SZ + Sachsen
Merken

So kämpfen die Jäger in der Oberlausitz gegen die Schweinepest

Um die Tierseuche einzudämmen, sollen mehr Wildschweine erlegt werden. Die Jäger setzen auf Drohnen, große Drückjagden und besondere Fallen.

Von Reiner Hanke
 5 Min.
Teilen
Folgen
Georg Stötzel demonstriert in Kamenz die amerikanische Netzfalle "Pig Brig", die im Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest jetzt auch in der Oberlausitz eingesetzt wird, um den Wildschweinbestand zu reduzieren.
Georg Stötzel demonstriert in Kamenz die amerikanische Netzfalle "Pig Brig", die im Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest jetzt auch in der Oberlausitz eingesetzt wird, um den Wildschweinbestand zu reduzieren. © Anne Hasselbach

Kamenz. Aufgeregt rennen die Wildschweine durcheinander, zerren an den schwarzen Maschen. Aber es gibt kein Entkommen. Die Netzfalle ist zugeschnappt. Der Saufang hat einen Durchmesser von etwa fünf Metern. Unter dem stabilen Maschenvorhang hindurch kommen die Tiere hinein, aber nicht mehr hinaus, wenn der Vorhang wieder fällt.

Das zeigt ein Video. Und so soll es im Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest jetzt auch in den Landkreisen Bautzen und Görlitz praktiziert werden. Die Fallen sind schon geordert. Rund 3.000 Euro kostet das Stück, erklärt Georg Stötzel.

Er ist seit 27 Jahren passionierter Jäger und längst Rentner. Doch jetzt hat er einen neuen Arbeitsplatz in der alten Straßenmeisterei in Kamenz. Stötzel ist „ASP-Koordinator für verstärkte Bejagung“ und hat noch zwei Kollegen. ASP steht für die Afrikanische Schweinepest. An der erkranken immer mehr Wildschweine in Ostsachsen, und der Freistaat ist fieberhaft bemüht, die Ausbreitung der Infektionskrankheit einzudämmen.

Bisher über 1.500 infizierte Wildschweine

Ein Teil der Lösung sind nun die Jäger. Sie sollen das Schwarzwild stärker ins Visier nehmen. Um das zu koordinieren und die Jäger zu unterstützen, ist in der alten Straßenmeisterei von Kamenz ein Stützpunkt entstanden. Georg Stötzel öffnet eine Lagerhalle.

Von hier aus wird die Ausrüstung wie Hochsitze, Fallen und transportable Kühltechnik verteilt. Anhänger für den Transport des Wildes stehen bereit. Außerdem verfügt der Stützpunkt über zwei Drohnen, um Wildschweine aufzuspüren. „Wir fahren Hochsitze raus, setzen sie um, transportieren erlegtes Wild, desinfizieren Netzfallen“, zählt Stötzel auf. Auch Jagden und Schulungen werden organsiert.

Die Rechnung, die dem Ganzen zugrunde liegt, ist einfach: weniger Wildschweine – weniger Möglichkeiten, die Krankheit zu verbreiten. Die wurde bisher im Kreis Bautzen bei 311 und im Nachbarkreis Görlitz bei 1.225 Wildschweinen festgestellt. Für die beiden Landkreise ist der Stützpunkt bisher zuständig.

Warnschilder für die Waldwege haben die Jäger schon in großer Anzahl geordert. Die Treibjagden können beginnen, um den Wildschwein-Bestand zu reduzieren.
Warnschilder für die Waldwege haben die Jäger schon in großer Anzahl geordert. Die Treibjagden können beginnen, um den Wildschwein-Bestand zu reduzieren. © SZ/Reiner Hanke

1,5 Millionen Euro investiert der Freistaat Sachsen bis zum kommenden Frühjahr in das Gemeinschaftsprojekt mit dem Landesjagdverband. Einmalig sei ein solches Projekt bisher in den betroffenen Bundesländern. Sozialministerin Petra Köpping (SPD) spricht von einer „harten Maßnahme“. Aber ohne den Wildschweinbestand zu reduzieren, sei der Seuche nicht Herr zu werden. Es gehe letztlich um die Existenz der Schweinemastbetriebe. Auf die dürfe ASP keinesfalls übergreifen.

Der Kamenzer Stützpunkt startete Mitte Juni. In die heiße Phase kommt das Projekt, wenn die Drückjagden, landläufig Treibjagden genannt, beginnen.

Gejagt wird nur vom Ansitz. 65 davon haben die Koordinatoren bereits ausgeliefert, weitere sollen kommen, weil die Nachfrage groß ist. Die Modelle seien aus Metall und ließen sich mit zwei Leuten gut in den Wald und an den Feldrand transportieren. So könne ein Acker für die Erntejagd relativ leicht eingekreist werden. Die sei aber insgesamt bisher noch nicht so ergebnisreich verlaufen.

Bis zu 40 Drückjagden geplant

Die Termine gebe die Landwirtschaft vor. „Wir müssen dann schnell reagieren“, sagt Stötzel. Allerdings reagiere die Schweinerotte gern schneller und renne explosionsartig vom Acker. Wildschweine seien sehr schlau und wüssten, sich aus der Affäre zu ziehen.

Oftmals können die Jäger aber auch aus Sicherheitsgründen nicht abdrücken: Wenn das Wild zwischen Jäger und Mähdrescher steckt oder in Richtung von Siedlungen läuft. Es dürfe niemals jemand gefährdet werden. Die Jagd sei streng geregelt. Und oft ein Geduldsspiel: Ein Woche habe er jüngst für einen kleinen Keiler gesessen, erzählt Stötzel.

Für große Erntejagden sei es wiederum in der Woche nicht so leicht, das Personal mit bis zu 15 Jägern zusammenzubekommen. Bisher stehen knapp 20 erlegte Wildschweine auf der Erfolgsliste der Koordinatoren.

Die setzen nun auf die Maisernte und die Treibjagden. Dabei seien meist 20 bis 30 Jäger unterwegs, mitunter auch bis zu 50, dazu die Treiber. Bei so einer Jagd sollten dann schon Wildschweine im zweistelligen Bereich erlegt werden können, schätzt Stötzel ein.

Eine Strecke erlegter Wildschweine - das ist das Ziel der Treibjagden, die in den nächsten Monaten verstärkt stattfinden sollen, um den Wildschweinbestand zu reduzieren.
Eine Strecke erlegter Wildschweine - das ist das Ziel der Treibjagden, die in den nächsten Monaten verstärkt stattfinden sollen, um den Wildschweinbestand zu reduzieren. © dpa-Zentralbild

Bis zu 40 Drückjagden erwartet das Sozialministerium. Um infiziertes Schwarzwild nicht aufzuscheuchen und in andere Wälder zu vertreiben und damit die Krankheit weiter zu verbreiten, sollen diese Jagden aber nicht in den Seuchen-Brennpunkten stattfinden. Dazu gehört die Königsbrücker Heide und der Raum südlich davon bis Pulsnitz. Außerdem Gebiete östlich von Weißkollm und Lohsa bis östlich von Spreewitz.

Fleisch der erlegten Tiere kommt nicht in den Handel

Netzfallen seien dort aber kein Problem. 50 Stück hat der Landesjagdverband angeschafft. Die zehnte werde diese Woche aufgestellt. Noch sei nichts ins Netz gegangen. Auch das sei ein Geduldsspiel. So müssten die Tiere erst angefüttert werden.

Als Wildfleisch in den Handel kommt keines der erlegten Tiere aus dem Seuchenbereich. Die infizierten - es sind etwa sieben Prozent - werden sofort in die Tierkörperbeseitigungsanstalt gebracht. Die virenfreien dürfen die Jäger ausschließlich für den eigenen Bedarf verwenden.

Bis Ende März des kommenden Jahres soll der Stützpunkt in Kamenz erst einmal bleiben. Eine Verlängerung ist aber schon im Gespräch, sagt Georg Stötzel.