Kamenz: So schön ist die Alte Posthalterei geworden

Kamenz. Die alte Kamenzer Posthalterei ist kaum wiederzuerkennen: Ein reichliches Jahr lang wurde das historische Haus saniert, jetzt haben es die Handwerker an die Nutzer übergeben. Mit der Eröffnung will der Eigentümer, die Stiftung "Pro Gemeinsinn", auch ein paar besondere Akzente setzen. Darauf deuten weiße Stelen hin, die im Galerieraum im Erdgeschoss schon vor ein paar Tagen aufgestellt wurden. Inzwischen sind sie mit Bildern dekoriert.
Im Erdgeschoss sind auch noch die meisten Spuren aus der Geschichte eines der ältesten Gebäude der Stadt Kamenz zu entdecken. 1545 ist am Eingang über der restaurierten, historischen Holztür zu lesen. Die ist umgeben von einem Renaissance-Portal, das kunstvoll wieder hergerichtet worden und ein echter Hingucker ist.

Im nächsten Raum hinter der Galerie fällt die mit Ziegeln gemauerte Gewölbedecke auf. Die drohte herunterzubrechen und wurde aufwändig restauriert. „Es war mir wichtig, ein bisschen von der Geschichte zu zeigen“, sagt Anne-Kathrein Zöllner, die Geschäftsführerin der Stiftung. Viel sei nicht mehr möglich, die Substanz zu schlecht gewesen. Nässe von oben und unten. So habe das Gebäude zunächst mit großem Aufwand trockengelegt werden müssen.
Kreative Angebote im "Kleinen Gewölbe"
In dem "Kleinen Gewölbe" will die Stiftung künftig Angebote für Familien, für Kinder und Jugendliche unterbreiten. Auch der überdachte Hof kann mit einbezogen werden. Der geht in den offenen Hof mit grünen Inseln über. Im Durchgang zur Zwingerstraße gibt es eine großzügige Lümmelbank für junge Leute.
Die Historie des Hauses lässt sich vielleicht noch am besten in den Tonnengewölben des Kellers entdecken. Die Stiftungschefin erklärt, dass hier viel mit Stahl und Beton stabilisiert werden musste, um die Statik des Gebäudes zu sichern. Die Akustik sei übrigens großartig für Klangerlebnisse.

Doch Kunst und Kultur sei ja nicht die Kernaufgabe des Vereins, sondern die Arbeit mit Kindern, sagt die Chefin. Hauptsächlich in Berlin, wo die gemeinnützige GmbH ihren Hauptsitz hat und 1.700 Kinder in Kitas sowie Ganztagsgrund- und -förderschulen betreut.
Mehr als eine Million Euro investiert
Nach Ostsachsen zog es Anne-Kathrein Zöllner, weil sie aus der Gegend stammt. Sie ist in Möhrsdorf aufgewachsen und in Kamenz zur Schule gegangen, bevor es sie nach Berlin verschlug. Mit Heimatgeschichte sei sie groß geworden: "Mein Vater schrieb die umfangreiche Chronik von Gersdorf-Möhrsdorf."
Das heruntergekommene, denkmalgeschützte Gebäude der alten Posthalterei in Kamenz reizte die 63-Jährige. Inzwischen sind rund 1,3 Millionen Euro hineingeflossen, um aus der Ruine ein Schmuckstück zu machen. Mehr als geplant, und das nicht nur wegen der explodierten Holzpreise. Im Dach und auch in den Decken mussten viele Balken teilweise oder ganz ersetzt werden. „Wir haben die Sanierung ohne Fördermittel aus eigener Kraft gestemmt“, ist Anne Zöllner auch ein bisschen stolz.
Stiftung betreibt Kitas und Horte im Rödertal
Ins Obergeschoss führen raue Granitstufen, denen man die Jahrhunderte ansieht. Dort hat jetzt die hiesige Niederlassung der Stiftung ihren Verwaltungssitz – die "Stiftung Pro Gemeinsinn Sachsen". Derzeit mit zwei Mitarbeitern, einer ist Regionalleiter Ronny Mildner. Ob es mehr werden, hänge von der Entwicklung ab. Bisher betreibt die Stiftung drei Kitas und Horte im Rödertal. Einige wenige sollen zwischen Bautzen und Dresden noch dazukommen.
Durch das Gebäude zieht sich ein spezielles Farbkonzept: In Anthrazit der Fußboden und Weiß die Wände. Das sieht einfach edel aus, sagt Anne Zöllner. Damit seien die Räume vielfältig nutzbar.

Nach wie vor sei das Erdgeschoss für die Stadt reserviert, der Mietvertrag aber noch nicht geschlossen. Im großen Galerieraum will die Stadt Dada-Kunst aus einer Schenkung öffentlich ausstellen. Nebenan ist eine Mitmach-Druckwerkstatt mit historischen Maschinen geplant, berichtet die Geschäftsführerin.
Baselitz und Richter in einer Schau
Zur Hauseröffnung am Freitag präsentiert die Stiftung mit „Artefakte“ eine eigene Ausstellung mit Reproduktionen, die meist in Originalgröße gezeigt werden – raumgreifend und beeindruckend. Damit will die Stiftung zwei weltberühmte Söhne Ostsachsens in den Fokus nehmen: Georg Baselitz hat in Deutschbaselitz und Gerhard Richter in Dresden seine Wurzeln.
Exklusiv gewährt außerdem die renommierte Fotokünstlerin Herlinde Koelbl mit ihren Bildern von einem Atelierbesuch bei Georg Baselitz Einblick in die Persönlichkeit des Künstlers. Als eher schroff bekannt, zeigt sie ihn von einer anderen Seite, freundlich und verschmitzt.
„Die drei Säulen der Ausstellung sind schon spektakulär. Wir wollen mit zwei Künstlern, die hier aufgewachsen sind, den Bezug zur Heimat herstellen", erklärt Anne Zöllner. "Und sagen: ,Darauf können wir stolz sein und selbst auch positiv für die Gesellschaft werden.'" Es gebe hier keinen Grund für Minderwertigkeitskomplexe.
Die Ausstellung "Artefakte" kann sonnabends 14 bis 17 Uhr und mittwochs 16 bis 18 Uhr in der alten Posthalterei, Zwingerstraße 20 in Kamenz, besichtigt werden.