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Verhindert die Kätzcheneule den Kiesabbau bei Kamenz?

Am Ochsenberg soll Kies abgebaut werden. Dagegen regt sich immer mehr Widerstand. Gegner setzen dabei auch auf das, was Insektenkundler herausgefunden haben.

Von Reiner Hanke
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Eine Interessengemeinschaft von Insektenkundlern um Tilmann Adler unterstützt Bürger in Neukirch und Kamenz, die sich gegen den drohenden Kiesabbau wehren. Die Hobby-Entomologen haben Erstaunliches entdeckt.
Eine Interessengemeinschaft von Insektenkundlern um Tilmann Adler unterstützt Bürger in Neukirch und Kamenz, die sich gegen den drohenden Kiesabbau wehren. Die Hobby-Entomologen haben Erstaunliches entdeckt. © Anne Hasselbach

Neukirch/Kamenz. Natur oder Kiesabbau zwischen Neukirch und Kamenz? Die Frage ist noch lange nicht beantwortet. Aber für Tilmann Adler ist klar, wie die Antwort aussehen soll, wenn es nach ihm geht: Natur. Der Hobby-Entomologe, also Insektenkundler, findet bei einem Treffen im Gebiet „Weiße Berge/Ochsenberg“ sofort die ersten Schmetterlingsspuren an Laubblättern neben dem Wanderweg.

Der Schmetterlingsfreund aus Radeberg ist schon seit einigen Jahren gemeinsam mit Gleichgesinnten aus der Region unterwegs. Vor allem haben es ihnen die Nachtfalter angetan. Erst durch die Berichte über den geplanten Kiesabbau sei er aber in diesem Jahr auf das Gebiet bei Neukirch/Kamenz aufmerksam geworden.

Die Opima-Kätzcheneule ist vielleicht unscheinbar, aber äußerst selten. Sie steht auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. In der Region um den Ochsenberg und die Weißen Berge kommt sie vor.
Die Opima-Kätzcheneule ist vielleicht unscheinbar, aber äußerst selten. Sie steht auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. In der Region um den Ochsenberg und die Weißen Berge kommt sie vor. © privat

Und was er hier vorgefunden habe, sei beeindruckend, sagt er. Mit vor Ort sind Kuno Lindner und Katja Lehmann vom Verein „Kulturlandschaft Weiße Berge/Ochsenberg“. Dessen Ziel ist auf Transparenten in den Dörfern rund ums potenzielle Abbaugebiet zu lesen, ebenso auf Tafeln im Wald: „Wir werden den Kiesabbau verhindern.“

Insektenkundler haben 600 Arten gefunden

Das Team der Entomologen unterstütze sie, sagen die beiden Gründungsmitglieder des Vereins. Denn leider sei diese Gegend noch ein weißer Fleck auf der Artenlandkarte und bisher wenig zu Flora und Fauna erfasst. So bestehe die Gefahr, dass die Situation vom Schreibtisch aus am Ende falsch beurteilt werde. Doch der weiße Fleck bekommt jetzt Farbe. Dabei leiste das Team um Tilmann Adler wichtige Arbeit.

Seit einigen Monaten sind die Insektenfreunde in dem Gebiet aktiv, es sei aber noch lange nicht abgegrast, sagt Adler. Denn im Mai seien zum Beispiel ganz andere Insekten aktiv als im September. 40-mal waren Tilmann Adler und seine Mitstreiter inzwischen unterwegs: Mit Licht locken die Entomologen die Flügeltiere an, erfassen sie - und lassen sich nebenbei von Mücken zerstechen.

„Wir haben gestaunt über die Vielfalt“, sagt Adler. 600 Insektenarten hätten sie bisher gefunden – davon 400 Schmetterlingsarten und 100 Käferarten. Die Zahlen seien überwältigend. Darunter seien auch Falter, die auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten stehen. Dazu gehörten die Opima-Kätzcheneule und die Braungraue Holzeule - beides Falter. Auch extrem seltene und andere stark gefährdete Arten habe das Team der Interessengemeinschaft entdeckt.

Kiesabbau-Kritiker verweisen auf Vielfalt des Ökosystems

Mit ihren Erkenntnissen füttern sie eine Datenbank. Das Internet-Portal heißt Insekten Sachsen und ist eine Gemeinschaftsinitiative des Nabu-Landesverbandes Sachsen mit weiteren Fachverbänden, die vom Freistaat unterstützt wird. Alle Fundmeldungen werden durch Fachleute geprüft.

Der Hügel-Laufkäfer steht auf der Vorwarnliste für bedrohte Arten.
Der Hügel-Laufkäfer steht auf der Vorwarnliste für bedrohte Arten. © privat

Wobei es den Naturfreunden weniger um einzelne gefährdete Arten geht, sondern vielmehr um die Vielfalt des Ökosystems, das gerade deshalb so erhaltenswert sei. So sorge die Vielfalt der Pflanzen für eine Vielfalt bei den Insekten. Denn jedes habe seine Pflanze. „Das ist die Grundlage“, sagt Tilmann Adler. Was einmal durch den Kiesabbau zerstört sei, komme so nicht mehr wieder. „Aber wir brauchen die Natur, gerade in den Zeiten des Klimawandels.“

Der Verein „Kulturlandschaft Weiße Berge/Ochsenberg“ werde seine Stellungnahme zu den Kiesabbauplänen auf all diesen Erkenntnissen aufbauen, sagt Kuno Lindner. Auch aus der Bevölkerung kämen immer mehr Hinweise zu seltenen Pflanzen, wie dem Sonnentau, oder zum Fledermaus-Vorkommen. Naturfreunde und Fachleute aus anderen Regionen seien ebenfalls aufmerksam geworden.

Quarz AG hat Abbau noch nicht beantragt

Aber zu den Insektenkundlern sei der Draht besonders eng und deren fachliche Expertise sehr wichtig. Denn für einen Verein, der kaum über finanzielle Mittel verfügt, sei es schwer, Fachleute zu bezahlen. „Wir bündeln, sammeln, dokumentieren, vernetzen“, beschreibt Kuno Lindner die Arbeit des Vereins.

Der macht noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: Das Gebiet sei auch wegen seiner Hydrologie etwas Besonderes – ein natürlicher Wasserspeicher. Das hänge mit der geologischen Beschaffenheit zusammen, erklärt Katja Lehmann. Es sei ein Quellgebiet mit vielen kleinen Wasserläufen, die letztlich auch die Schwarze Elster mit speisen würden. Trotz der anhaltenden Trockenheit fließe noch Wasser. Dieses Ökosystem würde zerstört, der Region das Wasser abgegraben, wenn hier Kies abgebaut werden würde, sind sich die Vereinsmitglieder sicher.

Die Abbaurechte liegen bei der Deutschen Quarz AG. Allein Feld I wäre 50 Hektar groß. 35 Jahre soll dort gebaggert werden. Derzeit bereite das Unternehmen noch die Antragsunterlagen vor, ist Aussagen aus dem Oberbergamt in Freiberg zu entnehmen. So würden auch Kartierungen laufen. Noch seien aber keine Unterlagen eingegangen. Welchen Einfluss zum Beispiel das Vorkommen streng geschützter Arten auf den geplanten Bergbau hätte, das sei im Zulassungsverfahren zu prüfen.

Die Quarz AG selbst hatte zuletzt mitgeteilt, man arbeite an einer erweiterten Planung, die „Elemente eines ökologisch orientierten Abbaus“ verwirklichen solle. Über Details werde man später informieren. Das ist bisher noch nicht passiert. Der Verein nutzt derweil die Zeit, um seine Position zu untermauern - und bedient sich dabei auch der Hilfe der Insektenkundler.