Bekommt Kamenz neue Windräder?

Kamenz. Die Windenergie rückt derzeit immer stärker in den Fokus - wegen des Klimas und nun von der Energiekrise forciert. Die Ampelkoalition in Berlin will den stagnierenden Ausbau deshalb wieder vorantreiben. Direkt auf Kamenzer Flur gibt es bisher noch keine Windkraftanlage. Aber direkt an der Stadtgrenze bei Thonberg ragen Windräder in den Himmel. Kommen nun bald neue hinzu?
Zu den sogenannten Windkraft-Vorrang-Gebieten gibt ein Regionalplan Auskunft. Dessen überarbeitete Fassung liegt gerade im Kamenzer Rathaus. Wichtigste Erkenntnis daraus: Auf dem Gebiet der Stadt ist kein Vorranggebiet für den bevorzugten Bau von Windrädern verzeichnet. Und: Die Zahl der Windanlagen vor den Toren der Stadt wird sogar eher zurückgehen.
Von den mehr als zehn Windrädern bei Thonberg müssten demnach etwa sieben stillgelegt werden. Hintergrund sind die neusten Klauseln im sächsischen Baugesetz, wonach beim Bau von Windrädern ein Abstand zur Wohnbebauung von mindestens 1.000 Metern einzuhalten ist.
Abstand der Windräder zu Wohnhäusern ist zu gering
Das hat auch für Thonberg konkrete Auswirkungen: Denn einige der Anlagen, die auf Elstraer und Nebelschützer Flur stehen, sind nur um die 500 Meter von der Wohnbebauung in dem Kamenzer Ortsteil entfernt. Auch mit dem Abstand zu einzelnen Dörfern der beiden Nachbarkommunen könnte es eng werden.
Eine Ersatzfläche soll auf der anderen Seite der Staatsstraße S100 bei Miltitz in der Gemeinde Nebelschütz ausgewiesen werden, weiß der Kamenzer Stadtentwicklungsdezernent Michael Preuß. Den Verlust könne das aber bei Weitem nicht kompensieren.
Aber der Stadtrat und er selbst seien ohnehin äußerst zurückhaltend gegenüber Windkraft, sagt der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz (parteilos). Sie mache Landschaftsräume kaputt. Er sehe nicht, "dass diese Art der Energiegewinnung sinnvoll sein soll“. Anderswo sei es vielleicht nicht so, aber hier wolle man eine über lange Zeiträume gewachsene Kulturlandschaft mit einem markanten Landschaftsrelief bewahren.
Die Masse des Stroms müsse eben aus Kernkraft kommen, wenn man Gas nicht mehr wolle, sagt Dantz. Leider sehe er bei der Regierung derzeit keine belastbare Vorstellung, wie ein Industrieland wie die Bundesrepublik langfristig sicher mit Strom versorgt werden soll.
OB sieht in Kamenz keinen geeigneten Standort
In der Nordsee hätten Windräder ja Sinn, und Tagebaulandschaften könnten gut genutzt werden. In Kamenz sehe er aber keinen potenziellen Standort. Und er verstehe die Leute, die sich wehren, wenn die „Landschaft zugespargelt wird“.
Rückläufige Zahlen bei den Windrädern und Widerstand gegen den Bau solcher Anlagen stehen allerdings im krassen Gegensatz zur aktuellen Regierungspolitik. So wurde, um die Zahlen zu steigern, jetzt das Wind-an-Land-Gesetz auf den Weg gebracht, die Abstandsregel damit zumindest etwas entschärft und die Modernisierung älterer Anlagen erleichtert. Das soll auch mit Änderungen am Bundesnaturschutzgesetz erreicht werden. Außerdem sollen die Bundesländer einen verbindlichen Flächenanteil für die Windkraft ausweisen - schon bis Mitte 2023.
Der Regionalplan könnte also schon bald wieder überholt sein und der Druck auf Kommunen wie Kamenz wachsen. Dennoch: Dantz bleibt bei seiner ablehnenden Haltung. Und um die Situation zu bewerten, sei es noch zu früh, sagt er.
Grünen-Stadtrat will Situation neu bewerten
Grünen-Stadtrat Jörg Stern weiß, dass sich der Kamenzer Stadtrat in der Vergangenheit schon zu dem Thema verständigt hatte, findet aber, dass die Situation neu betrachtet werden müsse, da Kamenz ja seit der Eingliederung der dünner besiedelten ländlichen Gemeinde Schönteichen größer geworden sei. Derzeit lasse sich nicht einschätzen, ob und welche Flächen geeignet sein könnten. Aber zumindest geprüft werden sollte es: „Denn wir müssen ja mit den Energie-Alternativen vorankommen.“ Außerdem müsse die Fotovoltaik ausgebaut werden.
In diesem Punkt pflichtet ihm der OB bei. Diverse kommunale Gebäude seien dafür bereits verpachtet, wie die Grundschule in Brauna und das Dach des Sport- und Freizeitzentrums Tomogara. Doch da sei noch Luft nach oben: „Wir sind da aufgeschlossen“, sagt Dantz.
Kamenz setzt auf den Ausbau der Fotovoltaik
Dabei sehe er eher die wirtschaftliche Seite , weniger den Klimaschutz. Denn die Stadt könnte die explodierenden Energiekosten so zumindest etwas dämpfen. Damit beschäftige sich aktuell das Stadtentwicklungs-Dezernat. Es soll zunächst alle Dachflächen kommunaler Gebäude sichten. Da gebe es Potenzial. Das sei auch auf Militärbrachen der Fall. In der Kamenzer Altstadt sei es mit Solar-Anlagen wegen des Denkmalschutzes dagegen eher schwierig. Doch selbst da seien Lockerungen für Investoren möglich.
Mit dem Investor des Windparks an der Kamenzer Stadtgrenze wolle man über die neue Situation ins Gespräch kommen, sagt der Nebelschützer Ex-Bürgermeister Thomas Zschornak, der sich über viele Jahre für Energiealternativen engagiert hat. Es gehe um neue Konzepte für die Windkraft und die teilweise betagten Anlagen.
Zschornak sagt, er unterstütze die Windenergie, schränkt aber auch ein: Die Interessen von Mensch und Tier müssten schon in hohem Maße berücksichtigt werden. Daher tendiere er auch eher zur Fotovoltaik. Dafür sei noch so viel Platz auf den Dächern.