Kamenz: Sozialkaufhaus wächst

Kamenz. Regale, wohin das Auge blickt. Darin stapeln sich Tausende Dinge. Für den Haushalt, die gute Stube, zum Anziehen, für die Freizeit. Und es ist voll an diesem Vormittag im Fair-Kauf-Zentrum am Kamenzer Garnisonsplatz. Seitdem die Arbeitslosenselbsthilfe in Kamenz ihr Aus bekanntgegeben hat, kommen noch mehr Kunden ins Sozialkaufhaus gleich neben dem Jobcenter. Es musste deshalb in den letzten Wochen schon erweitern. Nun gibt es einen neuen Verkaufsraum für Elektrogroßgeräte, Kinderwagen, Rollatoren, Fitnessgeräte und anderes. Dadurch entspannte sich auch die Lage in der Bekleidungsabteilung. Für Herren gibt es seit Kurzem einen extra Raum.
Eine Kaffeekanne für 98 Cent
Rentner streifen durch die Gänge auf der Suche nach einer warmen Jacke, Mütter mit Kindern kramen in der Spielzeugabteilung, junge Leute im Schallplattenstapel. Manche sind Stammkunden, andere waren zuvor noch nie da. Schämen sich vielleicht ein bisschen. Wer im Fair-Kauf-Zentrum einkaufen kommt, bezieht auf jeden Fall eine Sozialleistung und hat erfahrungsgemäß wenig Geld in der Tasche.
"Wir sehen uns als normales Warenhaus, wollen unseren Kunden das Gefühl geben, sich etwas leisten zu können. Deswegen gibt es bei uns nichts umsonst, sondern für einen kleinen Obolus", sagt Leiter Andreas Crämer. Es sind meistens Cent-Beträge. Ein Service mit Goldrand kostet vier Euro, eine einzelne Kaffeekanne 98 Cent. "Wenn wir es verschenken würden, hätte es ein bisschen den Nachklang, nichts wert zu sein."

"Bei uns kann jeder einkaufen, wenn er einen Nachweis dafür vorlegt. Das ist Voraussetzung. Sogar Nicht-Kamenzer, die nur auf Besuch sind. Alle Waren sind Spenden", sagt der Chef des Fair-Kauf-Zentrums. Bereits seit der ersten Stunde hat Andreas Crämer das Haus und sein Team fest im Griff - seit zwölf Jahren. Der Verein "Aktiv vor Ort" steht hinter dem Projekt. Früher saß noch die Kamenzer Bildungsgesellschaft im Boot. Die betreibt mittlerweile das Möbellager extra.
Nicht immer sei die Arbeit einfach, seien Planungen und Ideen leicht umzusetzen, sagt Crämer. Vor allem, weil die Mitarbeiter ständig wechseln. Ihre Stellen werden über das Jobcenter finanziert. Die Fluktuation an Arbeitskräften sei dementsprechend hoch. "Kaum hat man sich an jemanden gewöhnt, ist er wieder weg." Besonders traurig sei das, wenn er gute Leute gehen lassen muss. "Aktuell ist das Team 13 Leute groß. Sie kommen aus unterschiedlichsten Maßnahmen des Arbeitsamtes", erklärt Crämer.

Immer wieder hat sich das Fair-Kauf-Zentrum über die Zeit gerettet. Auch als es im Januar 2015 auf dem Gelände brannte. "Neben der Kamenzer Tafel waren wir stark in Mitleidenschaft gezogen. Haben uns aber gut aufgerappelt", so Andreas Crämer. Die Hilfsbereitschaft der Kamenzer war riesig.
Heute kämpft das Team mit den Folgen und Begleiterscheinungen des Coronavirus. Denn das Sozialkaufhaus ist vor allem auf Spenden angewiesen. Manchmal funktioniere das besser, manchmal schlechter. Auch das Fair-Kauf-Zentrum blieb im Frühjahr corona-bedingt wochenlang zu.
Und da ist noch das Problem mit den Containern. "Von rund 40 Kleidersammelcontainern sind die meisten aktuell geschlossen. Wir haben nur noch ganze vier offen. Man kann abgetragene Kleidung aber auch direkt zu uns bringen", sagt Andreas Crämer. Hintergrund für die Schließung der Kleidercontainer ist die Lage auf dem Weltmarkt. Normalerweise werden die guten, verwertbaren Stücke für den Verkauf aussortiert, und der Rest geht ins Wertstoffrecycling. Da brechen aber seit Monaten die Verwertungsketten ab. Deswegen laufen die Lager gerade voll – überall in Deutschland.
In Kleidercontainern landet viel Müll
Auch wenn die Kleidercontainer derzeit hier und da fehlen: Kleiderspenden sind nach wie vor willkommen. Sie sollten aber eine echte Spende sein, keine Alternative zur Mülltonne. "Leider erleben wir das öfter. Es kam vor, dass wir Altöl-Behälter oder sogar den Kadaver eines geschlachteten Schafes in einem Container liegen hatten", berichtet Andreas Crämer.
Das sei nicht nur unangenehm, sondern sehr unfair dem Sozialkaufhaus gegenüber. Denn dieses muss den Müll letztendlich entsorgen. Dazu kommen die Kosten für die Kleiderware, welche nicht verkauft werden kann. "Früher hat die Altkleiderindustrie das bezahlt, denn sie recycelten daraus neue Dinge. Nun ist der Weltmarkt eingebrochen, und keiner braucht das Zeug", erklärt Andreas Crämer. Aktuell holt er Angebote ein, wo die günstigste Entsorgung möglich ist. "Das bewegt sich zwischen 170 und 285 Euro pro Tonne. Wir müssen hier künftig auf Finanzspritzen von Sponsoren setzen!"
Doch das Sozialkaufhaus ist angewiesen auf die Kleiderspenden. Ohne sie gäbe es überhaupt keine Ware. Und die braucht das Fair-Kauf-Zentrum mehr denn je, wenn die Arbeitslosenselbsthilfe zum Jahresende als Händler wegbricht. Auch Elektro-Großgeräte seien Mangelware, aber heiß begehrt. "Wir bitten die Bevölkerung hier um Mithilfe", so der Kaufhausleiter.
Gespendet werden kann auf das Konto der Kreissparkasse Bautzen, Fair-Kauf-Zentrum Kamenz, IBAN DE 75 8555 0000 1002 0098 43
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