht, dass die Leute für ihr Geld ein Konzert von der Stange bekommen.
Das Interview hat Fabian Schaar geführt. Er ist Schüler des Oberland-Gymnasiums Seifhennersdorf und absolviert gegenwärtig ein Praktikum in der SZ-Lokalredaktion in Bautzen.
Sächsische.de verlost zweimal zwei Freikarten für das Open-Air-Konzert von Johannes Oerding am 6. August, 19 Uhr, in Kamenz. Wer gewinnen will, sendet bis 3. August, 18 Uhr, eine E-Mail an [email protected].